Sobald Wildtödter wieder auf seinem Posten im Hinterteil des Canoes sich befand, verließ er die Küste mit derselben Vorsicht lind in derselben geräuschlosen Weise, wie er sich ihr genähert hatte. Diesmal entfernte er sich nicht weit vom Lande, da die Büsche einen hinlänglichen Versteck boten, wenn man so nahe wie möglich an die Küste sich hielt. Man konnte sich in der Tat nicht leicht eine günstigere Gelegenheit erdenken, eine Rekognoscirung um ein indianisches Lager herum anzustellen, als welche die wirkliche Lage der Dinge darbot. Die Formation des Landvorsprungs gestattete, den Platz auf drei seiner Seiten zu umkreisen, und die Bewegung des Bootes war so geräuschlos, dass jede Besorgniß wegen eines dadurch zu verursachenden Lärmens beseitigt war. Der geübteste und vorsichtigste Fuß konnte in der Dunkelheit einen Haufen Blätter aufstöbern, oder einen dürren Zweig knicken, aber ein Rindenkanoe konnte man über die Fläche eines glatten Wassers dahingleiten machen, beinahe mit der instinktmäßigen Behendigkeit und gewiss mit der geräuschlosen Bewegung eines Wasservogels.
Wildtödter war beinahe in eine Linie zwischen dem Lager und der Arche gekommen, ehe er des Feuers ansichtig wurde. Es wurde ihm plötzlich und etwas unvermuthet sichtbar und verursachte ihm zuerst die Besorgniß, er habe sich unvorsichtig in den Kreis von Licht, den es um sich verbreitete, gewagt. Aber da er bei einem zweiten Blick wahrnahm, dass er vor Entdeckung ganz gewiss sicher wäre, so lange die Indianer sich in der Nähe des Mittelpunkts der Beleuchtung hielten, brachte er das Canoe in der vortheilhaftesten Position, die er finden konnte, zur Ruhe und begann seine Beobachtungen,
Wir haben dies ungewöhnliche Wesen vielfach beschrieben, aber vergebens, wenn wir dem Leser jetzt erst zu sagen nöthig haben, dass er, unbewandert in der Gelehrsamkeit der Welt, und einfach wie er sich immer zeigte in allen Dingen, welche die Feinheiten des conventionellen Geschmacks betrafen, doch ein Mann von starkem natürlichem und poetischem Gefühl war. Er liebte die Wälder um ihrer Frische, ihrer erhabenen Einsamkeit, ihrer Riesenhaftigkeit und des Stempels willen, den sie überall an sich trugen von der göttlichen Hand ihres Schöpfers. Er durchwanderte sie selten, ohne stillstehend zu verweilen bei irgend einer eigenthümlichen Schönheit, die ihm Freude machte, obschon er selten den Gründen dieser Freude nachzuspüren suchte; und nie verging ein Tag, ohne dass er im Geist verkehrte – und das dazu ohne die Hülfe von Formen und Sprache – mit dem unendlichen Urquell von Allem, was er sah, fühlte und anschaute. Bei dieser geistigen und moralischen Organisation, und bei einer Kaltblütigkeit, welche keine Gefahr aus der Fassung bringen, kein kritischer Augenblick stören konnte, darf man sich nicht wundern, dass der Jäger jetzt einen Genuß empfand, die vor ihm liegende Scene zu beschauen, worüber er für den Augenblick den Zweck seines Besuchs vergaß. diese wird man noch erklärlicher finden, wenn wir die Scene beschreiben.
Das Canoe lag gerade vor einer natürlichen Aussicht nicht bloß durch die das Ufer einfassenden Büsche, sondern auch durch die Bäume, welche eine volle Ansicht des Lagers gestattete. Mittelst eben dieser Öffnung hatte man von der Arche aus zuerst das Licht gesehen. In Folge ihrer ganz neuerlichen Lagerveränderung hatten sich die Indianer noch nicht in ihre Hütten zurückgezogen, sondern sich bei ihren Vorbereitungen, Wohnung und Nahrung zugleich betreffend, verspätet. ein großes Feuer war aufgemacht worden, sowohl um den Dienst von Fackeln zu leisten, als auch zum Behuf ihres einfachen Kochens; und gerade in diesem Augenblick loderte es hell und lustig auf, da es neuerdings eine tüchtige Zulage von dürrem Reisig erhalten. Die Wirkung war, dass die Gewölbe des Waldes erleuchtet, und der ganze vom Lager eingenommene Platz so licht wurde, wie wenn Hunderte von Kerzen angezündet gewesen wären; die meiste Arbeit hatte aufgehört, und selbst das hungrigste Kind hatte seinen Appetit gestillt. Mit einem Wort, es war gerade der Augenblick der Abspannung und allgemeiner, träger Erschlaffung, wie er gern auf eine herzhafte Mahlzeit folgt, wenn die Mühen des Tages zu Ende sind. Die Jäger und die Fischer waren gleich glücklich gewesen; und da Lebensmittel, dies eine große Bedürfniß des Wildenlebens, im Ueberfluß vorhanden waren, schien jede andre Sorge untergegangen in der Empfindung der von diesem hochwichtigen Umstand abhängenden Zufriedenheit.
