Matthias Sprißler - Der Kinderdieb

Zuhause dagegen lag das ganze Familienleben wie unter einer dicken Nebeldecke brach. Stefanie und Helen durften nicht mehr zur Krabbelgruppe, die Nachbarin, eine pensionierte Kindergärtnerin und Inbegriff an Zuverlässigkeit wurde von Richard mit unfreundlichen Worten des Hauses verwiesen, als sie kurz vorbeigeschaut und nach etwaigen Terminen zum Babysitten gefragt hatte. Der Kinderarzt wurde gewechselt, die Anmeldung für den Kindergarten zurückgezogen.

Stefanie war ratlos und unsicher. Es wurde dann noch schlimmer, als Anfang Dezember mehrfach ein dunkelblauer Alfa mit kalabrischem Kennzeichen in der nächsten Seitenstraße geparkt und von Richard bemerkt worden war. Ab diesem Tag mussten tagsüber die Vorhänge zur Straße hin zugezogen bleiben, Stefanie durfte das Haus selbst zu Besuchen bei ihren Eltern nicht mehr alleine verlassen. Jedes Gespräch mit Dritten über die drohende Entführung hatte Richard ihr nachdrücklich untersagt. Er befürchtete, dass selbst ihr familiäres Umfeld nicht mehr sicher war, ein Informant den eigentlichen Tätern wertvolle Hinweise auf die neuen Lebensgewohnheiten der Familie geben könnte.

Stefanie hielt sich daran, unvorstellbar, wenn aus einem Fehler von ihr dann doch etwas passieren sollte. Noch wenige Wochen zuvor hätte sie eine solche Reaktion weit von sich gewiesen. Auch jetzt noch vor Weihnachten war sie eigentlich davon überzeugt, dass Richard einem Wahn erlegen war, wobei sie die von ihm genannten Indizien aber doch ganz langsam zu verunsichern drohten.

Die Wende brachte dann ein unangekündigter Besuch ihrer Schwiegereltern kurz vor Weihnachten, die sich dabei über ein Verbot ihres Sohnes Richards hinwegsetzten.

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