»Es wäre grausam, das arme Wild zu tödten,« sagte sie, »in dieser Welt, oder in einer andern, wenn Ihr nicht des Fleisches oder der Häute bedürftet. Kein guter weißer, und kein guter rother Mann würde es tun. Aber es ist für einen Christen sündhaft, vom Jagen im Himmel zu reden. Solche Dinge geschehen nicht vor dem Angesicht Gottes, und der Missionär, welcher dergleichen lehrt, kann kein wahrer Missionär sein. Er muss ein Wolf sein in Schaafskleidern, Ich denke Ihr wisst, was ein Schaaf ist, Wildtödter?«
»Ja wohl, Mädchen; und eine nützliche Kreatur ist es für Solche, welche Tuchkleider Häuten vorziehen, zum Winteranzug. Ich verstehe die Natur des Schaafs, obwohl ich noch wenig damit zu tun gehabt habe; und die Natur der Wölfe auch, und kann mir wohl die Idee bilden von einem Wolf im Pelz eines Schaafs, obwohl ich denke, es würde eine heiße Jacke für eine solche Bestie werden in den warmen Monaten!«
»Und Sünde und Heuchelei sind auch heiße Jacken, wie diejenigen finden werden, die sie anziehen,« versetzte Hetty mit bestimmtem Tone; »so würde der Wolf nicht schlimmer daran sein als der Sünder. Geister jagen nicht, und stellen nicht Fallen, und fischen nicht, und tun Nichts, was nichtige Menschen beginnen, weil sie keine Gelüste dieser Welt zu befriedigen haben. Oh! Mutter sagte mir das Alles vor Jahren schon, und ich möchte es nicht gern bestreiten hören.«
»Nun, meine gute Hetty, in diesem Falle würdet Ihr gut tun, Eure Lehre nicht Hist mittheilen zu wollen, wenn Ihr allein seid, und die junge Delawarin gerne von Religion spricht. Es ist ihre feststehende Idee, das weiß ich, dass die guten Krieger in der andern Welt Nichts tun als jagen und fischen, obgleich sie, glaube ich, sich nicht einbildet, dass je Einer sich zum Fallenstellen erniedrigt, was keine Beschäftigung für einen Tapfern ist. Aber des Jagens und Fischens haben sie, nach ihrem Begriffe, Genüge und das dazu auf den angenehmsten Jagdrevieren, und unter Wild, bei dem es immer die rechte Jahreszeit ist, und das gerade flink und klug genug ist, um dem Tödter einen Reiz zu geben. So möchte ich Euch denn nicht anrathen, Hist auf diese Idee zu bringen.«
»Hist kann nicht so sündhaft sein, irgend dergleichen zu glauben,« erwiderte die Andere ernst, »Kein Indianer jagt mehr nach dem Tode.«
»Kein sündhafter Indianer, geb’ ich Euch zu; kein sündhafter Indianer, allerdings. Der muss die Munition herbeitragen, und zusehen, ohne an der Kurzweil Teil zu haben, und kochen, und Feuer anzünden, und Alles tun, was nicht Mannesarbeit ist. Merkts Euch aber jetzt: das sind nicht meine Ideen, sondern es sind Hist’s Ideen, und daher, um des Friedens willen, je weniger Ihr darüber und dagegen zu Ihr redet, desto besser.«
»Und was sind Eure Ideen von dem Schicksal eines Indianers in der anderen Welt?« fragte Judith, die jetzt eben ihre Stimme wieder gefunden hatte.
