Der Anleitung zur Richtigen Meditation habe ich in meiner Abhandlung viel Raum gegeben und vielleicht haben Sie diesen Textabschnitt zur Richtigen Atmung und Richtigen Meditation schon als belastend und sogar als überflüssig empfunden. Das Thema Meditation habe ich mit dem Kapitel Meditation – Sammlungs- und Konzentrationsfähigkeit begonnen. Gleich im ersten Abschnitt erwähnte ich, warum Meditation überhaupt notwendig ist und was wir mit ihrer Hilfe erreichen wollen.
Ich schrieb: „Unser vorrangiges Ziel wird sein, den Geist zur Ruhe zu bringen und ihn anschließend zu kultivieren. Wir wollen eine Harmonie im Geiste anstreben, den Geist klar werden lassen. Haben Sie das erreicht, dann können wir uns sammeln und auf ganz bestimmte Aufgabenstellungen konzentrieren.“
Erst wenn wir den Weg dahin begriffen haben und durch häufiges Üben beherrschen, werden wir mithilfe der Meditation weitere Ziele erreichen können.
Nun kennen wir die Regeln zur Meditation der Leere:
den Geist zur Ruhe bringen
unseren Geist kultivieren
Harmonie im Geist anstreben
den Geist klar werden lassen
Jetzt wollen wir uns sammeln und uns auf ganz bestimmte Themenkomplexe konzentrieren. Diese Vorgehensweise bezeichnet man als Kontemplation bzw. kontemplieren.
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Das von mir gewählte Wort Ohmm ist vom Om, auch Aum, hergeleitet. Om ist eine Silbe in der Sanskrit-Sprache. Die Silbe gilt bei Buddhisten als heilig. Für unsere Zwecke (die Einleitung zu unseren Meditationssitzungen) wollen wir dem Begriff aber keine weitergehende Bedeutung zuweisen, lassen das „Ohmm“ leer, leer von jeglicher Begrifflichkeit.
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Kontemplation nach der Meditation
Die Entfaltung der Einsicht
Nachdem wir uns mit der Meditation so weit vorangebracht haben, nutzen wir jetzt unseren klaren Geist – und zwar außerhalb der Meditationssitzungen. Es ist schön, wenn wir während einer Meditationssitzung einen klaren Geist besitzen und innere Ruhe und Harmonie erreichen. Wir können aber nicht den ganzen Tag mit Meditieren zubringen. Auch außerhalb der Meditation sollten uns all die positiven Errungenschaften unbedingt erhalten bleiben. Das geht – das kann man hinbekommen. Nach 3-4 Wochen sollten Ihre Gehirnzellen mit der neuen neuronalen Vernetzung gut vorangekommen sein. Wir werden weiterhin unbeirrt die Meditation der Leere praktizieren und bewusst keine Lehrsätze oder philosophische Gedanken in unsere Meditation einfließen lassen.
Die Meditation dient der Entfaltung unserer Gemütsruhe. Weitergehende Erkenntnisse werden wir uns ausschließlich außerhalb unserer Meditationssitzungen aneignen, und zwar bevorzugt im Anschluss daran, wenn wir hoch konzentriert sind und über einen klaren und beruhigten Geist verfügen. Diese immer außerhalb der Meditation stattfindende Phase nennen wir Kontemplation. Kontemplation bedeutet innere Sammlung, beschauliches (im Sinne von besinnlich) und feinfühliges Nachdenken und geistiges Sichversenken in etwas. In dieser Phase soll sich bei uns Einsicht entfalten.
⇒ Meditation =Beruhigung des Geistes – Entfaltung der Stille
⇒ Kontemplation =besinnliches Nachdenken – Entfaltung der Einsicht
In dieser Phase der Kontemplation sollten Sie alle Puzzleteile im Geiste immer wieder aufs Neue und immer wieder anders kombinieren. Denn jedes Teil passt eventuell auch an ein anderes und ergibt dann für uns ein neues Bild, vielleicht sogar eines, das bei Ihnen die Erleuchtung auslöst. Deshalb empfehle ich, sich alle Puzzleteile nicht nur einmal im Geiste zusammenzustellen, Texte wie diesen nicht nur einmal zu lesen, sondern das Lesen solcher Texte und das geistige Eintauchen in die Thematik des Öfteren zu wiederholen. Immer wieder neue Überlegungen und Denkanstöße zu buddhistischen Themen bringen irgendwann unerwartet den Erfolg, die Einsicht, das Erwachen, die Erleuchtung. Kontemplation – das besinnliche Nachdenken – können Sie in Ihrem Sessel zu Hause genauso wie auf einer Bank im Park oder in der Bahn praktizieren. Sie können aber auch im Anschluss an Ihre Meditationssitzung in gleicher Haltung zum besinnlichen Nachdenken übergehen. Äußerlich braucht man Ihnen nicht ansehen, ob Sie meditieren oder besinnlich nachdenken. Die Art und Weise, wie Sie besinnlich nachdenken, ist Ihnen absolut freigestellt und bedarf keines besonderen Rituals.
