»Gut. Das ist wahr, kein rother Mann wird es leugnen. Wenn ein Rad sich dreht, so können es meine Augen sehen – die Erde sehen sie nicht sich umdrehen.«
»Ja, das ist, was ich Sinnentrotz nenne! Sehen ist Glauben, sagen sie; und was sie nicht sehen können, dem wollen manche Menschen nicht den mindesten Glauben beimessen. Dennoch Häuptling, ist das nicht so ganz ausgemachte Vernunft, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Ihr glaubt an den Großen Geist, das weiß ich; und doch, denke ich, würde es Euch in Verlegenheit setzen, anzugeben, wo Ihr ihn seht!«
»Chingachgook kann ihn sehen überall – überall in guten Dingen, den Bösen Geist in schlechten. Hier im See, Dort im Wald, drüben in den Wolken; in Hist, in dem Sohne von Unkas, in Tamenund, in Wildtödter. Der Böse Geist ist in den Mingo’s, das weiß ich: die Erde sehe ich nicht sich umdrehen.«
»Es wundert mich nicht, dass man Euch die Schlange nennt, Delaware, nein, wahrhaftig nicht! Es ist immer eine Bedeutung in Euern Worten, und oft ist auch eine Bedeutung in Eurem Gesicht! Trotzdem passen Eure Antworten nicht ganz zu meiner Idee: dass Gott wahrzunehmen ist in allen natürlichen Gegenständen, kann man zugeben; aber er ist nicht darin wahrzunehmen in der Art, wie ich meine. Ihr wisst, dass ein Großer Geist ist, aus seinen Werken; und die Bleichgesichter wissen, dass die Erde sich umdreht, aus ihren Werken. Das ist der Grund der Sache, obwohl wie es zu erklären, Mehr ist, als ich Euch so genau sagen kann. Das weiß ich: alle von meinem Volk sind von der Sache überzeugt; und was alle Bleichgesichter glauben, wird doch wohl wahr sein.«
»Wenn die Sonne über dem Wipfel dieser Fichte steht, wo wird mein Bruder Wildtödter dann sein?«
Der Jäger fuhr auf und schaute seinen Freund scharf, obwohl ganz ohne Unruhe an. Dann winkte er ihm zu folgen, und ging ihm voran in die Arche, um Dort den Gegenstand weiter zu besprechen, ungehört von Solchen, deren Gefühle, wie er besorgte, die Oberhand über die Vernunft gewinnen möchten. Hier blieb er stehen, und setzte das Gespräch im vertraulicheren Tone fort.
»Es war etwas unklug von Euch, Schlange,« sagte er, »einen solchen Gegenstand vor Hist aufzubringen, und wo das Mädchen von meiner Farbe Alles hätte hören können, was gesprochen wurde. Ja, es war ein wenig unkluger, als das Meiste, was Ihr tut. Einerlei; Hist verstand es nicht, und die Andre hörte es nicht. Indessen, die Frage ist leichter gestellt als beantwortet. Kein Sterblicher kann sagen, wo er morgen sein wird, wenn die Sonne aufgeht. Ich will Euch dieselbe Frage vorlegen, Schlange, und wäre begierig zu hören, welche Antwort Ihr geben könnt?«
»Chingachgook wird bei seinem Freund Wildtödter sein; wenn dieser im Lande der Geister ist, wird die Große Schlange an seine Seite sich schmiegen: wenn unter jener Sonne Dort, wird ihre Wärme und ihr Licht auf Beide fallen.«
»Ich verstehe Euch, Delaware,« versetzte der Andere, gerührt von der einfachen Selbstaufopferung seines Freundes. »Eine solche Sprache ist so klar in einer Sprache wie in der andern; sie kommt vom Herzen und geht auch zum Herzen. Es ist gut, so zu denken und mag gut sein, so zu sprechen auch, aber es wäre nicht gut, so zu handeln, Schlange. Ihr steht nicht mehr allein im Leben; denn obgleich Ihr noch die Hütten zu wechseln, und andre Ceremonien durchzumachen habt, ehe Hist Euer rechtmäßiges Weib wird, seid Ihr doch schon so gut wie verheiratet, was Gefühle und Freude und Jammer betrifft. Nein, nein; Hist darf nicht verlassen werden, weil eine Wolke etwas unerwartet zwischen Euch und mir hinzieht, und etwas dunkler als wir vorausgesehen hatten.«
»Hist ist eine Tochter der Mohikans; sie weiß ihrem Gatten zu gehorchen. Wohin er geht, wird sie ihm folgen. Beide werden bei dem großen Jäger der Delawaren sein, wenn die Sonne morgen über den Fichten steht.«
