[Süsse, ich weiss, ich weiss, ich weiss - die Zeiten ändern sich. Es ist an der Zeit, dass wir uns nach irgendetwas Neuem umsehen. Das bedeutet: Du auch. Du sagst, du brauchst einen, der dich führt. Aber du scheinst dich nicht wirklich entscheiden zu können. Ich denke, du solltest es besser genug sein lassen, und dich von mir zum purpurfarbenen Regen führen lassen. Purpur-Regen, Purpur-Regen Purpur-Regen, Purpur-Regen]
Ja, vielleicht sollte ich mich führen lassen, die Arme des Drummers sehen mich dafür vielversprechend an, was für ein Gedanke? Angie! Kurz, sehr kurz seine braunen Haare, jedenfalls wärmen die nicht so, wie meine. Er sieht schon scharf aus. Angie, es reicht! Und doch vergebe ich mir, ich muss wieder zu leben beginnen – definitiv und es ist bestimmt neu , da behält Prince Recht!
Die Menge tobt, die Hitze auch. Die Band begibt sich in eine wohlverdiente Pause. „Hi“, durchbricht der smarte Drummer meine Zweisamkeit mit der Box. „Netter Beat“, grinse ich. Ja, ich kann noch lächeln!
Er hält mit seiner rechten seine kalte Wasserflasche quer zu meiner, stößt an und kommt verdammt nahe an mein rechtes Ohr: „Hi, Angie, ich bin Larus. Larus Harmannson Endlich stehst du vor mir.“ Mein Gehör weckt meinen Verstand, woher kennt Larus meinen Namen.
Der Drummer lächelt und meine Augen signalisieren bestimmt meine Überraschung, denn er klärt mich auf: „Du läufst fast jeden Tag, bei jedem Wetter unten in der Bucht an einem bläulichen großen Haus mit weißer Veranda vorbei. Das ist meines. Wir sind fast Nachbarn. Seit einem knappen Jahr.“ Er nimmt einen Schluck von seinem Wasser, meine Gelegenheit: „Und was weißt du nicht über mich?“ Nun spricht die Überraschung aus seinen blauen Augen, zufrieden und stolz mein Empfinden, wenn auch keine Leidenschaft. „Nichts weiter. Weiß nicht, wer du bist oder woher du kommst? Nichts sonst weiß ich, du flitzt ja immer vorbei. Aber deine Figur, die erkenne ich auch bei Nebel, spitze!“, begeistert sich ein Mann.
Verlegen? Nicht ich: „Dann ist dir ja das Beste bislang entgangen!“, und nun nehme ich einen Schluck und verharre mit meinen Augen an den seinen.
Die Band muss zurück auf die Bühne. Eigentlich wollte ich nicht zu diesem „Dorffest“ und nun bin ich beruhigt, es gewagt zu haben.
Bis zum Ende halte ich in meiner Rokker-Jeans und dem schwarzen engen Trägertop durch. Ja, das Leben macht doch noch Spaß.
So schlendere ich zu meiner Boss Hoss. John hat sich das Teil im Frühling vor einem Jahr zugelegt und er hat immer gesagt, die zieht, da kann sich jede andere verstecken. Und jetzt weiß ich, dass sie wirklich zieht ! Meine Erinnerung an das Harley-cruisen in den Dolomiten flammt auf, Ron liebt die Geschwindigkeit, nur eine Boss Hoss hat er nicht. Wieder lächle ich. Ich mach mich doch gut, beginne zu leben.
Meinen Helm erlöse ich aus dem Schloss an der Seite des Bikes und werfe meine langen Locken hinter mich, da erkenne ich Larus. Er steht auf der anderen Seite der Boss Hoss und mir gegenüber. „Geiles Gerät, du fährst schnell, hörst du? Ich habe dich beobachtet.“ Jetzt lächelt nur mein Gesicht. „Also weißt du ja eine Menge mehr!“, nicht vorwurfsvoll und doch mein Vorpreschen . Meinen Kopf neige ich zur Seite und ich versuche wieder zahm zu wirken. „Das Ding ist eben wie ich, rasant und gut in Form!“ Shit , das war nicht zahm, aber das Spiel gefällt mir – wohl immer noch.