Lassen Sie uns auf den folgenden Seiten intensiv nachdenken – zuerst über unseren eigenen Geist als unseren schlimmsten Feind, dann über unseren Geist als unseren besten Freund – bevor wir in die Lehre Buddhas tiefer einsteigen.
Der Geist – unser schlimmster Feind
Wir haben in den vorangegangenen Meditationsübungen bereits erfahren können, wie eigensinnig unser Geist mit der Gedankenproduktion und wie ungestüm er mit den Gedankenblitzen verfährt. Und obwohl unser Geist uns so nah und ein wesentlicher Bestandteil von uns ist, kann er uns doch von einem zum anderen Augenblick in allergrößte Not bringen. Er kann uns in alle nur denkbaren Gemütszustände reißen und uns zu ungeheuerlichstem Blödsinn verleiten. Er kann uns beunruhigen, nervös und unkonzentriert machen, in uns Ängste und Sorgen schüren. Er kann uns hinterhältig und verschlagen agieren lassen. Schlimmer noch: Als wäre er unser ärgster Feind, kann unser Geist uns absolut zerstörerisch und mutwillig zu den bösesten Gedanken verleiten. Er kann uns die schlimmsten Handlungen planen lassen und uns zu deren Ausführung motivieren. Ungeheuer groß ist die Palette der Schäden, die wir dabei anderen Menschen zufügen können. Unser Geist kann wahrlich unser schlimmster Feind sein. Wir sind es folglich selbst, die unser Unglück und Leid produzieren. Es geschieht in uns. Sie müssen bei der Frage nach dem Verursacher Ihres Unglücks und Leids mit dem Finger auf sich selbst zeigen. Genau genommen müssten Sie mit dem Finger an Ihren Kopf tippen. Das ist die Wahrheit, das versucht der Buddhismus uns mit seiner Lehre zu vermitteln.
Der Geist – unser bester Freund
Die Lösung ist eigentlich ganz banal: Wenn unser Geist unser schlimmster Feind sein kann, dann sollten wir dem etwas entgegensetzen und überlegen, ob wir unseren Geist nicht auch zu unserem besten Freund machen können. Ein Freund, der uns nicht ins Verderben, ins Unglück und Leid treibt, sondern der uns hilft, alle Widrigkeiten des Lebens zu meistern und glücklich und zufrieden durchs Leben zu gehen, trotz allen Ungemachs. Lassen Sie uns unseren Geist zum Freund und Beschützer machen, lassen Sie uns alles Feindliche aus unserem Geist verbannen.
Versuchen Sie ab jetzt, eine Art Zuchtmeister, Kontrolleur Ihrer Gedanken zu sein. Als oberste Kontrollinstanz bestimmen Sie selbst, wann Sie innere Ruhe und Harmonie wünschen. Wir wollen die Kultivierung unseres Geistes vorantreiben. Widersetzt sich Ihr Geist, gleich aus welchem Grund, dann erzwingen Sie die innere Ruhe und Harmonie des Geistes durch die Meditation der Leere – und zwar immer wieder, bis es gelingt.
Empfinden Sie Ihren Geist als angenehm und förderlich, als konzentriert und aufmerksam im positivsten Sinne, dann nutzen Sie ihn entsprechend für Ihre Alltagstätigkeiten und auch für das Studium und die praktische Anwendung buddhistischer Grundsätze.
Sind die Gedanken kreativ und richtig gut, gar brillant, dann bringen Sie diese unverzüglich zu Papier, egal wie spät es ist, auch nachts um vier Uhr. Wenn Sie solche Momente untätig verstreichen lassen, sind diese kreativen und überaus positiven Ideen oft für alle Zeiten verloren. Später ärgern Sie sich, dass Sie sich nicht mehr erinnern können, Ihnen die Ideen nicht nochmals einfallen.
Geschieht in Ihrem Kopf Gegenteiliges, sind Gedanken negativer Natur, dann versuchen Sie zu analysieren, was die Ursache dafür sein kann, z. B. Eifersucht, Begierde, Wut – und unterbinden Sie derart negative Gedanken unverzüglich. Negatives Gedankengut gehört künftig nicht mehr zu Ihrem Repertoire.
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