»Der Herr segne und schütze Euch, Häuptling; das ist baarer Wahnsinn! Kann Eines von Euch, oder könnt Ihr beide zusammen eine Mingonatur ändern? Werden Eure stolzen Mienen, oder Hists Tränen und Schönheit einen Wolf in ein Eichhorn verwandeln, oder einen Panther so unschuldig machen wie ein Reh? Nein, Schlange, Ihr werdet Euch diese Sache besser bedenken, und mich in der Hand Gottes lassen. Am Ende ist doch noch keineswegs gewiss, dass die Schurken die Martern im Sinn haben, denn sie können auch noch barmherzig sein, und bedenken, wie sündhaft ein solches Beginnen wäre; obgleich es eine ziemlich hoffnungslose Aussicht ist, zu erwarten, dass ein Mingo sich abwende vom Uebel, und Barmherzigkeit die Oberhand gewinnen lasse in seinem Herzen. Demungeachtet, Niemand weiß gewiss, was sich begeben wird; und junge Creaturen wie Hist dürfen nicht auf Ungewißheiten hin auf’s Spiel gesetzt werden. Dies Heirathen ist eine ganz andere Sache, als manche junge Leute sich einbilden. Ja, wenn Ihr ledig wäret, oder so gut als ledig, Delaware, dann würde ich erwarten, dass Ihr flink und rüstig wäret, und um das Lager der Vagabunden herumstrichet, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, mit Listen und Schlichen, so rastlos wie ein Hund auf der Fährte, und Alles versuchtet, um mir zu helfen und den Feind von mir abzuziehen; aber Zwei sind oft schwächer als Einer, und wir müssen die Dinge nehmen wie sie sind, und nicht wie wir sie wünschen.«
»Hört, Wildtödter,« erwiderte der Indianer mit einem so entschiedenen Nachdruck, dass man wohl sah, wie Ernst es ihm war: »Wenn Chingachgook in den Händen der Huronen wäre, was würde mein Bleichgesichtbruder tun? Nach den Delawarendörfern schleichen und den Häuptlingen, und alten Männern, und jungen Kriegern sagen: ›Seht, hier ist Wah-ta!-Wah; sie ist gerettet, und wohlbehalten, aber ein wenig ermüdet; und hier ist der Sohn von Unkas, nicht so ermüdet wie die Gaißblattblüthe, weil er stärker ist, aber ebenso wohlbehalten.‹ Würdet Ihr das tun?«
»Nun, das ist ungemein sinnreich; es ist schlau genug selbst für einen Mingo. Der Herr allein weiß, was Euch auf den Gedanken gebracht, eine solche Frage zu tun. Was ich tun würde? Ha, für’s Erste würde wohl Hist schwerlich überhaupt in meiner Gesellschaft sein, denn sie würde Euch so nahe bleiben als möglich, und daher könnte Alles, was sie betraf, nicht gesprochen werden, ohne Unsinn zu sprechen. Das Ermüdetsein, das würde auch wegfallen, wenn sie gar nicht mitkäme, und kein Teil Eurer Rede würde wohl in meinen Mund passen; so seht Ihr, Schlange, die Vernunft ist gegen Euch, und Ihr könnt es immerhin aufgeben; denn gegen die Vernunft Etwas behaupten, geziemt sich in keiner Weise für einen Häuptling von Eurem Charakter und Ruf.«
»Mein Bruder ist nicht er selbst; er vergißt, dass er zu Einem redet, der an den Beratungsfeuern seiner Nation gesessen ist,« versetzte der Andere mild. »Wenn Männer sprechen, sollten sie Nichts sagen, was auf der einen Seite des Kopfes hinein und auf der andern herausgeht. Ihre Worte sollten nicht Federn sein, so leicht, dass ein Wind, der das Wasser nicht kräuselt, sie fortwehen kann. Er hat auf meine Frage nicht geantwortet; wenn ein Häuptling eine Frage stellt, sollte sein Freund nicht von andern Dingen plaudern.« »Ich versteh’ Euch, Delaware; ich verstehe wohl, was Ihr meint, und die Wahrheit erlaubte mir nicht, es anders zu sagen. Dennoch ist es nicht so leicht, Euch zu antworten, wie Ihr zu glauben scheint, aus diesem einfachen Grunde: Ihr verlangt, ich solle sagen was ich täte, wenn ich eine Verlobte hätte wie Ihr hier habt, auf dem See, und einen Freund drüben im Lager der Huronen, mit Martern bedroht. Das ist es, nicht so?«
Der Indianer nickte schweigend mit dem Kopf, immer mit unbeweglichem Ernst, obgleich sein Auge zwinkerte bei dem Anblick von des Andern Verlegenheit.
»Nun gut, ich hatte nie eine Verlobte, kannte nie die Art von Gefühlen gegen ein junges Weib, wie Ihr gegen Hist; obgleich der Herr weiß, dass meine Gefühle wohlwollend genug sind gegen Alle. Dennoch aber ist mein Herz, wie sie es nennen, in solchen Dingen nicht geübt, und daher kann ich nicht sagen, was ich täte. ein Freund zieht stark an Einem; das weiß ich aus Erfahrung, Schlange; aber nach Allem, was ich gesehen und gehört habe von der Liebe, bin ich geneigt zu glauben, dass eine Verlobte noch stärker zieht.«
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