ihm folgend sieht man nicht seine Rückseite.
Wer erfasst den SINN des Alten,
kann damit beherrschen das Sein des Heute
und kann die Uranfänge erkennen:
Das ist des SINNS durchgehender Faden.
15. Wie das Leben sich zeigt
Die vor alters tüchtig waren als Meister,
waren im Verborgenen eins mit den unsichtbaren Kräften.
Tief waren sie, so dass man sie nicht kennen kann.
Weil man sie nicht kennen kann,
darum kann man nur mit Mühe ihr Äußeres beschreiben.
Zögernd, wie wer im Winter einen Fluss durchschreitet,
vorsichtig, wie wer von allen Seiten Nachbarn fürchtet,
zurückhaltend, wie Gäste,
einfach, wie unbearbeiteter Stoff,
weit waren sie, wie die Tiefe,
undurchsichtig waren sie, wie das Trübe.
Wer kann (wie sie) das Trübe durch Stille allmählich klären?
Wer kann (wie sie) die Ruhe durch Dauer allmählich erzeugen?
Wer diesen SINN bewahrt,
begehrt nicht Fülle.
Denn nur weil er keine Fülle hat,
darum kann er gering sein,
das Neue meiden
und die Vollendung erreichen.
Wenn wir die äußerste Selbstenteignung erreicht,
die Stille unerschütterlich bewahren,
so mögen alle Wesen zugleich sich regen:
wir schauen zu, wie sie wiederkehren.
Der Wesen zahllose Menge entwickelt sich,
doch jedes wendet sich zurück zu seiner Wurzel.
Zurückgewandt sein zur Wurzel: das ist Stille.
Stille: das ist Rückkehr zur Bestimmung.
Rückkehr zur Bestimmung: das ist Ewigkeit.
Die Ewigkeit erkennen: das ist Weisheit.
Wer die Ewigkeit nicht erkennt, der handelt blindlings und unheilvoll.
Erkenntnis der Ewigkeit bringet Duldsamkeit.
Duldsamkeit bringet Edelsinn.
Edelsinn bringet Herrschaft.
Herrschaft bringet himmlisches Wesen.
Himmlisches Wesen bringet den SINN.
Der SINN bringet Dauer.
Ist das Ich nicht mehr, so gibt es keine Gefahren.
Herrscht ein ganz Großer, so weiß das Volk nur eben, dass er da ist.
Mindere werden geliebt und gelobt,
noch Mindere werden gefürchtet,
noch Mindere werden missachtet.
Vertraut man nicht genug,
so findet man kein Vertrauen.
Wie überlegt waren jene im Werten ihrer Worte!
Die Werke wurden vollbracht, die Arbeit wurde getan,
und die Leute im Volk dachten alle:
„Wir sind selbständig.“
Der große SINN ward verlassen:
so gab es Sittlichkeit und Pflicht.
Klugheit und Erkenntnis kamen auf:
so gab es die großen Lügen.
Die Blutsverwandten wurden uneins:
so gab es Kindespflicht und Liebe.
Die Staaten kamen in Verwirrung und Unordnung:
so gab es treue Diener.
19. Rückkehr zur Echtheit
Gebt auf die Heiligkeit, werft weg die Erkenntnis:
Und das Volk wird hundertfach gewinnen!
Gebt auf die Sittlichkeit, werft weg die Pflicht:
Und das Volk wird zurückkehren zu Familiensinn und Liebe!
Gebt auf die Kunst, werft weg den Gewinn:
Und Diebe und Räuber wird es nicht mehr geben!
In diesen drei Stücken ist der schöne Schein nicht ausreichend.
So sorgt, dass die Menschen etwas haben, woran sie sich halten können!
Zeigt Einfachheit, haltet fest an der Lauterkeit:
so mindert sich die Selbstsucht, so verringern sich die Begierden.
20. Abseits von der Menge
Gebt auf eure Gelehrsamkeit:
so werdet ihr frei von Sorgen!
Zwischen Ja und Jawohl: was ist da für ein Unterschied?
Zwischen Gut und Böse: was ist da für ein Unterschied?
Was aber alle verehren,
das darf man nicht ungestraft bei Seite setzen.
