Gleich auf dem Vorsprung war ein kleiner offner Platz, teils mit Graswuchs bedeckt, teils Uferplatz, aber ein dichter Saum von Gebüschen umzog seine obere Seite. Wenn man an diesem schmalen Streif zwerghafter Vegetation vorüber war, gelangte man sogleich in die hohen, düstern Gewölbe des Waldes. Das Land war einige hundert Fuß weit ziemlich eben und dann stieg es steil bergan. Die Bäume waren hoch, groß und so frei von Unterholz, dass sie gewaltigen unregelmäßig zerstreuten Säulen glichen, die eine Kuppel von Laub trugen. Obwohl sie ziemlich dicht an einander standen für ihr Alter und ihre Größe, konnte doch das Auge in ansehnliche Entfernungen vordringen, und selbst Schaaren von Männern hätten unter ihrem Schutz mit Einsicht und Einverständniß ein Gefecht liefern können.
Wildtödter wusste, dass sein Gegner mit dem Laden beschäftigt sein musste, wenn er nicht geflohen war. Jenes war, wie sich zeigte, wirklich der Fall, denn kaum hatte sich der junge Mann hinter einen Baum gestellt, als er des Arms eines Indianers ansichtig ward, dessen Körper hinter einer Eiche sich versteckte, wie er eben die lederumwickelte Kugel in den Lauf stieß. Nichts wäre leichter gewesen, als vorspringen und die Sache entscheiden durch einen Angriff aus der Nähe auf seinen unvorbereiteten Feind; aber jedes Gefühl Wildtödters empörte sich gegen einen solchen Schritt, obgleich eben erst sein Leben durch einen ähnlichen Angriff aus gedecktem Hinterhalt bedroht gewesen war. Er war noch nicht geübt in den mitleidslosen Maßregeln der Kriegführung der Wilden, wovon er wenig wusste außer durch Ueberlieferung und Theorie, und es erschien ihm als ein unwürdiger Vorteil, einen unbewaffneten Feind anzugreifen. Seine Farbe war dunkler geworden, sein Auge sprühte grimmig, sein Mund war zusammengezogen und alle seine Kräfte gesammelt und gespannt; aber statt vorwärts zu gehen und zu feuern, ließ er seine Büchse sinken in der Art, wie ein Waidmann tut, der im Begriff ist, seinen Zielpunkt in’s Auge zu fassen, und murmelte vor sich hin, selbst nicht wissend, dass er sprach:
»Nein, nein – das mag Kriegführung der Rothäute sein, aber es ist gegen die Gaben eines Christen. Mag der Elende laden, und dann wollen wir es abmachen wie Männer; denn das Canoe darf er und soll er nicht haben. Nein, nein! Zeit soll er haben zum Laden, und Gott wird sich des Rechts annehmen!«
Während dieser ganzen Zeit war der Indianer so mit sich und seinen Bewegungen beschäftigt, dass er nicht einmal wusste, dass sein Feind im Walde sich befand. Seine einzige Befürchtung war die, das Canoe möchte in Besitz genommen und weggeführt werden, ehe er gefaßt wäre, dies zu verhindern. Er hatte instinctmäßig den Schutz des Baumes gesucht, befand sich aber nur wenige Schritte von dem Saum von Buschwerk entfernt, und konnte in einem Augenblick am Rande des Waldes sein, bereit zu feuern. Der Abstand zwischen ihm und seinem Feind betrug etwa fünfzig Schritte und die Bäume waren von der Natur so geordnet, dass der Blick durch kein Hinderniß unterbrochen wurde, außer durch eben die Bäume, hinter welchen die beiden Feinde sich bargen.
Sobald der Wilde seine Büchse geladen, sah er sich um, und schritt vor, unvorsichtig, in Betracht der wirklichen Stellung seines Feindes, aber verstohlen und behutsam in Bezug auf diejenige, worin er denselben fälschlich vermuthete, bis er ganz frei und unbeschützt dastand. Jetzt trat Wildtödter hinter seinem Versteck hervor und rief ihn an.
»Hierher, Rothaut; hierher, wenn Ihr mich sucht,« rief er ihm zu. »Ich bin jung im Krieg, aber nicht so jung, dass ich auf einen freien, offenen Uferplatz träte, um mich wie eine Eule niederschießen zu lassen am hellen Tage. Es hängt von Euch ab, ob Friede oder Krieg zwischen uns ist; denn meine Gaben sind weiße Gaben, und ich gehöre nicht zu denen, die es für eine Heldenthat halten, menschliche Sterbliche einzeln in den Wäldern zu erschlagen,«
Der Wilde war nicht wenig betroffen bei dieser plötzlichen Entdeckung der Gefahr, worin er schwebte. Er verstand jedoch ein Wenig Englisch, und merkte, wohin ungefähr des Andern Rede zielte. Auch war er zu wohl geübt und geschult, um Schrecken zu verrathen, sondern er ließ den Kolben seiner Büchse auf den Boden sinken und machte, mit einem Wesen, das Zuversicht ausdrückte, eine Geberde stolzer Höflichkeit. Alles das geschah mit der Selbstbeherrschung und Sicherheit eines Mannes, der keinen Menschen als über sich stehend anzuerkennen gewohnt ist. Aber während er seine Rolle mit so vollendeter Kunst spielte, machte doch der in ihm tobende Vulkan seine Augen sprühen und seine Nüstern sich dehnen, wie bei einem wilden Tier, das plötzlich gehindert wird, den todbringenden Sprung auszuführen.
