Als der Schneider von seinem Baume sahe, daß die beiden Riesen einander tot geschlagen hatten, ward ihm besser zu Mute, als ihm jemals gewesen, stieg fröhlich vom Baume, hieb mit seinem Schwerte jeglichem Riesen eine Wunde oder etliche, und ging aus dem Walde hervor zu den Reitern. Die fragten ihn, ob er die Riesen entdeckt oder ob er sie nirgends gesehen habe? »Ja«, sagte der Schneider, »entdeckt und gesehen und alle zwei tot geschlagen – habe ich, und sie liegen lassen unter einem Baume.« Das war den Reitern verwunderlich zu hören, konnten und wollten's nicht glauben, daß der eine Mann so unverletzt von den Riesen sollte gekommen sein, und sie noch dazu tot geschlagen haben, ritten nun selbst in den Wald, dies Wunder zu beschauen und fanden es also, wie der Schneiderheld gesagt hatte. Darob verwunderten sich die Reiter gar sehr, und empfanden einen grauslichen Schrecken, ward ihnen auch noch übler zu Mute, denn vorher, da sie fürchteten, der Sieger werde sie alle umbringen, wenn er ihnen Feind würde; ritten heim und sagten dem König an, was geschehen.
Da nun der Schneider zum Könige kam, seine Tat selbst anzeigte, und die Königstochter samt dem halben Königreich begehrte, gereute den König sein Versprechen, das er dem unbekannten Kriegsmann gegeben, gar übel, denn die Riesen waren nun erwürgt, und konnten keinen Schaden mehr tun; dachte darüber nach, wie er des Helden mit Fug abkommen möchte, und war nicht im mindesten gesonnen, ihm die Tochter zu geben. Sprach daher zum Schneider, wie er in einem andern Walde leider noch ein Einhorn habe, das ihm sehr großen Schaden tue an Fischen und Leuten; dasselbe solle er doch auch noch fangen, und so er dieses vollbringe, wolle der König ihm die Tochter geben. Der gute Schneider war auch das zufrieden, nahm einen Strick, ging hin zu jenem Walde, allwo das wilde Einhorn hauste, und befahl seinen Zugeordneten, draußen vor dem Walde zu warten, er wolle allein hineingehen und allein die Tat bestehen, wie er die gegen die zwei Riesen auch allein und ohne andere Hülfe bestanden. Als der Schneider eine Weile im Walde umher spaziert war, ersieht er das Einhorn, das gegen ihn daher rennt mit vorgestrecktem Horn und will ihn umbringen. Er aber war nicht unbehende, wartete, bis das Einhorn gar nahe an ihn herankam, und als es nahe bei ihm war, schlüpfte er rasch hinter den Baum, neben dem er zu allernächst stand, und da lief das Einhorn, das im vollen Rennen war und sich nicht mehr wenden konnte, mit aller Hast gegen den Baum, daß es ihn mit seinem spitzen Horn fast durch und durch stieß, und das Horn unverwandt darin stecken blieb. Da trat der Schneider, als er das Einhorn am Baume fest zappeln sah, hervor, schlang ihm den mitgenommenen Strick um den Hals, band es an den Baum vollends fest, ging heraus zu seinen Jagdgesellen, und zeigte ihnen seinen Sieg über das wilde Einhorn an. Darauf ging das Schneiderlein zum König, tät demütiglich Meldung von der glücklichen Erfüllung des königlichen Wunsches, und erinnerte bescheidentlich an das königliche zweimalige Versprechen. Darob ward der König über die Maßen traurig, wußte nicht was zu tun sei, da der Schneider der Tochter begehrte, die er doch nicht haben sollte. Und begehrte noch eins an den Kriegsmann. Dieser solle nämlich auch das grausame Wildschwein, das in einem dritten Walde liefe und alles verwüste, einfahen, und so er auch dieses vollbringe, dann wolle der König ihm die Tochter ohne allen Verzug geben, wolle ihm auch seine ganze Jägerei zur Hülfe beiordnen.
