»Was für eine Art Ding ist denn ein Urlaub, wenn er stärker ist als Hanf oder Eisen? Ich habe noch nie einen Urlaub gesehen.«
»Ich hoffe, Ihr bekommt nie einen zu fühlen, Mädchen; das Bindende bei diesen Sachen liegt ganz in den Gefühlen, und muss daher gefühlt, nicht gesehen werden. Ihr versteht doch wohl, glaube ich, was es heißt, ein Versprechen zu geben, gute kleine Hetty?«
»Gewiß. ein Versprechen heißt: Ihr wollet etwas tun, und das bindet Euch so gut als Euer Wort. Mutter hielt immer ihre Versprechen gegen mich und dann sagte sie, es wäre eine Sünde, wenn ich nicht meine Versprechen gegen sie und gegen Jedermann sonst hielte.«
»Ihr habt eine gute Mutter gehabt, in manchen Beziehungen, Kind, was sie auch in andern gewesen sein mag. Ja, das ist ein Versprechen, und wie Ihr sagt, muss es gehalten werden. Nun bin ich vorige Nacht in die Hände der Mingo’s gefallen, und sie ließen mich los, um meine Freunde zu sehen, und Botschaften zu schicken zu den Leuten meiner Farbe, falls von ihnen an meinem Schicksal Teil nehmen, unter der Bedingung, dass ich zurück sei, wenn die Sonne heute mitten am Himmel steht, und erdulde, was ihr Haß und Rachsucht von Qualen ersinnen kann, zur Sühne für das Leben des Kriegers, der von meiner Büchse fiel, wie auch für das des jungen Weibes, das Hurry erschossen hat, und für andere Widerwärtigkeiten, die ihnen auf dem See und um ihn herum zugestoßen sind. Was man ein Versprechen nennt zwischen Mutter und Tochter, oder auch zwischen Fremden in den Ansiedlungen, wird ein Urlaub genannt, wenn ein Soldat gegen einen andern auf dem Kriegspfad sich dadurch bindet. Und jetzt, denke ich, begreift Ihr meine Lage, Hetty!«
Das Mädchen gab einige Zeit keine Antwort, aber sie hörte ganz auf zu rudern, als ob die neue Idee ihren Geist zu sehr angriffe, um ihr noch eine andere Beschäftigung zu gestatten. Dann setzte sie das Zwiegespräch ernstlich und mit Bekümmerniß fort.
»Meint Ihr, die Huronen werden das Herz haben, zu tun was Ihr sagt, Wildtödter?« fragte sie. »Ich habe sie freundlich und unschädlich gefunden.«
»Das ist schon wahr, was ein Wesen wie Euch anbelangt, Hetty; aber eine ganz andere Sache ist es, wenn es einem offenen Feind gilt, der noch dazu der Besitzer einer ziemlich sichern Büchse ist. Ich sage nicht, dass sie einen besondern Haß gegen mich tragen wegen gewisser Thaten, die ich schon verrichtet, denn das wäre gleichsam am Rande des Grabes geprahlt, aber es ist keine Eitelkeit, wenn ich glaube, dass sie wissen, wie einer ihrer tapfersten und schlausten Häuptlinge durch meine Hand fiel. Da dies der Fall ist, würde sich der Stamm Vorwürfe machen, wenn er ermangelte, den Geist eines Bleichgesichts dem Geist ihres roten Bruders zur Gesellschaft nachzuschicken; vorausgesetzt natürlich, dass er ihn einholen kann. Ich erwarte keine Gnade und Barmherzigkeit von ihnen, Hetty; und mein vornehmster Kummer ist, dass ein solches Unglück mir auf meinem ersten Kriegspfade zustoßen musste; dass es früher oder später einmal komme, das erwartet jeder Soldat und ist darauf gefaßt.«
»Die Huronen sollen Euch kein Leid tun, Wildtödter!« rief das Mädchen in großer Aufregung. »Es ist sündhaft ebensowohl als grausam; ich habe hier die Bibel, ihnen das zu sagen. Meint Ihr ich würde dazu hinstehen und Euch martern sehen?« »Ich hoffe nicht, meine gute Hetty, ich hoffe nicht; und daher erwarte ich, Ihr werdet, wenn der Augenblick kommt. Euch entfernen; und nicht Zeugin sein eines Schauspiels, wo Ihr doch nicht helfen könnt, und das Euch betrüben würde. Aber ich habe nicht darum das Rudern eingestellt, um von meinen Bekümmernissen und Nöthen zu schwatzen, sondern um ein wenig offen mit Euch von Euren Angelegenheiten zu reden, Mädchen.«
»Was könnt Ihr mir zu sagen haben, Wildtödter! Seit Mutter starb, reden Wenige mit mir von solchen Dingen!«
»Um so schlimmer, armes Mädchen: ja, es ist umso schlimmer, denn mit Einer von Eurem Gemüthszustand sollte man häufig sprechen, damit sie den Schlingen und Tücken dieser sündhaften Welt entgehe. Ihr habt den Hurry Harry nicht so bald vergessen, Mädchen, denke ich mir!«
