Und so unternahm ich im Alter von fünfzehn Jahren den letzten Versuch, mich als angehender Bauarbeiter in die Gesellschaft zu integrieren. Ich hatte eine bildschöne Freundin, an die ich meine Unschuld verlor, und außerdem führte ich den Schaufenster-Diebstahl in unserem schönen Limburg ein. Die Arbeit auf dem Bau war eine Enttäuschung. Jeden Tag musste ich morgens um sechs oder manchmal sogar noch früher aufstehen, essen, anziehen und schnell zum Bus, der schon ungeduldig hupend vor dem Haus wartete. Oft saßen die älteren Verfuger schon im Bus, tranken Bier und rauchten ihre selbstgedrehten Kippen. Der Bus stank widerlich nach Alkohol, Rauch und altem Schweiß. Auf der Baustelle verschwanden die Verfuger dann erst einmal im Bauwagen und ließen mich mit einer ganzen Reihe von Aufträgen zurück. Zuerst musste ich den Mörtel anrühren, sechs Karren Sand, Zement, Wasser dazu, gut mischen und fertig. Dann rauf aufs Gerüst, den Arbeitsbereich zuerst mit einem Stein und anschließend mit einer Mischung aus Wasser und Salzsäure säubern. Zum Schluss den Mörtel hinaufbringen und den Verfugern Bescheid sagen, dass sie, wenn es nun beliebt, mit der Arbeit beginnen können… Wenn die Verfuger die ersten Meter fertighatten, musste ich hinterher, um die vertikalen Fugen zu füllen, zwischendurch Hals über Kopf wieder runter, neuen Mörtel anrühren. Nie konnte ich es ihnen recht machen.
Das bildschöne Mädchen, das ich kennengelernt hatte, hieß Scarlette und hatte einen französischen Nachnamen. Scarlette war auch fünfzehn, hatte lange, gewellte, blonde Haare und braune Augen, wieder der Catherine-Deneuve-Typ. Ihre Figur war nahezu perfekt, zierliche kleine Füße Größe 37, schlanke Waden und schöne Oberschenkel, einen schöngeformten Po mit zwei kleinen Champagnerkuhlen darüber und am Ende der Gesäßspalte kleine weiße Flaumhärchen. Wir waren beide noch Jungfrau, und an diesem Tag verloren wir unsere Unschuld. Lange hielt die Beziehung nicht, denn ich verwechselte Sex mit Liebe und Glück mit Geld. Ich hatte keine Erfahrung und wusste nichts von Intimität oder Hingabe, die Jagd machte mir mehr Spaß als der Besitz der Beute. Meistens waren es schöne Frauen, die hard to catch spielten, von denen ich mich herausgefordert fühlte, und so habe ich ganz ungewollt doch viele Herzen gebrochen. Aber auch ich verließ das Schlachtfeld nicht immer unversehrt. In schnellem Tempo folgte einer Freundin die nächste, bis ich eines Abends Esmeralda kennenlernte. Der Junge, mit dem ich unterwegs war, kannte sie und stellte uns einander vor. „Gerrit, das ist Esmeralda. Esmeralda, das ist Gerrit.“, so sagte Jacky. Esmeralda war dreiundzwanzig und ich fünfzehn. Wir unterhielten uns, und wie der Zufall so wollte, hatte sie um Mitternacht Geburtstag. Wir redeten, und ich ließ die Uhr nicht aus den Augen. Um Punkt 12 nahm ich zärtlich, aber resolut ihr Gesicht in meine Hände, schaute ihr in die Augen, sagte: „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“, küsste sie und schob ihr suchend meine Zunge tief in den Mund. Ganz kurz war sie verwirrt, aber dann küsste sie mich leidenschaftlich. An diesem Abend ging ich mit zu ihr, und zwei Tage später zog ich bei ihr ein. Eine Zeitlang habe ich noch gearbeitet, als ich schon bei ihr wohnte, und legt stolz meine 200 Gulden Lohn, für die ich so hart gearbeitet hatte, auf den Tisch. Esmeralda war es nicht wert, wie sich später herausstellen sollte, denn während ich arbeitete, lag sie zu Hause mit anderen Kerlen in unserem Bett und ließ sich durchficken. Auf der Baustelle bekam ich Krach mit ein paar Verfugern, die mich beschimpften, weil ich ihrer Ansicht nach nicht genug arbeitete. Nachdem ich sie als Alkoholiker und Schweinsköpfe beschimpfte hatte, packte ich meine Sachen und ging nach Hause.
