»Der alte Tom nennt diese Art Kai seinen Torhof,« bemerkte Hurry, indem er das Canoe anband, nachdem er es mit seinem Begleiter verlassen, »und die tapfern Herrn von den Forts haben es den Castellhof genannt, wiewohl ich nicht einsehen kann, was ein Hof hier zu schaffen hat, da es kein Gesetz und Recht gibt. Es ist wie ich mir gedacht; keine Seele drinnen, sondern die ganze Familie fort auf einer Entdeckungsreise.«
Während Hurry sich auf dem Thorhof zu schaffen machte, die Fischerspieße, Ruten, Netze und andere ähnliche Geräthe eines Grenzmannshauses musternd, trat Wildtödter, dessen Art im Ganzen weit gesetzter und ruhiger war, in das Haus hinein, mit einer Neugier, die man bei einem so lang an indianische Sitten gewöhnten Manne nur selten bemerkte. Das Innere des »Castells« war ebenso tadellos sauber, als das Aeußere neu und überraschend. Der ganze Raum, etwa vierzig Fuß lang und zwanzig tief, war in verschiedene kleine Schlafzimmer getheilt; das Gemach, das er zuerst betrat, diente für die gewöhnlichen Beschäftigungen der Bewohner und zugleich als Küche. Die Einrichtung zeigte jene seltsame Mischung, die man nicht selten in den abgelegenen Blockhäusern des innern Landes findet. Das Meiste war roh und im höchsten Grade ländlich; aber in einer Ecke fand sich eine Uhr mit einem schönen Gehäuse von dunklem Holz, und zwei oder drei Sessel, samt Tisch und Schreibtisch, die offenbar aus einem Hause von höhern Ansprüchen stammten. Die Uhr pickte fleißig und emsig, aber die bleiern aussehenden Zeiger entsprachen insofern ihrem schwerfälligen Aussehen, als sie auf elf Uhr wiesen, obwohl die Sonne deutlich zeigte, dass der Mittag schon lange vorüber war. Auch war da ein dunkler, massiver Schrank. Die Küchengeräte waren von der einfachsten Art und keineswegs zahlreich, aber jedes Stück war an seinem Platz und zeigte in seiner Beschaffenheit alle mögliche Sauberkeit und Sorgfalt.
Nachdem Wildtödter in dem äußern Zimmer sich umgesehen, drückte er eine hölzerne Klinke auf, und trat in einen schmalen Gang, welcher das Innere des Hauses in zwei gleiche Hälften teilte. Da die Sitten der Grenzmänner keineswegs ängstlich und bedenklich sind und seine Neugier lebhaft erregt war, öffnete der junge Mann jetzt eine Türe und befand sich in einem Schlafzimmer. ein Blick genügte ihn zu belehren, dass es ein Gemach für Frauen war. Das Bett bestand aus den Federn von wilden Gänsen und war gefüllt fast zum Platzen; aber es lag auf einem rohen Gestell, nur etwa einen Fuß über dem Boden erhaben. Auf der einen Seite desselben hingen an Pflöcken verschiedene Kleidungsstücke von einer weit bessern Beschaffenheit, als man an einem solchen Ort hätte erwarten sollen, mit Bändern und andern entsprechenden Artikeln. Zierliche Schuhe, mit hübschen silbernen Schnallen, wie sie damals wohlhabende Frauen trugen, fehlten auch nicht; und nicht weniger als sechs Fächer von lebhaften Farben waren halb geöffnet, so dass sie das Auge durch ihre Figuren und Malereien auf sich zogen. Selbst das Kissen auf dieser Seite des Bettes war mit feinerem Linnen überzogen, als das entsprechende auf der andern Seite, und mit schmalen Spitzen besetzt. Eine Haube, mit Bändern kokett verziert, hing darüber, und ein paar langer Handschuhe, wie sie in jenen Zeiten Personen aus den arbeitenden Classen selten trugen, waren prahlerisch daran geheftet, wie in der ausdrücklichen Absicht sie hier zur Schau zu stellen, wenn sie nicht an den Armen der Besitzerin prangen könnten. Alles dies sah und merkte sich Wildtödter mit einer Genauigkeit, welche der zur andern Natur gewordenen Beobachtungsgabe seiner Freunde, der Delawaren, Ehre gemacht haben würde. Auch entging ihm nicht der Unterschied zwischen den beiden Seiten des Bettes, dessen oberes Ende an der Wand stand. Auf der noch nicht beschriebenen Seite nämlich war Alles gering und uneinladend, abgesehen von der vollkommnen Sauberkeit. Die wenigen, an den Pflöcken hängenden Kleidungsstücke waren von den gröbsten Stoffen und vom gemeinsten Schnitte, während Nichts auf Schaustellung berechnet schien. Kein einziges Band war zu sehen, auch keine Haube und kein Tuch, außer solchen, wie sie Hutter’s Töchter ihrem Stande gemäß zu tragen befugt waren.
