Von Sonnschein du dem Thale bringst –
Von Blumen süße Kunden;
Mir aber du ein Mährchen singst
Von geisterhaften Stunden.
Wordsworth.
Die am Schluß des vorigen Kapitels gemeldete Entdeckung war in Wildtödters und seines Freundes Augen von großer Bedeutung. Fürs Erste war die Gefahr, ja beinahe die Gewißheit vorhanden, dass Hutter und Hurry einen neuen Versuch gegen dies Lager unternehmen würden, falls sie aufwachten und dessen Position erkannten. Dann war es bedenklicher zu landen, um Hist aufzunehmen, und dann musste auch überhaupt Unsicherheit und mußten weitere schlimme Wechselfälle die Folge des Umstandes sein, dass ihre Feinde angefangen, ihre Stellung zu ändern. Da der Delaware wusste, dass die Stunde nahe war, wo er an dem verabredeten Punkte sich einstellen sollte, dachte er nicht weiter an Trophäen, die er seinen Feinden abziehen wollte, und eine der ersten Verabredungen zwischen ihm und seinem Genossen war die, die beiden Andern fortschlafen zu lassen, damit sie nicht die Ausführung ihres Plans durch einen neuen, von ihnen ausgesonnenen, durchkreuzten und vereitelten. Die Arche rückte langsam vor, und hatte in diesem Verhältniß der Schnelligkeit eine volle Viertelstunde gebraucht, den Landvorsprung zu erreichen, wodurch sie Zeit zu weiterem Bedenken gewannen. Die Indianer, in der Absicht, ihr Feuer dem Auge der im Castell (nach ihrem Wahne) Befindlichen zu entziehen, hatten es so nahe der südlichen Küste des Vorsprungs angezündet, dass es äußerst schwer hielt, hinter den Büschen die Aussicht zu versperren, obgleich Wildtödter die Richtung der Fähre nach Rechts und Links veränderte, in der Hoffnung dies bewirken zu können.
»Einen Vorteil hat es, Judith, dass wir das Feuer so nahe beim Wasser finden,« sagte er, während er diese kleinen Manöuvers ausführte: »es zeigt uns, dass die Mingo’s uns in der Hütte glauben, und dass unser Herankommen von dieser Seite ein Ereigniß ist, das sie nicht erwarten. Aber es ist ein Glück, dass Harry March und Euer Vater schlafen, sonst würden sie wieder auf Skalpe Jagd machen wollen. Ha! so – jetzt fangen die Büsche an, das Feuer dem Auge zu entziehen – und jetzt sieht man es gar nicht mehr!«
Wildtödter wartete eine Weile, um sich zu versichern, dass er die gewünschte Stellung eingenommen, worauf er das verabredete Signal gab, und Chingachgook den Anker auswarf und das Segel herunterließ.
Die Lage, in welcher sich die Arche jetzt befand, hatte ihre Vortheile und ihre Nachtheile. Das Feuer war dem Auge dadurch entzogen worden, dass man der Küste entlang hinsteuerte, und dadurch war man dieser vielleicht näher, als wünschenswerth, gekommen. Aber man wusste, dass weiter einwärts im See das Wasser sehr tief war, und unter den Umständen, worin die Gesellschaft sich befand, war es, wenn immer möglich, zu vermeiden, in tiefem Wasser den Anker zu werfen. Man glaubte auch, es könne auf Meilen weit kein Floß um den Weg sein; und obgleich die Bäume in der Dunkelheit beinahe auf die Fähre hereinzuhängen schienen, war es doch Wohl nicht leicht, sich ihr zu nähern und an Bord zu kommen, ohne sich eines Bootes zu bedienen. Auch die dichte Finsterniß, welche mit dem Wald verschwistert herrschte, diente als ein wirksamer Schirm und Schild, und so lang man sich recht hütete, kein Geräusch zu machen, war wenig oder keine Gefahr, entdeckt zu werden. Auf dies Alles machte Wildtödter Judith aufmerksam, und unterwies sie, was sie zu tun hätte, falls Lärm entstände; denn man erachtete es für undienlich im höchsten Grade, die Schläfer zu wecken, außer im allerdringendsten Nothfall.