»Ich! – Ich Henry March vergessen!« rief Hetty auffahrend. »Wie sollte ich ihn vergessen, Wildtödter, da er unser Freund ist; und uns erst vorige Nacht verließ. Der große, glänzende Stern, welchen Mutter so gern betrachtete, war gerade über dem Wipfel der großen Fichte Dort, auf dem Berg, als Hurry in das Canoe stieg; und als Ihr ihn auf dem Vorsprung bei der östlichen Bucht ans Land setztet, stand er nicht um mehr als die Länge von Judith’s schönstem Band darüber.«
»Und wie könnt Ihr wissen, wie lang ich fort war, oder wie weit ich fuhr, um Hurry zu landen, da Ihr nicht bei uns waret, und die Entfernung so groß ist, der Nacht zu geschweigen?«
»Oh! ich wusste es doch ganz genau,« versetzte Hetty mit Bestimmtheit, »Es gibt mehr als Eine Weise, Zeit und Entfernung zu messen. Wenn das Gemüt recht bei einer Sache betheiligt ist, so ist es besser als jede Uhr. Meines ist schwach, aber es geht sicher genug in Allem, was den armen Hurry Harry betrifft. Judith wird nimmermehr den March heiraten, Wildtödter.«
»Das ist der Punkt, Hetty, das ist eben der Punkt auf den ich kommen möchte. Ihr wisst, denke ich, dass es bei jungen Leuten natürlich ist, dass sie wohlwollende Gefühle für einander haben, zumal wenn das Eine ein Jüngling, das Andere ein Mädchen ist. Nun muss Eine von Euren Jahren und Eurem Gemüt, Mädchen, die weder Vater noch Mutter hat, und in einer Wildnis lebt, wohin nur Jäger und Fallensteller kommen, auf ihrer Hut sein gegen Uebel, von denen sie kaum träumt!«
»Was kann Arges daran sein, gut zu denken von einem Mitgeschöpf,« versetzte Hetty einfach, obgleich das verrätherische Blut ihr in die Wangen stieg, trotz einer Reinheit des Geistes, bei der sie kaum wusste, woher dies Erröthen kam; »die Bibel gebietet uns, die zu lieben, die uns verächtlich behandeln, und warum nicht diejenigen, die das nicht tun?«
»Ach, Hetty! Die Liebe der Missionäre ist nicht die Art von Wohlgefallen, die ich meine. Antwortet mir auf Eines, Kind: glaubt Ihr Geist und Verstand genug zu haben, Weib und Mutter zu werden?«
»Das ist keine Frage, die einem Mädchen vorzulegen geziemt, Wildtödter, und ich werde sie nicht beantworten,« versetzte das Mädchen im Ton des Vorwurfs – etwa wie ein Vater oder eine Mutter ein Kind tadelt wegen einer Unbescheidenheit. »Wenn Ihr Etwas über Hurry zu sagen habt, so will ich das hören; aber Ihr müßt nicht schlimm von ihm sprechen; er ist abwesend, und es ist nicht schön, schlimm von Abwesenden zu sprechen.«
»Eure Mutter hat Euch so viel gute Lehren gegeben, Hetty, dass meine Besorgnisse Eurethalben nicht mehr so groß sind wie früher. Dennoch muss ein Mädchen ohne Eltern, in Eurem Gemüthszustand, und nicht ohne Schönheit, immer in Gefahr sein in einer so gesetzlosen Gegend wie diese. Ich möchte Nichts zum Nachtheil Hurry’s sagen, der in der Hauptsache kein übler Mann ist für Einen von seinem Beruf, aber Ihr solltet Eines wissen, was zu hören Euch vielleicht gar nicht angenehm ist, aber Euch doch gesagt werden muss. March hat eine desperate Neigung für Eure Schwester Judith.«
»Nun, und was weiter? Jedermann bewundert Judith, sie ist so schön, und Hurry hat mir oft und viel gesagt, wie sehr er wünsche sie zu heiraten. Aber das wird nie geschehen, denn Judith mag den Hurry nicht. Sie hat einen Andern gern, und spricht von dem im Schlafe; aber Ihr dürft mich nicht fragen, Wer es ist, denn alles Gold in König Georg’s Krone und alle Juwelen dazu, würden mich nicht versuchen, Euch seinen Namen zu sagen. Wenn Schwestern nicht Geheimnisse von einander bewahren können, Wer soll es dann?« »Gewiß; ich wünsche gar nicht, dass Ihr mir es sagt, Hetty, auch würde es einen Sterbenden Nichts nützen, es zu wissen. Was die Zunge spricht, wenn der Geist schläft, dafür ist weder Kopf noch Herz verantwortlich.«
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