Es waren mehrere Jahre verflossen, seit Wildtödter nicht mehr in einem Gemache gewesen war, welches eigens zum Aufenthalt von weiblichen Wesen seines Stammes und seiner Farbe diente. Der Anblick weckte in seiner Seele eine Aufwallung von Erinnerungen aus der Kindheit, und er verweilte in dem Gemach mit einer Art Rührung, die ihm lange fremd geblieben. Er dachte an seine Mutter, deren geringe Kleider er sich erinnerte, an Pflöcken hängen gesehen zu haben, wie die, welche nach seiner unmittelbaren Überzeugung der Hetty Hutter gehörten, und dachte an eine Schwester, deren natürlicher und sich entwickelnder Geschmack für Putz sich ungefähr in ähnlicher Weise, wie der Judiths, obwohl natürlich in geringerem Grade, kund gegeben hatte. Diese kleinen Ähnlichkeiten öffneten eine lang verschlossene Quelle von Empfindungen und als er das Gemach verließ, war seine Miene trüb. Er sah sich nicht weiter um, sondern kehrte langsam und nachdenklich nach dem Torhof zurück.
»Der alte Tom hat einen neuen Beruf ergriffen und seine Hand versucht im Fallen stellen,« rief Hurry, der die Habseligkeiten des Grenzlers kaltblütig untersucht hatte; »wenn das jetzt seine Laune ist, und Ihr geneigt seid, in diesen Gegenden zu bleiben, können wir uns eine ungemein behagliche Sommerszeit bereiten; denn während der alte Mann und ich die Biber überlisten, könnt Ihr fischen und das Wild zusammenschießen, um Leib und Seele zusammen zu halten. Wir geben immer den armseligsten Jägern einen halben Antheil, aber ein so tüchtiger und sichrer Schütze wie Ihr darf wohl auf einen vollen rechnen.«
»Dank Euch, Hurry, dank Euch von ganzem Herzen; aber ich treibe auch das Biberfangen ein wenig, wenn die Gelegenheit sich darbietet. Es ist wahr, die Delawaren nennen mich Wildtödter, aber nicht sowohl, weil ich dem Wild ziemlich gefährlich bin, als weil ich, der ich so viele Böcke und Thiere tödte, noch keinem Mitmenschen das Leben genommen habe. Sie sagen, ihre Überlieferungen wissen von keinem Andern, der so viel Blut von Tieren, und doch noch nicht das Blut eines Menschen vergossen.«
»Ich will hoffen, sie halten Euch doch nicht für taubenherzig, Junge? ein weichherziger Mann ist wie ein ungeschwänzter Biber.«
»Ich glaube nicht, Hurry, dass sie mich für außerordentlich furchtsam halten, obwohl sie mich wohl auch nicht für außerordentlich muthig halten mögen. Aber ich bin nicht streitsüchtig; und das trägt viel dazu bei, dass man die Hände von Blut rein erhält, unter den Jägern und Rothäuten; und dann, Harry March, erhält es auch das Gewissen rein von Blut!«
»Gut; ich für meinen Teil achte Wild, eine Rothaut und einen Franzmann für ungefähr das Gleiche; obgleich auch ich so wenig streitsüchtig bin, als nur irgend ein Mann in den Colonien. Ich verachte einen Zänker, wie einen kläffenden Hund; aber man braucht nicht übergewissenhaft zu sein, wenn es die rechte Zeit ist, den Feuerstein zu zeigen,«
»Ich sehe den als den ächtesten und besten Mann an, der sich am meisten an das Recht hält, Hurry. Aber das ist ein herrlicher Platz, und mein Auge wird des Sehens nicht satt!«
»Das ist Eure erste Bekanntschaft mit einem See, und solche Ideen kommen über uns Alle in solchem Fall. Die Seen haben einen allgemeinen Charakter, wie ich sage, und sind eben recht viel Wasser und Land und Vorsprünge und Buchten.«
Da diese Definition keineswegs mit den Gefühlen zusammenstimmte, welche die Seele des jungen Jägers bewegten, so erwiderte er zunächst Nichts, sondern starrte in schweigendem Genusse nach den dunkeln Hügeln und dem krystallnen Wasser.
»Haben des Gouverneurs oder des Königs Leute diesem See einen Namen gegeben?« fragte er plötzlich, als ginge ihm auf einmal eine neue Idee auf. »Wenn sie nicht angefangen haben, ihre Stangen aufzustecken und ihre Kompasse aufzupflanzen, und ihre Karten aufzuziehen, so haben sie wohl auch nicht daran gedacht, die Natur mit einem Namen zu belästigen.«
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