Als dieser letzte Plan angenommen wurde, waren die Verhältnisse aller Parteien, was ihre gegenseitigen Stellungen betrifft, wesentlich verändert. Die Arche war voll eine halbe Meile weit gesegelt und geschwommen, und war ziemlich eben so weit genau nördlich vom Castell entfernt. Sobald der Delaware merkte, dass die Mädchen ihm auswichen, hatte er, außer Stand sein ungefüges Fahrzeug zu bewältigen, und wohl wissend, dass der Versuch, einem Rinden-Canoe durch die Flucht entgehen zu wollen, falls dies wirklich auf’s Verfolgen sich legte, ein nutzloses Unternehmen wäre, sein Segel eingezogen, in der Hoffnung, dies könnte die Schwestern veranlassen, ihren Plan zu ändern, und in der Arche eine Zuflucht zu suchen. diese Demonstration hatte keine andre Wirkung, als dass die Arche der Scene der Handlung näher blieb, und ihre Inhaber Zeugen der Jagd zu sein in Stand gesetzt wurden. Das Canoe Judiths war etwa eine Viertelmeile südlich von dem der Huronen entfernt, etwas näher der östlichen Küste, und ungefähr eben so weit von dem Castell südlich entfernt, als von dem feindlichen Canoe, ein Umstand, der letzteres so ziemlich gegenüber von Hutter’s kleiner Feste brachte. So war die Lage und Stellung der Parteien, als die Jagd begann.
In dem Augenblick, wo die Huronen so plötzlich ihren Angriffsplan änderten, befand sich ihr Canoe eben nicht im glänzendsten Zustand zu einer Schnell-und Wettfahrt. Es waren nur zwei Ruderschaufeln da, und der dritte Mann war somit unnütze Ueberfracht. Sodann glich der Unterschied im Gewicht zwischen den Schwestern und den zwei andern Männern, zumal bei so äußerst leichten Fahrzeugen, beinahe ganz den Unterschied aus, der sich aus der größern Stärke der Huronen ergeben mochte, und machte den wetteifernden Versuch in der Schnelligkeit weit weniger ungleich, als er etwa scheinen mochte. Judith strengte ihre Kräfte nicht eher an, als bis die größere Annäherung des andern Canoes über die Absicht seiner Bewegungen nicht mehr zweifeln ließ, und dann ermunterte sie Hetty, ihr mit aller ihrer Kraft und Geschicklichkeit beizustehen,
»Warum sollen wir fliehen, Judith?« fragte das schwachsinnige Mädchen; »die Huronen haben mir nie ein Leib getan, und werden es, denke ich, auch nie tun.«
»Das mag so sein in Beziehung auf dich, Hetty, aber es wird ein ganz andrer Fall sein mit mir. Kniee nieder und sprich deine Gebete, und dann stehe auf und thue dein Aeußerstes, um unsre Flucht zu fördern. Gedenke auch meiner, gutes Mädchen, wenn du betest.«
Judith sprach dies in Kraft sehr gemischter Gefühle, erstlich weil sie wusste, dass ihre Schwester immer in Nöthen die Hülfe ihres großen Bundesgenossen suchte; und dann weil in diesem Augenblick der anscheinenden Verlassenheit und Prüfung ein Gefühl der Schwäche und Abhängigkeit plötzlich über ihren eignen stolzen Geist kam. Das Gebet ward indessen rasch gesprochen und das Canoe war bald in schneller Bewegung, doch boten beide Teile nicht gleich bei dem Beginn alle ihre Kräfte auf, da beide gleich gut wußten, dass die Jagd wohl heiß werden und lange dauern dürfte. Wie zwei Kriegsschiffe, die sich zu einem Treffen rüsten, schienen sie verlangend, zuerst das Verhältniß der beiderseitigen Schnelligkeit auszumitteln, um zu wissen, wie sie ihre Kraftentwicklung vor der Hauptanstrengung abzustufen hätten. Wenige Minuten schon zeigten den Huronen, dass es den Mädchen nicht an Erfahrung fehle, und dass sie all ihre Geschicklichkeit und Kraft brauchen würden, um sie einzuholen.
Judith hatte im Anfang der Jagd nach der östlichen Küste sich gewendet, mit einem unbestimmten Vorsatz, im letzten Nothfall zu landen, und in die Wälder zu fliehen; aber als sie sich dem Lande näherten, machte die Gewißheit, dass Kundschafter ihre Bewegungen beobachten müßten, ihre Abneigung, diese Auskunft zu ergreifen, ganz unüberwindlich. Dann war sie auch noch frisch und hegte sanguinische Hoffnungen, im Stande zu sein, ihre Verfolger zu ermüden. In diesen Gefühlen leitete sie mit ihrem Ruder das Canoe in etwas andrer Richtung, entfernte sich von dem Saum von dunkeln Schierlingstannen, unter deren Schatten sie schon beinahe sich geborgen hatte, und steuerte wieder mehr der Mitte des See’s zu. Dies schien der günstige Augenblick für die Huronen, ihre Kraftanstrengung zu machen, da sie jetzt die ganze Breite des Wassers dazu hatten, und das dazu auf dem weitesten Teile, sobald sie zwischen die Flüchtigen und das Land gekommen waren. Die Canoes flogen jetzt dahin; Judith ersetzte, was ihr an Stärke abging, durch ihre große Gewandtheit und Selbstbeherrschung. Eine halbe Meile weit gewannen die Indianer keinen Vorteil; aber die Fortsetzung so großer Anstrengungen während vieler Minuten griff alle Betheiligten merklich an. Hier bedienten sich die Indianer eines Auskunftsmittels, das sie in Stand setzte, je Einem von ihnen Zeit zum Aufathmen zu gönnen, indem sie mit dem Rudern abwechselten, und zwar ohne dass sie in ihren Anstrengungen merklich nachließen. Judith schaute sich von Zeit zu Zeit um, und bemerkte, dass dies Auskunftsmittel ergriffen worden war. Das machte sie sogleich mißtrauisch gegen den Ausgang, weil ihre Kräfte und Ausdauer schwerlich es denen von Männern gleich tun konnten, die überdies einander abzulösen vermochten; doch blieb sie standhaft, und gab ihre Befürchtung im Augenblick durch nichts in die Augen Fallendes zu erkennen.
