1 ...6 7 8 10 11 12 ...26 Marek trank einen Schluck und setzte sich neben Ivo. »Dagobert wäre witzig. Eher wie ein Drachen im Gewand einer Leopardnatter.«
»Leopardnatter?«
»Google es.«
»Kannst du nicht vermitteln?«
Resigniert schüttelte Marek den Kopf. »Für die existiere ich doch gar nicht. Seit ich mit Claudia zusammen bin, hackt sie auf mir rum.«
»Was hast du vor?«
Er zuckte mit den Schultern. »Das Verhältnis ist kompliziert, und wir sind von ihr abhängig. Seit Alessandros Schlaganfall streiten Elaine und Claudia noch mehr, meist wegen Belanglosigkeiten. Und ich muss es dann ausbaden.« Mareks Stirn lag in Falten, sein frustrierter Gesichtsausdruck sprach für sich. Er pulte mit den Fingern das Etikett von der Bierflasche.
Ivo trank sein Bier aus, stellte die Flasche auf den Tresen und rülpste leise. »Wie alt ist sie?«
»Ende siebzig.«
»Puh, da kann sie gut noch fünfzehn Jahre leben.«
»Super Kommentar.« Marek stand auf und wollte aus der Küche gehen. Dann überlegte er es sich anders, nahm stattdessen noch zwei Bier aus dem Kühlschrank und öffnete sie zischend. Er schob Ivo eins rüber.
»Dein geiles Leben wünschte ich mir. Das Penthouse, deine Autos, ein Boot, du fliegst durch die Welt, heiße Partys …«
»Was weißt du schon?«, wies Marek seinen Fitnesstrainer in die Schranken und setzte seine Flasche hart auf dem Tresen ab. Ein Schluck Bier schwappte heraus.
»Okay, bleib cool, war nicht so gemeint. Willst du tauschen?« Ivo lamentierte, dass seine Frau jeden Monat Stress mache, weil nicht genügend Kohle da sei. Seine 3.000 Euro reichten hinten und vorne nicht. Exotische Urlaubsreisen, Designerklamotten, Schmuck oder eine coole Handtasche kann ich ihr nicht bieten.« Ivo trennte eine Lage Papier von der Küchenrolle und wischte das verschüttete Bier weg. »Wir zahlen unsere Rechnungen und kommen knapp über die Runden. Deine Geschenke helfen, haben sie aber auf den Geschmack gebracht.«
»Du beschwerst dich darüber? Dir kann man’s auch nicht recht machen.«
»Nee, nicht bei dir. Ich muss den Druck nur mal loswerden.«
»Willkommen im Club«, sagte Marek versöhnlicher. Was würdest du denn mit 200.000 Euro machen?«, fragte er, umfasste sein Fußgelenk und zog die Ferse ans Gesäß, um seinen Oberschenkel zu dehnen.
»Ich würde mir ein gebrauchtes 911-Cabrio kaufen, außen schwarz und innen rotes Leder«, antwortete Ivo wie aus der Pistole geschossen. Seine Augen glänzten. »Knie zusammendrücken und die Hüfte mehr nach vorn«, korrigierte er Mareks Haltung.
»Was noch? Spontan?«
»Meiner Frau würde ich eine Handtasche und ein paar Klamotten schenken und mit dem restlichen Geld ein eigenes Studio aufziehen. Ich bin ein guter Trainer, und die Mädels stehen auf mich.«
»Glaubst du echt, das reicht als Business-Plan?«
»In Monaco gibt es genügend gelangweilte Hausfrauen mit Sugar Daddys, die ein bisschen Pep unterm Hintern brauchen.« Ivo lächelte verschmitzt. Aber so schnell wie er geantwortet hatte, winkte er auch schon wieder ab. »Das wird immer nur ein Traum bleiben.«
»Naja, leicht anrüchiges Geschäftsmodell.«
»Das mit dem Bett war Spaß, aber die Frauen wollen abnehmen und zahlen für den Traum vom Idealkörper die Mitgliedschaft. Dass sie dann nur einige Male im Fitnessstudio aufkreuzen, ist eine andere Geschichte«, verteidigte Ivo seine Idee.
»Ehrlich?«
»Was, ehrlich? Wenn eine drauf bestehen würde, warum nicht?«
»Großmaul, aber rede doch mal mit Claudia über ein Studio, wenn sie wieder gut drauf ist«, schlug Marek vor. »Es würde ihr bestimmt gefallen, mal was anderes zu tun außer Vermietungen unter der Fuchtel ihrer Mutter.«
»Echt?«
»Fragen kostet nichts.«
Béatrice hatte im Kaminzimmer auf einem Silberteller liebevoll Kekse und dunkle Schokoladentrüffel arrangiert und schenkte Tee ein. Dabei musterte sie Elaine besorgt, die sich in ihrem Lieblingssessel zusammengekauert hatte.