»Und jetzt, Judith, da wir einander verstehen, ist es Zeit, dass Schlange und ich uns in das Canoe begeben,« schloss der Jäger. »Der Stern ist zwar noch nicht aufgegangen, aber er muss jetzt bald kommen, obwohl heute Nacht schwerlich Einer von uns wird viel von ihm zu sehen bekommen vor den Wolken. Jedoch Hist hat einen entschlossenen und klugen Geist, und sie gehört zu Denen, die nicht gerade immer nöthig haben, Etwas vor Augen zu haben, um es zu sehen. Ich stehe Euch dafür, sie fehlt nicht um zwei Minuten und nicht zwei Fuß breit, wenn nicht die eifersüchtigen Vagabunden Dort, die Mingo’s, aufmerksam geworden sind, und sie hingesetzt haben als eine Locktaube, um uns zu fangen, oder sie fortgeschleppt und versteckt, um sich gefaßt zu machen auf einen Huronen, statt eines Mohikan, zum Gatten.«
»Wildtödter,« unterbrach ihn das Mädchen ernst; »das ist ein sehr gefährlicher Dienst; warum befasst Ihr Euch überhaupt damit?«
»Ha! Nun, Ihr wisst ja, Mädchen, wir wollen Hist, der Schlange Verlobte abholen, das Mädchen, das er zu heiraten gedenkt, sobald wir zu dem Stamm zurückkommen.«
»Das ist Alles recht für den Indianer – aber Ihr gedenkt nicht Hist zu heiraten – Ihr seid nicht verlobt, und warum sollen Zwei ihr Leben und ihre Freiheit aufs Spiel setzen, um zu tun, was Einer ebenso gut vollbringen kann?«
»Ha! – jetzt verstehe ich Euch, Judith – ja, jetzt fang’ ich an Eure Idee zu fassen. Ihr denkt, da Hist Chingachgooks Verlobte sei, wie sie es nennen, und nicht die meinige, so sei es ganz und gar seine Sache; und da ein Mann ein Canoe rudern könne, so sollte man ihn allein nach dem Mädchen ausziehen lassen. Aber Ihr vergeßt, das ist unser Vorhaben hier, am See, und es nähme sich schlimm aus, ein Vorhaben zu vergessen, gerade wenn das Mißlichste kommt. Dann, wenn die Liebe bei manchen Leuten, besonders bei jungen Weibern, so Viel gilt und erklärt, so gilt bei manchen Andern auch die Freundschaft Etwas, Ich glaube wohl, der Delaware kann allein ein Canoe rudern und allein Hist abholen, und vielleicht wäre er es ebenso zufrieden, als wenn ich ihn begleite; aber er könnte allein nicht ebenso List mit List begegnen, oder einen Hinterhalt aufstöbern, oder mit den Wilden kämpfen, und zugleich sein Liebchen davon führen, als wenn er einen Freund bei sich hat, auf den er sich verlassen kann, wenn auch dieser Freund kein Besserer ist als ich. Nein – nein – Judith, Ihr würdet nimmermehr in einem solchen Augenblick Jemand verlassen, der auf Euch gezählt hätte, und Ihr könnt es billigermaßen auch von mir nicht erwarten.« »Ich fürchte – ich glaube, Ihr habt Recht, Wildtödter, und doch wünsche ich, Ihr gienget nicht! Versprecht mir wenigstens Eines, und das ist: Euch nicht unter die Wilden zu wagen und nicht mehr zu tun, als das Mädchen zu retten! Das wird für Einmal genug sein, und damit solltet Ihr Euch zufrieden geben.«
»Gott tröste Euch, Mädchen; man sollte glauben, es sei Hetty, die so spreche, und nicht die raschbesonnene, wunderbare Judith Hutter! Aber Furcht macht die Weisen einfältig, und die Starken schwach. Ja, davon hab’ ich oft und viel Beweise gesehen! Nun, es ist gütig und sanftherzig von Euch, Judith, solche Theilnahme zu fühlen für ein Mitgeschöpf, und ich werde es immer sagen, dass Ihr wohlwollend und von treuem Gefühl seid, mögen die, die Euer schönes Aussehen beneiden, so viel müssige Mährchen von Euch erzählen, als sie Lust haben.«
»Wildtödter!« unterbrach ihn das Mädchen hastig, aber beinahe erstickt von ihrer heftigen Gemüthsbewegung; »glaubt Ihr Alles, was Ihr von einem armen, mutterlosen Mädchen hört? Soll die schändliche Zunge Harry Hurry’s mein Leben vergiften?«
»Nicht so, Judith, nicht so. Ich habe Hurry gesagt, es sei nicht mannhaft, diejenigen hinterrücks zu beißen, die er nicht durch offene Mittel gewinnen könne; und dass selbst ein Indianer immer rücksichtlich ist in Bezug auf den guten Namen eines jungen Weibes.«
»Wenn ich einen Brüder hätte, sollte er sich nicht erfrechen es zu tun!« rief Judith mit feuersprühenden Augen. »Aber da er mich ohne einen Beschützer findet, außer einem alten Mann, dessen Ohren ebenso stumpf zu werden anfangen als seine Gefühle, steht ihm allerdings frei zu tun, was ihm beliebt.«
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