Bis jetzt hatten die Indianer sich den Mädchen nur erst auf zweihundert Schritte nähern können, obgleich sie in ›ihrem Kielwasser,‹ oder in gerader Linie hinter ihnen waren, denselben Strich des Wassers durchschneidend. Dies machte die Verfolgung zu einer bolzgeraden, oder Stern-Jagd, nach dem technischen Ausdruck, was sprichwörtlich eine ›lange Jagd‹ ist; und der Sinn ist der, dass in Folge der beiderseitigen Stellung der Parteien keine Veränderung sichtbar wird, außer derjenigen, die in einem direkten Gewinn auf der kürzesten Annäherungslinie besteht. So ›lang‹ indessen diese Art von Jagd zugestandener Maßen ist, konnte Judith doch wahrnehmen, dass die Huronen merklich näher kamen, ehe sie die Mitte des Sees gewonnen hatte. Sie war nicht ein Mädchen, das so leicht verzweifelte; aber es war ein Augenblick, wo sie daran dachte, sich zu ergeben, in dem Wunsche, in das Lager geführt zu werden, wo sie Wildtödter als Gefangnen wusste; aber die Erwägung der Mittel, die sie hoffte anwenden zu können, um seine Freilassung zu bewirken, trat alsbald hemmend dazwischen, und spornte sie zu erneuter Anstrengung ihrer Kräfte. Wäre Jemand dagewesen, der die Bewegung der beiden Canoe’s beobachtet, so würde er das der Judith pfeilschnell vor seinen Verfolgern dahinfliegen gesehen haben, als das Mädchen es mit frischem Eifer weitertrieb, während ihr Geist so über seinen glühenden und großmüthigen Entwürfen brütete. So bedeutend war in der Tat der Unterschied in dem Verhältniß der Schnelligkeit zwischen den zwei Canoe’s während der nächsten fünf Minuten, dass die Huronen anfingen sich zu überzeugen, sie müßten alle ihre Kräfte aufbieten, oder sie würden die Schmach erfahren, durch Weiber in ihrer Hoffnung und um ihren Raub betrogen zu werden. Als sie, von dieser kränkenden Überzeugung angespornt, eine wüthende Anstrengung machten, brach Einem der Stärkeren von ihnen die Ruderschaufel in dem Augenblick, wo er sie aus der Hand seines Kameraden genommen, um ihn abzulösen. Dies entschied sogleich die Sache; denn ein Canoe mit drei Männern und nur Einer Ruderschaufel war gänzlich außer Stand, Flüchtlinge, wie die Töchter Thomas Hutter’s einzuholen.
»Da, Judith!« rief Hetty, welche den Unfall bemerkt, »jetzt, hoffe ich, wirst Du zugestehen, dass Beten Etwas hilft! den Huronen ist ein Ruder gebrochen, und sie können uns nicht mehr einholen! «
»Ich habe es nie geläugnet, arme Hetty; und manchmal wünsche ich, mit bitterem Leidwesen, ich hätte selbst mehr gebetet, und weniger an meine Schönheit gedacht! Wie Du sagst, wir sind jetzt gerettet, und müssen nur ein Wenig südlich uns wenden und Athem schöpfen.« Dies geschah; denn der Feind gab seine Verfolgung so plötzlich auf, wie ein Schiff, das eine wichtige Spiere verloren hat, sobald jener Unfall sich begeben hatte. Statt Judiths Canoe zu verfolgen, das jetzt leicht auf dem Wasser südlich dahinschwamm, wendeten die Huronen den Bug ihres Canoe’s nach dem Castell zu, wo sie bald ankamen und ausstiegen. Die Mädchen, fürchtend, man möchte übrige Ruder in dem Gebäude oder in der Umgebung finden, fuhren immer zu; und sie hielten erst inne, als sie so weit von ihren Feinden entfernt waren, dass sie im Fall der Erneuerung der Jagd jede Aussicht hatten, zu entkommen. Es schien als ob die Wilden an keinen solchen Plan dachten; sondern nach Verfluß einer Stunde sah man ihr Canoe, angefüllt mit Männern, das Castell verlassen und nach der Küste steuern. Die Mädchen waren ohne Lebensmittel, und sie näherten sich jetzt dem Gebäude und der Arche, da sie endlich aus den Manöuvern der letztern geschlossen hatten, dass Freunde darauf sich befinden müßten.
Читать дальше