»Ha, Mädchen, Alles eher als das! Ich bin ein zu guter Christ, um solche phantastische Dinge wie Jagen und Fischen nach dem Tod zu erwarten; auch glaube ich nicht, dass ein Manitou für die Rothäute ist, und ein Andrer für die Bleichgesichter. Ihr findet verschiedene Farben auf der Erde, wie Jeder sehen kann; aber Ihr findet nicht verschiedene Naturen. Verschiedene Gaben, aber nur Eine Natur!«
»In was unterscheidet sich eine Gabe von einer Natur? Ist nicht die Natur selbst eine Gabe von Gott?«
»Gewiß; dass ist rasch gedacht und beifallswürdig, Judith, obwohl die Hauptidee falsch ist. Eine Natur ist die Kreatur selbst; ihre Wünsche, Bedürfnisse, Ideen und Gefühle, wie das Alles mit ihr geboren ist. diese Natur kann sich nie verändern in der Hauptsache, obgleich sie einige Zunahme oder Abnahme erleiden mag. Gaben aber kommen von den Umständen und Verhältnissen. So, wenn Ihr einen Mann in eine Stadt setzt, so bekommt er Stadt-Gaben; wenn in eine Ansiedlung, Ansiedlungsgaben; in einem Wald, Waldgaben. ein Soldat hat Soldaten-Gaben und ein Missionär Predigers-Gaben. diese alle wachsen und verstärken sich, bis sie so zu sagen die Natur befestigen, und tausend Handlungen und Ideen zur Entschuldigung dienen. Doch ist im Grunde die Kreatur dieselbe; gerade wie ein Mann, der in Uniform gekleidet ist, derselbe ist wie der in Häute Gekleidete. Die Kleider machen einen Unterschied für’s Auge, und vielleicht auch eine Veränderung im Benehmen, aber keine im Menschen selbst. Darin liegt die Rechtfertigung der Gaben; angesehen, dass Ihr ein verschiedenes Benehmen erwartet von Einem in Seide und Atlaß, und von einem in grober Leinwand; obgleich der Herr, der nicht die Kleider gemacht hat, aber die Kreaturen selbst geschaffen hat, nur auf sein eignes Werk sieht. Das ist nicht eigentlich die Lehre der Missionäre, aber sie kommt ihr doch so nahe, als dies bei einem Manne von weißer Farbe nöthig ist. Ach Himmel! wenig dachte ich daran, heute von solchen Sachen zu sprechen, aber es ist eine von unsern Schwachheiten, dass wir nie wissen, was geschehen wird. Tretet mit mir eine Minute in die Arche, Judith, Ich wünsche mit Euch zu sprechen.«
Judith gehorchte mit einer Bereitwilligkeit, die sie kaum verhehlen konnte. Sie folgte dem Jäger in die Cajüte, setzte sich auf einen Stuhl, während der junge Mann Killdeer, die Büchse, die sie ihm geschenkt, aus einer Ecke hervorholte, und sich, die Waffe auf seinen Knieen, auf einen andern setzte. Nachdem er das Gewehr um und um besehen, und Schloß und Schwanzschraube mit einer Art von zärtlicher Emsigkeit untersucht hatte, legte er es weg, und kam auf den Gegenstand zu sprechen, wegen dessen er die Besprechung begehrt hatte.
»Ich verstand Euch so, Judith, dass Ihr mir diese Büchse habt geben wollen. Ich willigte ein, sie zu nehmen, weil ein junges Weib mit Feuerwaffen nicht Viel anfangen kann. Die Waffe hat einen großen Namen, und sie verdient ihn, und sollte von Rechtswegen von einer bekannten und sichern Hand geführt werden, denn der beste Ruf kann verloren gehen durch nachlässige und achtlose Behandlung.«
»Kann sie in bessern Händen sein, als worin sie jetzt ist, Wildtödter? Thomas Hutter fehlte selten damit; bei Euch wird sie gewiss –«
»Gewisser Tod!« unterbrach sie der Jäger lachend. »Ich kannte einmal einen Bibermann, der ein Gewehr hatte, das er ebenso nannte, aber es war lauter Prahlerei, denn ich habe Delawaren gekannt, die ebenso sicher waren mit Pfeilen auf eine kleine Schußweite. Indessen, ich will meine Gaben nicht leugnen – und dies ist eine Gabe, Judith, und nicht Natur – und will daher zugeben, dass die Büchse nicht wohl in bessern Händen sein könnte, als worin sie sich jetzt befindet. Aber wie lang wird sie wahrscheinlich darin bleiben? Unter uns mag die Wahrheit gesagt werden, obgleich ich sie vor Schlange und Hist nicht gerne kund werden ließe: aber Euch kann ich die Wahrheit sagen, sintemal Euer Gefühl wohl nicht so dadurch gemartert werden wird, als das von denjenigen, welche mich länger und genauer kennen! Wie lang werde ich muthmaßlich diese Büchse, oder irgend eine andere behalten? Das ist eine ernste Frage, bei der unsre Gedanken zu verweilen haben; und sollte das eintreten, was sogar wahrscheinlich ist, so wäre Killdeer ohne einen Eigentümer.«
Judith hörte mit anscheinender Fassung zu, obwohl der innere Kampf sie beinahe überwältigte. Da sie jedoch den eigenthümlichen Charakter ihres Gesellschafters zu würdigen wusste, gelang es ihr, ruhig zu erscheinen, obwohl ein Mann von seiner scharfen Beobachtung wäre nicht seine Aufmerksamkeit ausschließlich von der Büchse in Anspruch genommen gewesen, fast unfehlbar die tödtlich-peinliche Stimmung hätte entdecken müssen, womit das Mädchen seinen Worten zuhörte. Aber ihre große Selbstbeherrschung machte es ihr doch noch möglich, den Gegenstand in der Weise zu verfolgen, dass sie ihn täuschte.
»Was wolltet Ihr, dass ich mit der Waffe anfinge,« fragte sie, »sollte der Fall eintreten, den Ihr zu erwarten scheint?«
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