Jetzt war der Anwalt perplex, denn von diesem wichtigen Detail, das die Verhandlungsposition seiner Mandantin entscheidend verschlechterte, hörte er wirklich das erste Mal. »Ansonsten?«
»Die Option, dass alle Lorvetto-Immobilien im Jahr 2065 an die fürstliche Familie fallen, hat theoretisch von Beginn an bestanden.«
Das selbstgefällige Lächeln, das die Mundwinkel des Kardinals umspielte, entging dem Anwalt nicht. Absolut schamlos fand er, wie genüsslich Kardinal Bretone weiter Wein trank und auf seine Reaktion wartete.
»In meiner Welt nennt man das Erpressung, Kardinal. Ich habe in meinem Anwaltsleben einiges erlebt, aber dieser Vorschlag sucht seinesgleichen. Skandalös! Da meine Mandantin das Thema jedoch nicht ignorieren kann, werde ich mit ihr reden.« Jacques Verrier stand auf. »Waren das alle schlechten Nachrichten?«
Der Kardinal nickte.
Jacques Verrier bedankte sich für das Mittagessen, reichte ihm förmlich zum Abschied die Hand und verließ zügigen Schrittes das Restaurant.
Im Taxi auf dem Weg zum Flughafen versuchte der Anwalt vergeblich, Elaine Volante zu erreichen. Die Forderungen des Kardinals bestürzten ihn. Genauso unverständlich war ihm allerdings, warum Elaine ihn nicht eingeweiht hatte. Seit vierzig Jahren unterstützte er sie in rechtlichen Angelegenheiten. Nach ihrer Scheidung waren sie sich auf freundschaftlicher Basis vertrauter geworden und teilten, wenn nötig, auch private Sorgen. Ob sie von dem Leasehold-Detail wusste?
Als Elaine am Abend endlich zurückrief und Jacques erzählte, dass sie bis Mittwoch in der Schweiz sei und sie sich erst am Freitag treffen könnten, schrillten bei ihm die Alarmglocken. Was hatte Elaine Dringenderes zu tun, als einen Verlust von 3 Milliarden Dollar zu klären?
9
Showtime
Donnerstag, 20. Februar 2014
Claudia und Marek waren mit einem befreundeten Ehepaar in Monacos bekanntestem Feinschmecker-Restaurant, dem Le Louis XV, verabredet. Das Paar war bestens aufgelegt und erschien früher, um vor dem Abendessen noch einen Drink zu nehmen. Vor allem Marek liebte den Glamour, den bekannte Schauspieler, erfolgreiche Sportler oder Models ausstrahlten, die man hier genauso regelmäßig traf wie führende Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft.
Das schwarze Cocktailkleid mit dem kurzen Jäckchen schmeichelte Claudias Figur, und ihre Goldkette mit den farbigen Steinen von Bulgari, die sie mit den passenden Ohrringen trug, war ein Blickfang. Selbstredend wurden sie vom Oberkellner zum Tisch geführt, der beflissen fragte, ob man den Abend wie gewohnt mit Bellini und Single Malt beginnen wolle.
Marek nickte und tauschte einige Höflichkeitsfloskeln mit ihm aus.
Unterdessen schaute Claudia sich um, entdeckte ihren Fitnesstrainer und stupste Marek an die Schulter. »Ivo hier? Und beklagt sich, dass er zu wenig verdient?« Sie musterte ihn. »Im Anzug wirkt er wie ein anderer Mensch. Steht ihm gut, findest du nicht?«
Marek drehte sich unauffällig zur Seite. »Hm. Bei seinem Körper kann er alles anziehen. Vor allem verdeckt der Anzug seine bunten Tattoos.« Dass er Ivo den Designeranzug zu Weihnachten geschenkt hatte, verriet er Claudia nicht. »Kennst du den Typen neben ihm? Mit dem protzigen Schmuck sieht er aus wie ein schmieriger Zuhälter, wahrscheinlich Algerier. So billig, das können die nie abschütteln.«
»Red doch in der Öffentlichkeit nicht so abfällig«, bat sie.
»Du hast doch angefangen zu lästern. Hat Ivo mit dir gesprochen?«
»Worüber?«
»Er sucht einen Investor für seine Geschäftsidee.«
»Ivo und Geschäfte?«, gluckste Claudia.
