»Läutete das nicht den Anfang vom Ende der Freundschaft zwischen Fürst Rainier und dem Griechen Onassis ein?«, fragte der Anwalt nach.
Der Kardinal nickte und wartete, bis die Ober die Vorspeisen serviert hatten. Anschließend erklärte er, dass diese Regelung ein Grund gewesen sei, warum Onassis begonnen hatte, Anteile seiner Monaco-Geschäfte aus dem angeschlagenen Steuerparadies nach Panama zu verschieben. Darüber wiederum ärgerte sich Rainier, denn Monaco brauchte nach dem neuen Staatsvertrag mit Frankreich dringend Geld. Außerdem benötigte der Fürst das Kapital von Onassis, um Monaco als Touristenhochburg mit Luxuswohnungen, Grandhotels und Yachthafen auszubauen.
»Kurz, Onassis gefielen die Ideen von Rainier nicht. Er wollte nur in die Pläne einwilligen, wenn der Fürst ihm im Gegenzug die S.B.M. – Monacos bekannteste Firma, deren Mehrheitsaktionär er sowieso schon war – als alleinigen Besitzer überließ.«
»Was Rainier nicht getan hat«, ließ der Anwalt einfließen.
»Er konnte nicht«, bestätigte der Kardinal, »denn das Casino mit seinen Hotels hatte über Jahrzehnte den Lifestyle des Fürstentums geprägt und stellte außerdem seine größte Einnahmequelle dar, die Rainier auch für die Zukunft brauchte. Onassis’ Forderung brachte ihn jedoch auf eine Idee. Er ließ von einem Wirtschaftsanwalt eine Strategie ausbrüten, den Rivalen in einer Aktienschlacht mit seinen eigenen Waffen zu schlagen.«
Der Anwalt tupfte sich den Mund mit der Serviette ab und bemerkte, dass sich um diese Aktion viele Gerüchte rankten, dessen Einzelheiten ihn schon immer interessiert hätten. »Wie ging es weiter?«
»Der Fürst legte sechshunderttausend neue, nicht übertragbare Aktien der Firma auf, löste Onassis als Mehrheitseigentümer wieder ab und überraschte ihn damit böse. Der Grieche hätte Rainier zuvor sein winziges Reich aus der Portokasse abkaufen können. Warum er es nicht tat?« Der Kardinal hob die Hände.
»Das weiß nur Gott?«
»Eine reflexartige Bewegung.« Kardinal Bretone lächelte verschmitzt und deutete mit dem rechten Zeigefinder in Jacques Verriers Richtung. »Aber: Nachdem der Fürst den Abschied von Onassis forciert hatte, brauchte er dringend neue Gönner, und hier kommen wir ins Spiel.«
Der Anwalt neigte interessiert den Kopf zu Seite. »Wie?«
»Der Fürst wandte sich dafür an den deutschen Bankier Dr. Schachtmann. Der Herr ist Ihnen ein Begriff?«, fragte er und schob einen größeren Happen in den Mund.
»Selbstverständlich. In unserer Generation sollte man von diesem einflussreichen Bankier gehört haben.« Jacques Verrier fiel auf, dass der Kardinal noch kaute, also antwortete er ausführlicher. »Der deutsche Banker des letzten Jahrhunderts, eine Legende. Reichsbankpräsident, Reichswirtschaftsminister und einige Jahre auch Hitlers Banker. Meines Wissens beriet Dr. Schachtmann nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Regierungen und einflussreiche Persönlichkeiten in Westafrika und im Nahen Osten. War er nicht auch der Banker von Onassis?«
Kardinal Bretone schluckte den letzten Bissen hinunter. »Sie sind bestens informiert. Dr. Schachtmann war ebenso ein Vertrauter des Fürsten, demzufolge in dessen hochtrabende Pläne sowie den Bruch mit Onassis eingeweiht und wusste von seinen finanziellen Engpässen. Außerdem kannte er die Volantes mit ihrer damals schon renommierten Baufirma seit den Vierzigerjahren bestens.«
»Woher?«, fragte der Anwalt neugierig.
»Nun, der Großvater von Elaine Volante ergatterte einige Großaufträge von den Nazis. Wissen Sie nicht, dass er die 200 Kilometer Schutzbunker entlang der Riviera für die Deutschen baute? Gerüchten zufolge half er den Nazis auch beim Kauf vieler lukrativer Objekte. Davon will heute von der Familie niemand mehr etwas wissen.«
»Das ist mir auch neu«, hakte der Anwalt das heikle Thema sofort ab. Es tat nichts zur Sache, und er würde seine Mandantin nicht in eine schwache Position drängen lassen.