Eines Abends stand Janus, mein Halbbruder, vor der Tür. Er hatte den Tipp bekommen, dass beim Postamt in Hoensbroek ein paar hunderttausend Gulden lägen. Der Tippgeber, ein Wohnwagenbewohner aus Heerlen, hatte es mit eigenen Augen gesehen. Janus fragte, ob ich mitmachen wollte; ich sollte nur den Wagen fahren. Die ganze Nacht hat er auf mich eingeredet, bis ich letztendlich sagte: „O.k., ich mach‘ mit.“ Am Morgen schickte ich meinen Schwager, der mich mit dem Baustellenbus abholen wollte, weg, denn mit ein paar hunderttausend Gulden in Aussicht brauchte ich nicht mehr arbeiten, so dachte ich. An einen Wagen, der eigentlich auf den Schrott sollte, montierten wir andere Nummernschilder und machten uns auf den Weg zum Postamt. Janus war schon dreimal vorbeigefahren, und ich fragte: „Worauf wartest du?“ Er wurde zusehends nervöser, und dann, nach kurzem Zögern: „Sollen wir es nicht lieber lassen und nach Hause fahren?“ Und nun traf ich eine Entscheidung, die mein restliches Leben im negativen Sinn beeinflussen sollte. Mit einer gewissen Verachtung schaute ich Janus an und sagte: „Du hast die ganze Nacht auf mich eingeredet, weil du das hier machen willst. Ich treffe die Entscheidung, mitzumachen, schicke den Bus weg, und jetzt machst du einen Rückzieher! Gib mir die Waffe, ich geh rein.“ Janus gab mir die Pistole. „Setz mich vor der Tür ab und warte dort mit laufendem Motor auf mich“, wies ich ihn an. Ohne Angst und ohne Herzklopfen ging ich in das Postamt. Außer mir und der Frau hinter dem Schalter war niemand da. „Guten Morgen“, begrüßte ich sie herzlich. „Guten Morgen“, antwortete sie freundlich. „Könnten Sie 25 Gulden wechseln?“, fragte ich. „Natürlich, kein Problem“, sagte sie und öffnete eine Aluminiumlade, in der ich das Geld von oben sehen konnte. Ich zog meine Waffe und hielt sie ihr vors Gesicht. „Her mit dem Geld. Alles!“ Weil ich es mit einem lachenden Gesicht sagte, dachte die Angestellte, ich machte Witze. Ich begriff, dass ich deutlicher werden musste. „Her mit der Kohle, du Schlampe.“ Jetzt klang ich grob und schnauzte sie an. Es tat mir leid, so gegen die arme Frau vorzugehen, denn sie war sehr nett, aber schließlich war ich gekommen, um ihr das Geld abzunehmen, und das ging nicht auf die sanfte Tour. Ich hätte auch sagen können: „Würden Sie mir bitte das Geld geben.“ Aber so funktioniert das natürlich nicht. Die Angestellte leerte die Lade, und ich steckte das Geld in meine Taschen. Weil ich so unerfahren war, legte ich meine Pistole auf den Tresen, damit ich die Hände frei hatte, um das Geld wegzustecken. Als ich alles verstaut hatte, rannte ich raus und sprang in den Wagen. Mit quietschenden Reifen fuhr Janus weg, nur haarscharf an einem parkenden Lieferwagen vorbei, was uns beide fast den Kopf kostete. Ich beschimpfte ihn als Idioten, und er solle gefälligst langsam fahren. „Relax, Mann, keiner verfolgt uns. Willst du dich für ein paar Kröten umbringen?“ Beim Camp angekommen, fuhr Janus den Wagen sofort bei einem Bekannten in die Schrottpresse. Anschließend fuhren wir zu dem Tippgeber, den ich nun zum ersten Mal sah. Ein kleiner, gedrungener Bartaffe, ungefähr 40 Jahre alt, der, obwohl er nichts getan hatte, sofort nach dem Geld fragte. Ich leerte den Inhalt meiner Taschen in ein Waschbecken, und es war eine riesige Enttäuschung. Alles kleine Scheine, Fünfer, Zehner und Fünfundzwanziger, es sah nach viel aus, aber als wir es gezählt hatten, war es nicht mehr als 6000 Gulden, und das geteilt durch drei… pfff. Von beiden bekam ich auch noch jede Menge Kommentare: „Du hättest dir den Tresor öffnen lassen müssen, du hättest dies und du hättest das…“ – „Du hättest wie verabredet selber reingehen sollen.“ – „Und jetzt seid still!“ Ich rief mir ein Taxi und fuhr nach Hause, nicht ahnend, dass dies vorläufig mein letztes freies Wochenende sein würde. Drei Tage später wurde ich verhaftet. Weil ich ohne Maskierung in das Postamt gegangen war, hatte mich die Angestellte sofort wiedererkannt, aber trotz des eindeutigen Beweises legte ich aus Dickköpfigkeit kein Geständnis ab. Niemals gestehen war mein Motto; gestehen kam einer Bitte um Bestrafung gleich. Weil Esmeralda ausgesagt hatte, dass ich am Wochenende mit Janus unterwegs gewesen war, wurde auch er verhaftet. Beweise gab es nicht, keiner hatte ihn gesehen, und ich hatte kein Wort gesagt. Wenn er sein Maul gehalten hätte, wäre er nach vier Tagen wieder draußen gewesen. Die Kripo hatte uns beide zum Verhör aufs Revier gebracht. Zusammen saßen wir gemütlich mit einem Kaffee vor dem Schreibtisch des Beamten, als Janus das Wort ergriff. Und ich traute kaum meinen Ohren. „Gerrit, du musst ein Geständnis ablegen, die wissen eh, dass du es warst. Aber die denken, dass ich auch dabei war. Du musst sagen, wer wirklich bei dir war!“ Verständnislos schaute ich ihn an. Der Beamte schaute gespannt von Janus zu mir. „Du weißt doch“, redete er weiter und rieb sich das Kinn, „der mit dem Bart.“ Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht, es wäre mir auch nie in den Sinn gekommen! Er erwartete also, dass ich ein Geständnis ablegte, den Bärtigen beschuldigte, wodurch seine Unschuld bestätigt war und er ungeschoren davon kam! Typisch Janus – mieses Schwein. Dem Beamten sagte ich: „O.k., fangen Sie an zu schreiben. Ich habe den Überfall begangen, aber er da“ und zeigte dabei auf Janus, „hat den Fluchtwagen gefahren!“ Hätte Janus seinen Mund gehalten, wäre die ganze Sache für ihn straffrei ausgegangen.
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