Der Schneider zog, nicht sonderlich erbaut von des Königs abermaligem Begehren, mit seinen Gesellen zum Walde hinaus, und befahl ihnen, als der Forst erreicht war, draußen zu bleiben. Des waren die Jäger gar herzlich froh und zufrieden, denn das Wildschwein hatte sie schon öfter dermaßen empfangen, daß ihrer viele das Wiederkommen auf immer vergessen hatten, und sie alle nicht mehr begehrten, ihm nachzustellen, dankten daher dem Schneider sehr aufrichtig, daß er sich allein in die Fahrnis wage und sie in Numero Sicher dahinten lasse. Der Schneider war noch nicht lange in den Wald getreten, so wurde das Wildschwein seiner ansichtig, und stürzte auf ihn zu mit schäumendem Rachen und wetzenden Hauern und wollte ihn gleich zu Boden rennen, so daß sein Herz erzitterte und er sich schnell nach Rettung umsah. Da stand zum Glück eine alte verfallene Kapelle in dem Walde, darin man vor Zeiten Ablaß geholt, und da der Schneider nahe dabei stand, und die Kapelle ersah, sprang er mit einem Satz hinein, aber auch der Türe gegenüber mit einem Luftsprung durch ein Fenster, darin keine Scheiben mehr waren, wieder heraus, und alsbald folgte ihm die Wildsau, die nun in der Kapelle rumorte, der Schneider aber lief flugs um das Häuslein herum, wischte vor an die Türe, warf sie eilends zu, und versperrte so das grausame Gewild in das Kirchlein, ging dann hin zu den Jagdgesellen, zeigte ihnen seine Tat an, die kamen hin, befanden die Sache also wahr und richtig, und ritten heim mit großer Verwunderung, dem König Bericht erstattend. Ob nun die Nachricht vom abermaligen glückhaften Sieg des heldenhaften Kriegsmannes den König mehr froh oder mehr traurig gemacht, das mag ein jeglicher, selbst mit geringem Verstand, leichtlich ermessen, denn der König mußte nun dem Schneider die Tochter geben, oder fürchten, daß dieser seine Heldenkraft, davon er drei so erstaunliche Proben gegeben, gegen ihn selber wenden dürfte. Doch ist wohl zweifelsohne, hätte der König vollends gewußt, daß der Held ein Schneider wäre, so hätte er ihm lieber einen Strick zum Aufhenken, denn seine Tochter geschenkt. Ob nun aber der König einem Manne ohne Herkunft und ohne Geburt, außer der von seiner Mutter, seine Tochter mit kleiner oder mit großer Bekümmernis, gern oder ungern gebe, danach fragte Schneiderlein gar wenig oder gar nicht, genug er war stolz und froh, des Königs Tochtermann geworden zu sein. Also wurde die Hochzeit nicht mit allzu großer Freudigkeit von königlicher Seite begangen, und aus einem Schneider war ein Königseidam geworden, ja ein König.
Als eine kleine Zeit vergangen war, hörte die junge Königin, wie ihr Herr und Gemahl im Schlafe redete, und vernahm deutlich die Worte: »Knecht, mache mir das Wams – flicke mir die Hosen – spute dich – oder ich – schlage dir das Ellenmaß über die Ohren!« Das kam der jungen Königsgemahlin sehr verwunderlich vor, merkte schier, daß ihr Gemahl ein Schneider sei, zeigte das ihrem Herrn und Vater an, und bat ihn, er möge ihr doch von diesem Manne helfen. Solche Rede durchschnitt des Königs Herz, daß er habe seine einzige Tochter einem Schneider antrauen müssen, tröstete sie auf das beste, und sagte, sie solle nur in der künftigen Nacht die Schlafkammer öffnen, so sollten vor der Türe etliche Diener stehen, und wenn sie wieder solche Worte vernähmen, sollten diese Diener hinein gehen und den Mann geradezu umbringen. Das ließ sich die junge Frau gefallen und verhieß also zu tun. Nun hatte der König aber einen Waffenträger am Hofe, der war dem Schneider hold, und hatte des Königs untreue Rede gehört, verfügte sich daher eilend zu dem jungen König und eröffnete ihm das schwere Urteil, das über ihn so eben jetzt ergangen und gefällt war, und bat ihn, er möge seines Leibes sich nach besten Kräften wehren. Dem sagte der Schneider-König ob seines Warnens großen Dank, und er wisse wohl, was in dieser Sache zu tun sei. Wie nun die Nacht gekommen war, begab sich zu gewohnter Zeit der junge König mit seiner Gemahlin zur Ruhe und tat bald, als ob er schliefe. Da stand die Frau heimlich auf und öffnete die Tür, worauf sie sich wieder ganz still niederlegte. Nach einer Weile begann der junge König wie im Schlafe zu reden, aber mit heller Stimme, daß die draußen vor der Kammer es wohl hören konnten: »Knecht, mache mir die Hosen – bletze mir – das Wams, oder ich will dir das Ellenmaß über die Ohren schlagen. Ich – hab sieben auf einen Streich – tot geschlagen – zwei Riesen hab ich – tot geschlagen – das Einhorn hab ich gefangen – die Wildsau hab ich auch gefangen – sollt ich die fürchten – die draußen vor der Kammer stehen?«
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