Der Ober trat an den Tisch. »Ich habe den Wein nicht dekantiert, damit das Aroma länger erhalten bleibt.« Er roch am Korken. »Vierzig Jahre gereift.«
Der Kardinal schwenkte das Weinglas einige Male, begutachtete die Farbe und probierte schließlich. »Superb.«
Nachdem der Ober den edlen Tropfen eingeschenkt hatte, fragte er, wann die Hauptgänge serviert werden sollten.
»In zehn Minuten.« Der Kardinal wandte sich wieder an den Anwalt. »Kommen wir zu der Entstehung des Vertrags. Der alte Volante besaß eine Option auf das östlich vom Casino gelegene Land in Lorvetto, direkt am Meer. Der Fürst verabschiedete sich von der Idee einer Eisenbahnlinie und wandelte besagtes Land in Bauland um. 1965 erhielten die Volantes die Genehmigung, an der Strandmeile von Lorvetto Hochhäuser zu errichten.«
»Eine spannende Geschichte.« Jacques Verrier mimte perfekt den ahnungslosen Anwalt. »Wie ging es weiter?«
»Die Baugenehmigung war eine Sache, aber um dieses Vorhaben umzusetzen, benötigten die Volantes eine Finanzierung. Das überstieg ihre damaligen Möglichkeiten bei Weitem. Dr. Schachtmann brachte die Volantes mit einem Geldgeber zusammen und konstruierte ein kompliziertes Offshore-Modell über fünfzig Jahre. Er schaltete die Vatikanbank als Verwalter wegen ihres Sonderstatus’ dazwischen. Wie Sie wissen, pflegen wir traditionell enge Beziehungen zum monegassischen Fürstenhaus und garantieren Diskretion für alle Parteien.«
»Was war so kompliziert an diesem Vertrag?« Der Anwalt fragte sich, worauf der Kardinal hinauswollte.
»Nun, zuerst den Geldgeber zu finden. Dann musste gebaut, später der Kredit zurückgezahlt werden und der Fürst wollte auch profitieren. Langfristige Einnahmen konnte ihm Dr. Schachtmann jedoch nur garantieren, wenn die Immobilien in denselben Händen blieben.«
»Und wie hat er das gelöst?«
»Alle Einzelheiten sind mir nicht bekannt. Dr. Schachtmann strukturierte jedenfalls ein Geschäft, von dem alle Seiten profitierten. Der Fürst konnte einen Großteil seiner Visionen umsetzen, kam zu einer ewig sprudelnden Geldquelle und die Volantes stiegen zu den Immobilienkönigen von Monaco auf.«
»Ich kann Ihnen nicht ganz folgen. Was meinen Sie mit ›Ewig sprudelnder Geldquelle‹, und wo liegt der Haken?«
Wie schon Thierry Louron einige Wochen zuvor, erklärte der Kardinal jetzt dem Anwalt die prozentuale Aufteilung der Mieteinnahmen und die Höhe des damaligen Kredits. Jacques hörte aufmerksam zu, bevor er bemerkte, dass sich ihm das Problem noch nicht erschließe.
Der Kardinal schwenkte den Rotwein einige Male im Glas und stellte es ab, ohne getrunken zu haben. Er schaute Jacques Verrier ernst an. »In diesem Mai ist die Rückzahlung des Kredits fällig, und ich habe zwei Probleme. Erstens fehlen 3 Milliarden Dollar, und zweitens kenne ich den Gläubiger nicht.« Dann gönnte er sich einen großen Schluck Wein.
Äußerlich blieb der Anwalt die Ruhe selbst, doch seine Anspannung stieg. 3 Milliarden fehlten? Dann war Elaine in riesigen Schwierigkeiten! »Wovon fehlen 3 Milliarden Dollar, Kardinal?«
»Von den Geldern, die wir im Namen Ihrer Mandantin verwaltet haben und die sie in Kürze zurückzahlen muss. Elaine Volante weiß seit letztem Donnerstag davon. Ich habe ihr bereits während unseres Gesprächs angeboten, mit den Gläubigern zu verhandeln.«
»Was für ein gigantischer Verlust«, flüsterte der Anwalt und fragte nach, ob seitens seiner Mandantin alles wie vereinbart gelaufen sei. Er nannte Elaine Volante nicht einmal in diesem Gespräch beim Namen.
Der Kardinal bestätigte, dass sie über fünfzig Jahre korrekt bezahlt hatte und bedauerte die unglaubliche Misswirtschaft in der Vergangenheit der Vatikanbank. Ihn beschäme das unqualifizierte Handeln einiger Angestellter, die Liste von Veruntreuungen und Skandalen sei zu lang … »Ich habe mein Bestes versucht und konnte zumindest 1,3 Milliarden Dollar retten.«
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