»Zwei Canoe,« sagte er, in den tiefen Gutturaltönen seiner Race, die gleiche Zahl Finger emporhaltend, um Mißverständnisse zu verhüten; »eins für Euch, eins für mich.«
»Nein, nein, Mingo, so geht es nicht. Euch gehört keins; und Ihr sollt auch keines haben, so lang ich es verhindern kann. Ich weiß, es ist Krieg zwischen Eurem Volk und dem meinigen, aber das ist kein Grund, warum menschliche Sterbliche einander umbringen sollten, wie wilde Creaturen, die sich in den Wäldern begegnen; geht denn Eures Wegs und lasst mich den meinigen gehen. Die Welt ist groß genug für uns Beide; und wenn wir uns in ehrlicher Schlacht begegnen, nun dann wird der Herr über unser Beider Schicksal verfügen!«
»Gut!« rief der Indianer; »mein Bruder ein Missionär – großer Redner; Alles von Manitou.« »Nicht so, nicht so, Krieger. Ich bin nicht gut genug für die Mährischen Brüder, und zu gut für die meisten andern Vagabunden, die in den Wäldern herumpredigen. Nein, nein, ich bin nur ein Jäger, bis jetzt, obgleich es wohl möglich, ehe wieder Friede ist, dass ich Gelegenheit haben werde, einen Schlag gegen diesen und jenen von Euren Leuten zu führen. Doch wünsche ich, dass das in ehrlichem Gefecht geschehe, und nicht bei einem Hader um den Besitz eines elenden Canoe.«
»Gut! – Mein Bruder sehr jung – aber sehr weise. Kleiner Krieger – großer Redner. Häuptling, manchmal im Rathe.«
»Ich weiß das nicht, sage das auch nicht, Indianer,« versetzte Wildtödter, etwas erröthend bei dem schlechtverhehlten Sarkasmus in dem Benehmen des Andern, »ich sehe einem Leben in den Wäldern entgegen, und ich hoffe nur, es werde ein friedliches sein. Alle jungen Männer müssen den Kriegspfad betreten, wenn sich dazu Gelegenheit bietet, aber Krieg ist nicht notwendig Metzelei. Von dieser habe ich in der letzten Nacht genug gesehen, um zu wissen, dass die Vorsehung sie mit Mißfallen ansieht; und ich fordre Euch jetzt auf, Eurer Wege zu gehen, wie ich der meinigen gehen will, und hoffe, dass wir als Freunde scheiden.«
»Gut! Mein Bruder hat zwei Skalpe – graues Haar unter dem andern. Alte Weisheit – junge Zunge.«
Hier trat der Wilde zuversichtlich näher, die Hand ausstreckend, sein Angesicht lächelnd, und seine ganze Haltung zeigte Freundschaft und Achtung. Wildtödter nahm die dargebotene Freundschaft in geeigneter Art an, und sie schüttelten sich herzlich die Hände, Jeder bestrebt, den Andern von seiner Aufrichtigkeit und Friedensliebe zu überzeugen.
»Jeder das Seinige haben!« sagte der Indianer; »mein Canoe mein; Euer Canoe Euer; geht zu sehen; wenn’s Euer, behaltet’s; wenn’s mein, ich behalten.«
»Das ist billig, Rothaut; aber Ihr müßt im Irrtum sein, wenn Ihr das Canoe für Euer Eigentum haltet. Jedoch, sehen ist glauben, und wir wollen an den Strand hinunter gehen, wo Ihr mit eignen Augen schauen könnt; denn wahrscheinlich werdet Ihr Euch nicht entschließen, den meinigen nicht ganz zu vertrauen.«
Der Indianer ließ seinen Lieblingsausruf: »Gut!« vernehmen, und dann schritten sie neben einander der Küste zu. In dem Benehmen Beider war kein Misstrauen sichtbar; der Indianer ging voran, als wollte er seinem Begleiter zeigen, dass er sich nicht fürchte, ihn in seinem Rücken zu haben. Als sie den freien Platz erreichten, deutete Jener auf Wildtödters Boot und sagte mit Nachdruck:
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