»Laßt los, ihr bemaltes Wurmgezüchte – lasst los!« schrie Hurry, zu hart gedrängt, um noch besonders wählerisch in seinen Ausdrücken zu sein; »ist es nicht genug, dass ich geklemmt bin wie ein Sägeklotz, dass Ihr mich auch noch erstickt?«
diese Rede überzeugte Wildtödter, dass seine Freunde Gefangene waren, und dass landen so viel wäre, als ihr Schicksal theilen. Er hatte sich dem Ufer schon auf hundert Schuhe genähert, als einige zeitgemäße Ruderschläge nicht nur das Canoe in seinem Lauf aufhielten, sondern ihn auch um das Sechs-oder Achtfache von seinen Feinden entfernten. Zum Glück für ihn hatten alle Indianer bei der Verfolgung ihre Büchsen weggeworfen, sonst hätte er diesen Rückzug schwerlich ungefährdet bewerkstelligt; obgleich in der ersten Verwirrung des Handgemenges Keiner das Canoe bemerkt hatte.
»Bleibt weg vom Land, Junge!« schrie Hutter; »die Mädchen haben jetzt nur noch Euch zur Stütze: Ihr werdet all Eure Vorsicht brauchen können, diesen Wilden zu entgehen. Bleibt vom Lande weg, und Gott sei Euch gnädig, so wahr Ihr meinen Kindern beisteht!«
Es war im Ganzen wenig Uebereinstimmung der Gefühle zwischen Hutter und dem jungen Mann; aber die körperliche und Seelen-Pein, womit diese dringenden Worte gerufen wurden, machten für den Augenblick Wildtödter ganz die Fehler von jenem vergessen. Er sah nur den Vater in seiner Qual in ihm, und beschloß sofort, die Versicherung der Treue gegen seine Interessen zu geben, und sein Wort ehrlich zu halten.
»Beruhigt Euer Herz, Meister Hutter!« rief er; »für die Mädchen soll Sorge getragen werden, so wie für das Castell. Der Feind hat die Küste in Besitz genommen. Das kann man nicht leugnen, aber nicht das Wasser. Die Vorsehung hat Alles in ihrer Obhut, und Niemand kann sagen, was das Ende sein wird, aber wenn guter Wille Euch und den Eurigen dienen kann, so verlaßt Euch darauf. Meine Erfahrung ist klein, aber mein Wille ist gut.«
»Ja, ja, Wildtödter,« rief Hurry zurück mit seiner Stentorstimme, die aber doch Etwas von ihrer Herzhaftigkeit verloren hatte.– »Ja, ja, Wildtödter, Ihr meint es gut in Allem, aber was könnt Ihr tun? Ihr seid nichts Besonderes in den besten Zeiten, und eine solche Person wird schwerlich ein Wunderthäter in den schlimmsten Zeiten! Für Einen Wilden an der Küste dieses See’s sind hier ihrer vierzig, und das ist eine Armee, die zu überwältigen Ihr nicht der Mann seid. Das Beste, nach meinem Urteil, wird sein, wenn Ihr Euch geraden Weges nach dem Castell aufmacht; nehmt die Mädchen mit einigen Nahrungsmitteln in das Canoe; dann fahret nach der Seite des See’s, wo wir her kamen, und schlagt den nächsten Weg nach dem Mohawk ein. diese Teufel werden in den nächsten paar Stunden nicht wissen, wo Euch aufsuchen, und wenn sie’s auch wüßten, und Euch hitzig nachsetzten, müßten sie entweder oben oder unten um den See herum, Euch einzuholen. Das ist meine Ansicht in der Sache; und wenn der alte Tom da seinen letzten Willen und Testament zu Gunsten seiner Töchter zu machen Lust hat, so wird er dasselbe sagen.«
»Es wird Nichts helfen, junger Mann,« begann Hutter. – »Der Feind hat in diesem Augenblick schon Späher ausgesandt, die nach Canoe’s suchen, und man wird Euch sehen und einholen. Vertraut auf das Castell; und vor Allem, bleibt vom Lande weg. Haltet Euch eine Woche, so werden schon Truppen aus den Garnisonen die Wilden vertreiben.«
