Die Weiber waren Alle beisammen, ungefähr so wie Wildtödter sie zuletzt gesehen hatte, beinahe in einer Linie zwischen dem Platz, wo er jetzt stand und dem Feuer. Die Entfernung von der Eiche, an die sich die jungen Männer lehnten, bis zu den Kriegern, betrug etwa dreißig Schritte; die Weiber mochten um die Hälfte näher sein; ja sie waren wirklich so nahe, dass die äußerste Behutsamkeit, was Bewegungen und Geräusch betraf, unerläßlich war. Obwohl sie in ihrem leisen, sanften Tone sich unterredeten, war es doch bei der tiefen Stille der Wälder möglich, sogar ganze Stücke des Gesprächs zu belauschen, und das leichtmüthige Lachen, das den Mädchen entfuhr, konnte gelegentlich selbst das Canoe erreichen. Wildtödter spürte das Zittern, das den Körper seines Freundes durchzuckte, als dieser zuerst die süßen Töne vernahm, welche den derben, hübschen Lippen Hist’s entströmten. Er legte sogar die Hand auf die Schulter des Indianers, als eine Art Ermahnung zur Selbstbeherrschung. Als die Unterredung lebhafter wurde, beugten sich Beide vor, um zu horchen.
»Die Huronen haben merkwürdigere Thiere als diese,« sagte eines der Mädchen verächtlich, denn wie bei den Männern, drehte sich auch bei ihnen das Gespräch um den Elephanten und seine Eigenschaften. »Die Delawaren mögen diese Kreatur wunderbar finden, aber keine Huronenzunge wird morgen mehr davon sprechen. Unsre jungen Männer werden sie zu finden wissen, wenn die Thiere in die Nähe unserer Wigwam’s zu kommen wagen.«
Dies war eigentlich an Wah-ta!-Wah gerichtet, obgleich die Sprecherin ihre Worte mit einer angenommenen Schüchternheit und Bescheidenheit aussprach, die sie die Andern nicht anblicken ließ.
»Die Delawaren sind so weit entfernt, solche Creaturen in ihr Land zu lassen,« versetzte Hist, »dass noch keine Seele auch nur ihre Bilder davon gesehen hat! Ihre jungen Männer würden die Bilder wie die Bestien selbst fortscheuchen!«
»Die Delawarischen jungen Männer! – Die Nation besteht aus Weibern – selbst das Wild wandelt ruhig dahin, wenn es ihre Jäger kommen hört! Wer hat je den Namen eines jungen Kriegers der Delawaren vernommen!«
Dies wurde in gutmütigem Tone und mit Lachen gesprochen, aber zugleich doch etwas beißend. Daß Hist es so nahm, zeigte sich in der Lebhaftigkeit ihrer Antwort.
