»Hier ist ein Platz zum Atemschöpfen!« rief der befreite Waldmann, sobald er sich unter blauem Himmel befand, und schüttelte seinen gewaltigen Körper, wie ein Spürhund, der eben einer Schneewehe entronnen ist: »Hurrah! Wildtödter; hier ist wenigstens Tageslicht und Dort der See!«
diese Worte waren kaum gesprochen, als der zweite Waldmann bei dem Buschwerke des Sumpfes hervortauchte und auf dem freien Platze erschien. Nachdem er in der Eile seine Waffen und seine in Unordnung gekommene Kleidung wieder zurechtgemacht, kam er zu seinem Genossen heran, der schon Anstalten zu einem Aufenthalt machte.
»Kennt Ihr diese Stelle?« fragte der als ›Wildtödter‹ Angerufene; »oder habt ihr so gejauchzt bei dem Anblick der Sonne?«
»Beides, Junge, beides; ich kenne die Stelle und es tut mir nicht leid, einen so nützlichen Freund zu erblicken, als die Sonne ist. Jetzt haben wir doch wieder die Richtungen des Kompasses im Kopf, und es ist jetzt unser eigner Fehler, wenn wir sie uns wieder durch irgendetwas kunterbunt durcheinander werfen lassen, wie uns vorhin geschah. Mein Name ist nicht Hurry Harry, wenn dies nicht der Platz ist, wo die Land-Jäger im letzten Sommer lagerten und eine Woche zubrachten. Seht, Dort sind die abgestorbenen Büsche von ihrem Zelt, und hier ist die Quelle. So sehr ich die Sonne liebe, Junge, so brauche ich mir doch jetzt nicht von ihr sagen zu lassen, dass es Mittag ist; dieser mein Magen ist ein so guter Zeitmesser, als es nur immer in der Kolonie gibt, und er weist schon auf halb ein Uhr. So öffnet denn den Quersack, damit wir uns wieder aufziehen, um weitere sechs Stunden zu gehen.«
Auf diesen Vorschlag machten sich Beide daran, die nötigen Vorbereitungen zu ihrem gewöhnlichen frugalen, aber herzhaften Mahle zu machen. Wir wollen diese Unterbrechung des Gesprächs benützen, dem Leser einen Begriff von der äußern Erscheinung der Männer zu geben, welche beide bestimmt sind, eine nicht unbedeutende Rolle in unserer Erzählung zu spielen. Es wäre nicht leicht gewesen, ein edleres Bild kraftvoller Männlichkeit zu finden, als welches in der Person desjenigen sich darbot, der sich selbst Hurry Harry nannte. Sein wahrer Name war Henry March; aber die Grenzmänner haben von den Indianern die Sitte angenommen, sobriquets (Spitznamen) zu geben, und so wurde die Bezeichnung: »Hurry« weit öfter gebraucht, als sein eigentlicher Name und nicht selten wurde er Hurry Skurry genannt, ein Spitzname, den er wegen seines fahrigen, rücksichtslosen, kurzangebundenen Wesens bekommen hatte, und wegen einer physischen Rastlosigkeit, die ihn in so beständiger Bewegung erhielt, dass er auf der ganzen Linie der zwischen der Provinz und den Canada’s zerstreuten Wohnungen bekannt war. Die Statur Hurry Harry’s betrug über sechs Fuß einen Zoll, und da er ungemein wohl gebaut war, entsprach seine Stärke vollkommen den Begriffen, die sein riesenhafter Körper erweckte. Das Gesicht paßte gar nicht übel zu dem übrigen Manne, denn es war gutmüthig und hübsch. Sein Wesen war frei und offen, und obgleich sein Benehmen und seine Art notwendig von der Rohheit des Grenzlerlebens Etwas annehmen mußten, verhütete doch die einer so edeln Natur angeborne Großartigkeit, dass er nie ganz gemein werden konnte.
Wildtödter, wie Hurry seinen Begleiter nannte, war seinem Aeußern wie seinem Charakter nach, ein ganz andrer Mensch. Was den Wuchs betrifft, so maß er wohl gegen sechs Fuß in seinen Moccasins, aber sein Körper war vergleichungsweise leicht und schlank, zeigte jedoch Muskeln, die, wo nicht ungewöhnliche Stärke, doch ungewöhnliche Gewandtheit verrieten. Sein Antlitz hätte wenig Empfehlendes gehabt, außer der Jugendlichkeit, wäre nicht darin ein Ausdruck gewesen, der selten seines gewinnenden Eindrucks bei Allen verfehlte, die Gelegenheit hatten, es genauer zu prüfen, und dem Gefühle des Vertrauens, das es einflößte, sich zu überlassen. Dieser Ausdruck war einfach der: argloser Wahrhaftigkeit, gepaart mit einem Ernst des Willens und einer Lauterkeit des Gefühls, die man sonst nicht leicht sah. Zu Zeiten erschien dies Gepräge von aufrichtiger Redlichkeit in solcher Einfalt, dass es auf den Verdacht bringen konnte, es fehle ihm an der Fähigkeit, zwischen Trug und Wahrheit zu unterscheiden; aber Wenige kamen in nähere, innigere Berührung mit dem Manne, ohne dies Misstrauen gegen seine Einsichten und Beweggründe zu verlieren.