O Einöde, habe ich noch nicht deine Mitte erreicht?
Die Menschen der Menge sind strahlend,
wie bei der Feier großer Feste,
Wie wenn man im Frühling auf die Türme steigt:
Ich allein bin unschlüssig, noch ohne Zeichen für mein Handeln,
Wie ein Kindlein, das noch nicht lachen kann!
Ein müder Wanderer, der keine Heimat hat!
Die Menschen der Menge leben alle im Überfluss:
Ich allein bin wie verlassen!
Wahrlich, ich habe das Herz eines Toren!
Chaos, ach Chaos!
Die Menschen der Welt sind hell, so hell:
Ich allein bin wie trübe!
Die Menschen der Welt sind so wissbegierig:
Ich allein bin traurig, so traurig!
Unruhig, ach, als das Meer!
Umhergetrieben, ach, als einer der nirgends weilt!
Die Menschen der Menge haben alle etwas zu tun:
Ich allein bin müßig wie ein Taugenichts!
Ich allein bin anders, als die Menschen:
Denn ich halte wert die spendende Mutter.
Des großen LEBENS Form
folgt ganz dem SINN.
Der Sinn wirkt die Dinge
unsichtbar, unfasslich!
Unfasslich, unsichtbar
sind in ihm Bilder!
Unsichtbar, unfasslich
sind in ihm Dinge!
Unergründlich, dunkel
ist in ihm Same!
Dieser Same ist die Wahrheit.
In ihr ist der Glaube.
Von Anbeginn bis heute
ist sein Name nicht zu entbehren,
um zu verstehen aller Dinge Entstehung.
Und woher weiß ich,
dass aller Dinge Entstehung so beschaffen ist?
Eben durch ihn.
„Was halb ist, wird voll werden.
Was krumm ist, wird gerade werden.
Was leer ist, wird gefüllt werden.
Was alt ist, wird neu werden.
Wer wenig hat, wird bekommen.
Wer viel hat, wird umnebelt werden.“
Also auch der Berufene:
Er umfasst das Eine
und ist der Welt Vorbild.
Er will nicht selber scheinen,
darum wird er erleuchtet.
Er will nichts selber sein,
darum wird er herrlich.
Er rühmt sich selber nicht,
darum vollbringt er Werke.
Er tut sich nicht selber hervor,
darum wird er erhoben.
Denn wer nicht streitet,
mit dem kann niemand auf der Welt streiten.
Was die Alten gesagt: „Was halb ist, soll voll werden“,
ist fürwahr kein leeres Wort.
Alle wahre Vollkommenheit ist darunter befasst.
Seine Worte selten machen,
dann geht alles von selber.
Ein Wirbelwind dauert keinen Morgen lang.
Ein Platzregen dauert keinen Tag.
Und wer ist es, der diese wirkt?
Der Himmel und die Erde.
Wenn nicht einmal der Himmel und die Erde in solchen Dingen Dauer haben,
wieviel weniger der Mensch.
[Darum: Wenn du an dein Werk gehst mit dem SINN,
so wirst du mit denen, so den SINN haben, eins im SINN,
mit denen, so das LEBEN haben, eins im LEBEN,
mit denen, so arm sind, eins in ihrer Armut.
Bist du eins mit ihnen im SINN,
so kommen dir die, so den SINN haben, auch freudig entgegen.
Bist du eins mit ihnen im LEBEN,
so kommen dir die, so das Leben haben, auch freudig entgegen.
Bist du eins mit ihnen in ihrer Armut,
so kommen dir die, so da arm sind, auch freudig entgegen.
Wo aber der Glaube nicht stark genug ist,
da findet man keinen Glauben.]
Wer auf den Zehen steht,
steht nicht fest.
Wer mit gespreizten Beinen geht,
kommt nicht voran.
Wer selber scheinen will,
wird nicht erleuchtet.
Wer selber etwas sein will,
wird nicht herrlich.
Wer selber sich rühmt,
vollbringt nicht Werke.
Wer selber sich hervortut,
wird nicht erhoben.
Er ist für den SINN wie Küchenabfall und Eiterbeule.
Und auch die Geschöpfe alle hassen ihn.
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