Wildtödter sah auf den ersten Blick, dass viele von den Kriegern abwesend waren. Sein Bekannter, Rivenoak, jedoch war anwesend, und saß im Vorgrund eines Gemäldes, das ein Salvator Rosa mit Lust gemalt haben würde, seine dunkeln Züge ebenso von Freude erhellt, wie von der fackelgleichen Flamme während er einem Andern von dem Stamm einen der Elephanten zeigte, die unter seinem Volke so großes Aufsehen gemacht hatten. ein Knabe schaute in dummer Neugier über seine Schulter herein, die Gruppe zu vervollständigen. Mehr im Hintergrund lagen acht bis zehn Krieger halb ausgestreckt auf dem Boden, oder saßen da, den Rücken an die Bäume gelehnt, ebenso viele Bilder träger Ruhe. Alle hatten ihre Waffen ganz in der Nähe; zum Teil lehnten sie an denselben Bäumen wie ihre Besitzer, oder lagen sie in nachlässiger Bereitschaft über ihren Leibern. Die Gruppe aber, welche Wildtödters Aufmerksamkeit am meisten anzog, war die aus den Weibern und Kindern bestehende. Alle Weiber schienen sich zusammen gemacht zu haben, und als eine Art Notwendigkeit waren ihre Kinder um sie her. Jene lachten und plauderten in ihrer gedämpften, ruhigen Weise, obwohl Einer, der die Sitten des Volks kannte, wohl gemerkt haben würde, dass nicht Alles im gewöhnlichen Geleise ging. Die meisten der jungen Frauen schienen wohlgemuth genug zu sein; aber eine alte Hexe saß beiseite, mit einer lauernden, grämlichen Miene, die, wie der Jäger sogleich erkannte, verrieth, dass irgend eine Pflicht von unangenehmer Art ihr von den Häuptlingen war angewiesen worden. Worin diese Pflicht bestand, konnte er nicht errathen; aber er war überzeugt, dass sie sich einigermaßen auf ihr eigenes Geschlecht beziehen müsse, da die Alten unter den Weibern in der Regel nur zu solchen und keinen andern Diensten gewählt wurden.
Natürlich sah sich Wildtödter mit lebhaftem Eifer nach der Person Hist’s um. Sie war nirgends sichtbar, obgleich das Licht ansehnliche Entfernungen in allen Richtungen um das Feuer her durchdrang. ein paar Mal fuhr er auf, da er ihr Lachen zu erkennen glaubte; aber sein Ohr war getäuscht worden durch die sanfte Melodie, welche man bei der Stimme der Indianerinnen so häufig findet. Endlich sprach das alte Weib laut und zornig, und dann wurde er ein paar dunkler Gestalten im Hintergrund der Bäume ansichtig, die sich, den Vorwürfen folgsam, wie es schien, umwandten, und mehr in den Kreis der Helle traten. Die Gestalt eines jungen Kriegers wurde zuerst deutlicher sichtbar; dann folgten zwei jugendliche Frauengestalten, von welchen Eine wirklich das Delawarische Mädchen war. Jetzt begriff Wildtödter Alles. Hist war bewacht, vielleicht von ihrer jungen Begleiterin, gewiss aber von dem alten Weibe. Der Jüngling war vermutlich ihr oder ihrer Begleiterin Anbeter; aber selbst seiner Klugheit mißtraute man in Betracht seiner bewundernden Neigung. Die wohlbekannte Nähe Solcher, die man als ihre Freunde ansehen durfte, und die Ankunft eines unbekannten roten Mannes am See hatte die gewöhnliche Sorgfalt noch geschärft, und das Mädchen hatte den sie Bewachenden nicht entschlüpfen können, um ihre Zusage zu erfüllen. Wildtödter errieth ihr Mißbehagen daraus, dass sie ein paar Mal durch die Zweige der Bäume empor zu blicken versuchte, um des Sterns ansichtig zu werden, den sie selbst als Zeichen für die Zeit der Zusammenkunft genannt. Alles jedoch war umsonst, und nachdem die beiden Mädchen noch eine Weile in erheuchelter Gleichgültigkeit um das Lager herumgeschlendert, verließen sie ihren Begleiter, und setzten sich unter ihr Geschlecht. Sobald dies geschehen, vertauschte die alte Schildwache ihren Platz mit einem ihr angenehmeren, ein deutlicher Beweis, dass sie bisher ausschließlich der Wache gepflogen.
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