Beide Grenzmänner waren noch jung, denn Hurry Harry hatte erst das sechs- oder achtundzwanzigste Jahr erreicht, und Wildtödter zählte noch einige Jahre weniger. Ihr Anzug bedarf keiner genauen Beschreibung, nur so viel mag erwähnt werden, dass er zu einem nicht kleinen Teile aus zugerichteten Hirschhäuten bestand, und die gewöhnlichen Spuren an sich trug, welche verrieten, dass er Männern gehörte, die ihr Leben auf der Grenze zwischen der zivilisierten Gesellschaft und den endlosen Wäldern zubrachten. Dennoch bemerkte man einige Aufmerksamkeit und ein Bestreben, sich proper und malerisch zu zeigen in Wildtödters Anzug, und ganz besonders im Punkt seiner Waffen und seines Jagdzeuges. Seine Büchse war im vollkommensten Stand, der Handgriff seines Waidmessers war zierlich geschnitzt, sein Pulverhorn mit passenden Sinnbildern, leicht eingeschnitten in den Stoff, woraus es bestand, verziert, und seine Jagdtasche mit Wampum geschmückt. Dagegen trug Hurry Harry, sei es nun aus natürlicher Gleichgültigkeit, oder im geheimen Bewusstsein, wie wenig seine äußere Erscheinung einer künstlichen Nachhilfe bedurfte, Alles in fachmäßiger, liederlicher Weise an sich, als fühle er eine edle Verachtung gegen die ärmlichen Nebendinge, wie Kleidung und Schmuck. Vielleicht wurde der eigentümliche Eindruck, den sein hoher Wuchs und seine schöne Gestalt machten, durch diese unstudierte, hochmüthige Gleichgültigkeit in seiner äußeren Erscheinung, eher verstärkt als vermindert.
»Kommt, Wildtödter, haut ein, und beweist, dass Ihr einen Delawaren-Magen habt, wie Ihr nach Eurer Behauptung eine Delawaren-Erziehung gehabt!« rief Hurry, der mit gutem Beispiel voranging, und den Mund aufriß, um ein Stück kalten Wildprets aufzunehmen, das für einen europäischen Bauern eine ganze Mahlzeit gewesen wäre; »haut ein, Bursche, und zeigt Eure Mannhaftigkeit an diesem armen Teufel von Damthier mit Euern Zähnen, wie Ihr es schon getan mit Eurer Büchse.« »Nein, nein, Hurry, daran ist nicht viel Mannhaftigkeit, ein armes Tier zu tödten, und dazu noch außer der rechten Zeit, wohl aber mag es eine sein, eine Unze oder einen Panther zu fällen,« versetzte der Andere, sich anschickend, der Aufforderung zu folgen. »Die Delawaren haben mir meinen Namen gegeben nicht so wohl in Betracht eines kühnen Herzens, als vielmehr eines scharfen Auges und eines flinken Fußes. Es mag nichts Feiges daran sein, ein Tier zu fällen, aber gewiss ist es keine große Tapferkeit.«
»Die Delawaren selbst sind keine Helden,« murmelte Hurry zwischen den Zähnen, da er den Mund zu voll hatte, um ihn ganz auftun zu können, »sonst hätten sie sich nimmermehr von den lumpigen Vagabunden, den Mingo’s, zu Weibern machen lassen.«
»Die Sache ist nicht recht bekannt – ist nie recht erklärt worden,« versetzte Wildtödter ernst, denn er war ein eben so eifriger Freund, wie sein Begleiter als Feind gefährlich war; »die Mingo’s füllen die Wälder mit ihren Lügen, und mißdeuten Worte und Verträge. Ich lebe jetzt zehn Jahre unter den Delawaren, und kenne sie als so mannhaft wie jede andre Nation, wenn die rechte Zeit zum Schlagen kommt.«
»Hört, Meister Wildtödter, weil wir einmal bei dem Gegenstand sind, können wir wohl unser Herz gegen einander öffnen, wie es sich unter Männern ziemt; antwortet mir auf Eine Frage: Ihr habt so viel Glück gehabt mit dem Wild, dass Ihr davon einen Ehrentitel führt, wie es scheint, aber habt Ihr je eine menschliche oder vernünftige Kreatur getroffen? – habt Ihr je abgedrückt auf einen Feind, der im Stande war, auch auf Euch abzudrücken?«
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