»Es wird nicht vierundzwanzig Stunden anstehen, alter Gesell, bis diese Füchse auf Flößen aufs Wasser gehen, Euer Castell zu stürmen,« unterbrach ihn Hurry mit lebhafterer Streitlust, als man bei einem Manne hätte erwarten sollen, der gebunden und ein Gefangner war, und an dem man Nichts frei nennen konnte, als seine Meinung und seine Zunge. »Euer Rath klingt tüchtig, aber er wird ein übles Ende haben. Wäret Ihr oder wäre ich in dem Hause, so könnten wir wohl einige Tage uns halten; aber bedenkt, dass dieser Junge vor dieser Nacht noch nie einen Feind gesehen, und das hat, was Ihr selbst ein Ansiedler-Gewissen nennt; obwohl ich für meinen Teil glaube, dass die Gewissen in den Ansiedlungen so ziemlich dieselben sind, wie die hier in den Wäldern. diese Wilden machen mir Zeichen, Wildtödter, Euch aufzufordern, dass Ihr mit dem Canoe landet; aber das werde ich nimmermehr tun, da es gegen Vernunft und Natur ist. Was den alten Tom und mich betrifft, ob sie uns heute Nacht skalpiren, uns für die Tortur am Feuer aufbewahren, oder uns nach Kanada führen werden, das ist Mehr als irgend Jemand weiß, außer dem Teufel, der sie bei ihrem Thun leitet und berathet. Ich habe einen so großen und buschigten Kopf, dass es mir ganz wahrscheinlich ist, sie werden versuchen, zwei Skalpe daraus zu machen, denn der Preis ist eine verführerische Sache, sonst wären der alte Tom und ich nicht in dieser Klemme. Ja – da machen sie immer wieder ihre Zeichen, aber wenn ich Euch rathe, ans Land zu kommen, so mögen sie mich nicht nur rösten, sondern auch fressen. Nein, nein, Wildtödter, bleibt, wo Ihr seid, und nach Tagesanbruch nähert Euch in keinem Fall über zweihundert Schritte. –«
Dieser Ermahnung Hurry’s ward plötzlich ein Ende gemacht durch einen derben Schlag einer Hand auf seinen Mund – ein zuverlässiger Beweis, dass Einer in der Truppe genug Englisch verstand, um endlich die Absicht seiner Rede zu merken. Unmittelbar darauf verlor sich die ganze Gruppe in dem Wald, und allem Anschein nach sträubten sich Hutter und Hurry nicht gegen ihre Abführung. Eben jedoch, als das Geräusch der knisternden Büsche aufhörte, vernahm man noch einmal die Stimme des Vaters:
»Wie Ihr treu seid gegen meine Kinder, so helfe Euch Gott, junger Mann!« dies waren die Worte, welche Wildtödters Ohr erreichten; dann sah er sich ganz allein, und den Eingebungen seiner eignen Klugheit überlassen.
Einige Minuten verstrichen in Todesstille, nachdem die Bande an der Küste in den Wäldern verschwunden war. Vermöge der über zwei hundert Schritte betragenden Entfernung, und der Dunkelheit hatte Wildtödter nur die Gruppe unterscheiden und ihren Rückzug bemerken können; aber selbst diese dämmernde Berührung mit menschlichen Gestalten gab der Scene eine Belebtheit, welche einen starken Kontrast mit der jetzt wieder eintretenden Einsamkeit bildete. Obwohl sich der junge Mann horchend vorbeugte, den Athem anhielt, und alle seine Kräfte in den Einen Sinn des Hörens zu koncentriren sich bestrebte, erreichte doch kein weiterer Laut sein Ohr, der die Nähe menschlicher Wesen verrathen hätte. Es schien, als ob ein nie unterbrochnes Schweigen wieder über der Gegend waltete; und einen Augenblick wäre selbst der durchdringende Schrei, welcher vor Kurzem die Stille des Waldes unterbrochen hatte, oder einer der Flüche March’s, eine Erleichterung gewesen bei dem Gefühl von Verlassenheit, das sich dabei der Seele aufdrängte.
Eine solche körperliche und geistige Lähmung konnte jedoch nicht lange währen bei einem Manne von Wildtödters leiblicher und geistiger Organisation. Sein Ruder ins Wasser senkend, wandte er das Canoe um, und fuhr langsam, wie Einer, der im Gehen denkt, dem Mittelpunkt des See’s zu. Als er glaubte, einen Punkt erreicht zu haben in Einer Linie mit dem, wo er das letzte Canoe hatte hintreiben lassen, änderte er seine Richtung nördlich, und behielt den leichten Luftzug möglichst im Rücken. Nachdem er eine Viertelmeile in dieser Richtung gerudert, wurde ein dunkler Gegenstand auf dem See sichtbar, ein wenig rechts; und zu dem Behufe sich seitwärts haltend, hatte er bald seine verlorene Prise an seinem Boot befestigt. Jetzt untersuchte Wildtödter den Himmel, den Strich des Windes und die Stellung der beiden Canoe’s. Da er Nichts fand, was ihn zur Aenderung seines Plans hätte veranlassen können, legte er sich nieder, und schickte sich an, einige Stunden Schlafs zu genießen, damit ihn der morgende Tag tüchtig zur Erfüllung seiner Obliegenheiten finde.
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