»Wer hat je den Namen eines jungen Delawaren vernommen?« wiederholte sie ernst. »Tamenund selbst, obwohl jetzt so alt wie die Tannen auf dem Berge, oder als die Adler in der Luft, war einst jung; sein Name ward vernommen von dem großen Salzsee bis zu den süßen Wassern des Westens. Was ist die Familie der Uncas?« – Wo ist eine andere so große, obgleich die Bleichgesichter ihre Gräber aufgewühlt und ihre Gebeine mit Füßen getreten haben? Fliegen die Adler so hoch, ist das Wild so schnell, oder der Panther so muthig? Ist kein junger Krieger dieses Stammes da? Laßt die Huronen-Mädchen ihre Augen weiter auftun, so mögen sie Einen sehen, Chingachgook genannt, der so stattlich ist wie eine junge Esche, und so zäh wie die Hagenbuche.«
Wie das Mädchen dies in ihrer bilderreichen Sprache sagte, und ihre Genossinnen die Augen weiter auftun hieß, damit sie den Delawaren sähen, stieß Wildtödter mit den Fingern seinen Freund in die Seite, und überließ sich seinem herzlichen, wohlwollenden, leisen Lachen. Der Andere lächelte; aber die Sprache der Redenden war zu schmeichelhaft und die Töne ihrer Stimme zu süß für ihn, als dass er sich durch ein zufälliges, wenn auch komisches Zusammentreffen von Umständen in seiner Aufmerksamkeit stören ließ. Die Rede Hist’s zog eine Erwiederung nach sich, und der Streit, obwohl gutmüthig geführt, und weit entfernt von der plumpen Heftigkeit in Ton und Geberden, wie sie oft den Reizen des schönen Geschlechts im zivilisierten Leben, wie man es nennt, Eintrag tut, wurde warm und etwas laut. Mitten unter dieser Scene hieß der Delaware seinen Freund sich ducken, so dass er ganz versteckt war, und ließ dann einen Ton hören, so ganz ähnlich dem Pfeifen der kleinsten Gattung des amerikanischen Eichhorns, dass Wildtödter selbst, obgleich er den Ton hundertmal hatte nachahmen gehört, wirklich glaubte, er rühre von einem der kleinen, über seinem Haupt herumkletternden Thierchen her. Der Ton ist in den Wäldern so gewöhnlich, dass keine von den Huroninnen im Geringsten darauf achtete. Hist aber hörte augenblicklich auf zu sprechen, und saß regungslos da. Doch behielt sie Selbstbeherrschung genug, den Kopf nicht umzuwenden. Sie hatte das Signal vernommen, mit dem ihr Geliebter so oft sie aus dem Wigwam zur heimlichen Besprechung rief, und es kam über ihre Sinne und ihr Herz, wie die Serenade im Land des Gesanges das Mädchen ergreift.
Von diesem Augenblick an war Chingachgook überzeugt, dass sie seine Gegenwart wisse. Dies war wichtig, und er konnte jetzt hoffen, dass seine Geliebte ein weit kühneres Verfahren einschlagen werde, als sie, über seinen Aufenthaltsort ungewiß, gewählt haben würde. Es blieb kein Zweifel daran übrig, dass sie sich bestreben würde, seine Bemühungen für ihre Befreiung zu unterstützen. Wildtödter stand auf, sobald das Signal gegeben war, und obgleich er noch nie den süßen Verkehr gepflogen hatte, der nur Liebenden bekannt ist, entdeckte er doch sehr bald die große Veränderung, die mit dem Wesen und Benehmen des Mädchens vorgegangen war. Sie gab sich noch Mühe zu streiten, aber nicht mehr mit Geist und Unbefangenheit, sondern was sie sagte, war mehr nur als ein Köder hingeworfen, ihre Gegnerinnen zu leichtem Siege heranzulocken, als mit irgend einer Hoffnung, selbst Siegerin zu werden. Zwar ein paar Mal gab ihr ihre natürliche Besonnenheit eine rasche Erwiederung oder einen Beweisgrund ein, welche Lachen erregten und ihr für den Augenblick einigen Vorteil gaben; aber diese kleinen Einfälle, Früchte des Mutterwitzes, dienten nur, um besser ihre wahren Gefühle zu verhehlen; und dem Triumph der andern Partei einen natürlicheren Anstrich zu geben, als er ohne sie vielleicht gehabt hätte. Endlich wurden die Streitenden müde, und sie erhoben sich Alle gesammt, als wollten sie sich trennen. Jetzt zum ersten Mal wagte Hist das Gesicht nach der Richtung zu kehren, woher das Signal gekommen. Ihre Bewegung hiebei war natürlich, aber behutsam, und sie streckte den Arm aus und gähnte, wie von Schläfrigkeit übermannt. Wieder ließ sich das schrillende Pfeifen hören, und das Mädchen war jetzt gewiss, wo ihr Geliebter stehe, obgleich das starke Licht, in dem sie selbst stand, und die verhältnismäßige Dunkelheit, welche die Abenteurer umgab, sie hinderte ihre Köpfe zu sehen, den einzigen Teil ihres Körpers, der über den Hügelrücken hervorragte. Der Baum, an den sie sich lehnten, war von einem dunkeln Schatten überzogen, der von einer ungeheuren, zwischen ihm und dem Feuer stehenden Fichte herrührte, und dieser Umstand allein schon würde alle Gegenstände, die in diesen Bereich fielen, in jeder Entfernung dem Auge entzogen haben. Das wusste Wildtödter wohl, und es war einer der Gründe, warum er gerade diesen Baum gewählt hatte.