»Er träumt vom eigenen Studio.« Marek knabberte einige Nüsse. Dann erzählte er Claudia ausführlich von den geplanten Verhandlungen kommende Woche in Dubai. »Wir müssen das Geschäft mit der Raffinerie abschließen. Die Verkäufer fordert noch eine Zahlung, und zum Aussteigen ist es zu spät. Die 10 Millionen, die wir schon reingesteckt haben, wären sonst weg.«
»Die würden wir verlieren?«
»Du weißt doch, dass ich den Kaufvertrag unterschrieben habe. Jetzt ist die zweite Rate fällig. Wir dachten, dass deine Mutter 25 Millionen rausrückt. Bei 35 Millionen Eigenkapital finanziert jede Bank den Rest.«
»Marek, versuche nicht, die Verantwortung auf mich zu schieben.« Claudia trank den halben Bellini in einem Zug.
Jetzt geht das wieder los, stöhnte sie innerlich. Er hat von einem todsicheren Geschäft gesprochen, das uns von Mama unabhängig machen würde ...
»Und nun?«
»Ein kasachischer Investor will eventuell einsteigen. Es würde unsere Kaufsumme um 15 Millionen senken. Ich treffe ihn in Dubai «
»Ein Russe?«, fragte Claudia skeptisch.
»Kasache. Wenn wir das Geld nicht aufbringen, muss ich ihn als Partner ins Boot holen. Ich wollte zumindest mit dir darüber reden.«
»Gefällt mir nicht«, sagte Claudia und schob gleich eine Handvoll Nüsse in den Mund. »Warum fliegst du nicht runter und gibst vor, dass du in einigen Wochen zahlen wirst. Irgendein kurzfristiger Engpass, lass dir was einfallen«, schlug sie noch kauend vor.
»Ich spiele schon länger auf Zeit.«
»Ah ja?«
»Weil ich dich nicht belasten wollte. Siehst du eine Chance, dass uns deine Mutter das Geld kurzfristig noch gibt?«
Claudia verdrehte genervt die Augen.
»Ich meine, in den nächsten vier bis sechs Wochen.«
»Können wir heute Abend mal über was anderes reden?«
»Es ist unser wichtigstes Investment für die Zukunft.«
»Uns gibt sie das Geld sowieso nicht, bestenfalls mir.« Sie trank den Bellini aus.
Marek schwenkte die Eiswürfel hart gegen den Rand des Whiskyglases. Offensichtlich war Claudia nicht bewusst, welche verbale Ohrfeige sie ihm gerade verpasst hatte. »Uns, dir«, murmelte er leise vor sich hin und kippte den Whisky in einem Zug hinunter. »Diesmal kannst du jedenfalls nicht klein beigeben, mach deiner Mutter Druck. Sie wird uns die monatliche Unterstützung schon nicht streichen.«
Claudia ging durch den Kopf, dass ihr Bruder Alessandro ihre Mutter schon öfter bei riskanten Geschäften erst im letzten Moment eingeweiht hatte. Dass sie 10 Millionen in den Sand setzte, würde sie bestimmt verhindern wollen.
»Okay, ich versuch’s.«
»Hallo Claudia, hallo Marek.« Plötzlich stand ihr Fitnesstrainer freudestrahlend am Tisch.
»Ivo, welche Überraschung«, begrüßte ihn Claudia. »Hast du auch Appetit auf was Feines? Der Anzug steht dir. Bestellst du noch eine Runde, Marek?« Claudia ging von der Diskussion über ein Millioneninvestment nahtlos zum Smalltalk über.
»Appetit schon, aber Gourmet-Schuppen liegen nicht in meinem Budget. Ich hatte einen Termin mit einem potenziellen Investor für meine Fitnessstudios mit einer Video-Serie.«
»Das ging aber schnell«, erwiderte Marek. »Bier oder Whisky?«
»Bier. Du hast mich drauf gebracht. Am selben Abend habe ich mit meiner Frau und ihrem Bruder in Marseille gesprochen.«
Marek bot ihm einen Platz an, winkte nach dem Kellner und gab die Bestellung auf.
Ivo erzählte inzwischen Claudia, dass er endlich aus seinem Leben etwas machen wollte und der Investor interessiert sei.
»Ein Algerier?«, mischte sich Marek in das Gespräch ein.
»Mustafa Moussa. Ihm gehören Restaurants in Marseille und Nizza. Mein Schwager kennt ihn und hat den Kontakt vermittelt.«
»Mustafa Moussa, nie gehört«, sagte Marek. »Was ist der Plan?«
»Eine Kette von T-25-Studios aufmachen. Eins in Monaco, das ich leiten würde, das in Marseille würde mein Schwager übernehmen, und dann noch ein paar Franchise-Studios als Kette. Über die Franchise-Gebühren könnten wir schnell an Kohle kommen.«
»Was ist T-25?«, fragte Claudia neugierig.
»Das coolste Fitnessvideoprogramm aus den USA. Die Einheiten dauern nur 25 Minuten, und der Fokus liegt entweder auf …«
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