»Geht es dir gut? Du siehst blass, fiebrig und ganz erschöpft aus.«
Als Elaine nickte, reichte sie ihr die Tasse über den Tisch. »Entspann dich, meine Liebe. Heute steht doch nichts mehr an.«
Elaine trank einen Schluck, stellte die Tasse zurück und schob einen Trüffel in ihren Mund. »Hm, mit Waldbeeren gefüllt, was für ein Gaumenschmeichler.« Sie ließ die Köstlichkeit mit geschlossenen Augen auf der Zunge zergehen. Dann lächelte sie die Freundin an. »Vor dir kann ich wirklich nichts verbergen.«
»Willst du das denn?«
»Entschuldige, aber mein Gespräch mit Kardinal Bretone war gespickt mit unangenehmen Überraschungen.« Elaine rutschte der Name des Kardinals ungewollt heraus. Auch Béatrice gegenüber hatte sie konsequent Privates und Geschäftliches getrennt.
»Kardinal Umberto Maria Emanuele Bretone? Allein der Klang seines Namens, welche Ehre! Und der hat dich empfangen?« Dann kniff Béatrice die Augen leicht zusammen. »Du hast mit dem Vatikan zu tun?«
Die Frage ließ Elaine tief aufseufzen.
»In Rom kursieren schon länger Gerüchte, dass seine Position wackelt. Erzähl, wie ist er? Man sagt dem kleinen Bretone nach, dass er ein Charmeur und beiden Geschlechtern nicht abgeneigt sei.« Sie kicherte. »Ich liebe Tratsch aus erster Hand.«
»Mich hat er nicht verzaubert, im Gegenteil. Der Kardinal beschert mir gerade Albträume. Außerdem bevorzuge ich geistreiche Männer vor geistlichen.«
Béatrice setzte ihre Tasse ein wenig zu laut auf dem Tisch ab. »Jetzt red doch schon«, drängelte sie. »Wie lange willst du noch alles in dich hineinfressen? Wozu bin ich deine Freundin?«
Elaine kannte Béatrices direkte, undiplomatische Art. Und sie hatte recht. Auch wenn sie nur wenig erzählen konnte, würde sie so ein bisschen Frust loswerden und die Neugier der Freundin zufriedenstellen.
»Kardinal Bretone hat drei Päpste überlebt. Darüber sind seine Haare licht geworden, sein Bauch wohl gefüllt und wahrscheinlich auch seine Taschen«, erzählte Elaine nonchalant. »An den kleinen Händen mit den dicken, manikürten Fingern trägt er außer dem Kardinalsring einen weiteren protzigen Siegelring. Umberto hat mit Sicherheit einiges hinter den heiligen Mauern gesehen und taktiert klug, ansonsten hätte er sich dort nicht Jahrzehnte behaupten können. Er ist ein süßer Redner, höflich, charismatisch und verhandelt raffiniert. Und wie ich seit heute weiß, behält er auch in unmöglichen Situationen die Contenance.«
»Du klingst wie eine verbitterte Jungfer«, stichelte Béatrice, »und erinnerst mich an die verzweifelte Elaine, die ich einst heulend im Park der Villa Borghese getroffen habe. Ein paar Falten mehr vielleicht …«
»… mehr graue Haare und weniger Illusionen«, setzte Elaine die Aufzählung fort. »Allerdings plagen mich diesmal richtige Probleme, kein Kinderkram. Ich wünschte, es würde sich wie damals im Handumdrehen lösen lassen.«
»Jetzt lass das Jammern, Elaine. Das passt nicht zu deiner Aura der Kultiviertheit oder Autorität, und ist doch sonst auch nicht deine Art. Eitel sind wir zwar, aber Falten dürfen dazugehören. Du siehst für dein Alter fantastisch aus, bist eine klassische Schönheit und eine erfolgreiche Frau. Männer sind als ernsthaftes Gesprächsthema durch, unsere Kinder erwachsen, und auch die Probleme mit deinen Schwägerinnen haben wir schon hundert Mal diskutiert. Genieß das Leben! Nimm dir an mir ein Beispiel! Wie viele Jahre bleiben uns noch?«
»Wenn du wüsstest …« Ein trauriger Ausdruck huschte über Elaines Gesicht, bevor sie ihr bewährtes Lächeln aufsetze. »Du bist anders, Béatrice. Habe ich dir je erzählt, dass ich dich früher oft mit einem Schmetterling verglichen habe, der fröhlich von einer Blüte zur nächsten flog? Ich bin keine Lebenskünstlerin.«
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