Der Augenblick, wo Hist notwendig handeln musste, war nahe. Sie sollte in einer kleinen Hütte, oder Laube, schlafen, ganz in der Nähe des Orts, wo sie stand, aufgeschlagen, und ihre Genossin war die schon erwähnte alte Hexe. War sie einmal in dieser Hütte, und lag das schlaflose alte Weib, wie sie allnächtlich pflegte, quer über den Eingang hingestreckt, so war beinahe alle Hoffnung zum Entkommen zerstört, und sie konnte jeden Augenblick zu Bette gerufen werden. Zum Glück rief in diesem Augenblick einer der Krieger das alte Weib mit Namen, und hieß sie ihm Wasser zum Trinken bringen. Es war eine köstliche Quelle auf der Nordseite der Landspitze, und die Alte nahm einen ledernen Becher von einem Zweig, rief Hist an ihre Seite, und ging dem Gipfel des Hügelrückens zu, in der Absicht, über die Landspitze hin zu dem natürlichen Brunnen hinabzusteigen. Alles dies sahen und verstanden die Abenteurer; sie traten in das Dunkel zurück und versteckten sich hinter Bäumen, bis die beiden Weiber an ihnen vorbei waren. Im Gehen hielt die Alte Hist fest an der Hand. Als sie an dem Baum vorüber kam, welcher Chingachgook und seinen Freund verbarg, griff Jener nach seinem Tomahawk, in der Absicht, ihn in dem Hirnschädel des Weibes zu begraben. Der Andere aber erkannte das Gefährliche einer solchen Maßregel, da ein Schrei alle Krieger ihnen auf den Hals ziehen konnte, und er war auch aus Gründen der Menschlichkeit einer solchen Tat abgeneigt. Daher hinderte seine Hand den Streich. Als aber die Beiden vorüber geschritten, ward das Pfeifen wiederholt, und die Huronin blieb stehen und gaffte den Baum an, von welchem die Töne zu kommen schienen, und in diesem Augenblick stand sie nur sechs Fuß von ihren Feinden entfernt. Sie bezeugte ihr Erstaunen, dass ein Eichhorn so spät noch munter sein sollte, und sagte, es bedeute Unheil. Hist antwortete, sie habe dasselbe Eichhorn dreimal binnen der letzten zwanzig Minuten gehört, und sie glaube, es spanne darauf, einige Brocken, die bei der Mahlzeit übrig geblieben, zu erlangen. diese Erklärung schien befriedigend, und sie schritten der Quelle zu, auf dem Fuß und heimlich von den Männern gefolgt. Der Becher war gefüllt, und die Alte eilte zurück, die Hand immer an dem Handgelenk des Mädchens, als sie plötzlich so heftig an der Kehle gepackt wurde, dass sie ihre Gefangene loslassen musste, und keinen andern Ton von sich geben konnte, als eine Art halbersticktes Gurgeln und Röcheln. Schlange umfaßte mit dem Arm den Leib seiner Geliebten, und stürzte sich mit ihr durch die Büsche auf der Nordseite der Landspitze. Hier bog er sofort ein, dem Strand entlang, und rannte nach dem Canoe. Er hätte eine geradere Richtung eingeschlagen, aber dies hätte leicht zur Entdeckung des Landungsplatzes führen können.
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