Ich lege meinen Helm in diese Drummerhände. Schwinge mich aufs Bike und starte, ergreife das Monster von Lenker und dann schreie ich förmlich: „Ja, geiles Gerät, eben so eine Leidenschaft!“ Ich brause davon.
Kein Helm, nur das Bike und ich. Ich teile diese Nacht mit Leidenschaft. Im Rausch. Vielleicht auch mit Geschwindigkeit. Ich zügle nicht.
Hörst du, zwei Worte, die ich immer wieder hörte. Nur zwei Worte, die mich immer wieder an Grenzen brachten. Meine Hand am Gas und ich verspüre unbändigen Druck. Er presst mich fester und ich ziehe vorwärts. Die Straße verschwimmt im Licht des Scheinwerfers: Kurvig, nicht ganz so, wie einst auf Ibiza. Doch zumindest so, dass mich Kurven schüren. Mich zu konzentrieren, meine Schenkel zu kontrollieren.
Gedankentwist
Ibiza vorigen Sommer:
Ich fuhr den Caterham, der mir zuvor zum Verhängnis wurde, der Wahnsinn:
Neben mir?
Nicht Richy, Ivan hat seine Position eingenommen.
Barfuß, so frei fühlt sich also Aluminium an. Hart der Widerstand der Kupplung, doch ich trete härter. Kurz die Wege der Schaltung, kommt mir gerade recht. Ungeduldig die Kurven vor mir, jede will die Engste auf dieser Straße sein. „Ja, ich kann’s noch“, lächle ich nun doch wieder, nicht die Straße an, mehr Ivan, der sichtlich erstaunt mein Handeln verfolgt. Fest das kleine Lenkrad in meiner Hand. Gezügelt die PS in meiner Macht.
Fliehkraft zwingt mich, ihr entgegenzuhalten, um meine Gedankentwiste um Ron zu befreien.
Und ja, es gelingt ihr, ich habe Spaß an diesem Untersatz. Adrenalin, ich kann es nicht leugnen, es echauffiert, treibt mich. Rasanter das Tempo, energischer mein Temperament. Schier unverwüstlich diese Kurven, autoritär schalte ich zurück, um erbarmungslos die Fliehkraft in ihre Grenzen zu pressen. Ivans Blick, nicht mehr erstaunt, eher versteinert. Gnadenlos mein Blick, gerichtet auf den Verlauf der Straße. Kühn?
Gewagt?
Gebieterisch?
Da ist er wieder der Twist meiner Gedanken. Eine helle Fläche erliegt neben dem dunklen Bankett. Wahrscheinlich nur eine Werbetafel. Beinahe so, wie der Blondschopf vor einem Jahr in Kuba an Rons Lenden. Damals sagte Ron auch diese beiden Worte: Hörst du .
Gedankentwist
Kuba vor einem Jahr:
Nicht zu wissen was ich hier tue, gebe ich mich meinem Schicksal hin – habe ich eine andere Wahl?
Erwartung breitet sich über mich. Nicht meine Hände nur meine Augen werden nun von hinten befreit. Abrupt endet meine Leidenschaft. Vor mir erkenne ich Ron.
Mit Gewissheit schrecke ich zusammen.
Nein, ich blicke nicht hinter mich, zu weh tut mir, das was ich vor mir sehe. Big Joes Mädchen, ihr blonder Schopf spielt am Becken von Ron. In der nächsten Sekunde bäumt sich Ron auf, in der einen seine Zigarre in der anderen ergreift er den Blondschopf tiefer. Sichtlich zufrieden lehnt er sich wieder zurück und sieht mich an.
Meinen Blick wende ich zu Boden – erst jetzt. Die Blondine verlässt das Zimmer gemeinsam mit Ernesto. Zufrieden?
Bestimmt nicht, nie und nimmer. Immer noch gefangen, kommt Scham über mich, das wollte ich nicht. Das gefällt mir nicht. Langsam erhebt sich Ron und befreit mich – endlich. Nichts, ich sage nichts, hülle mich in eine Decke und verlasse den Raum, um nun auf die zuvor nicht erreichte Terrasse, ja es ist eine Terrasse, zu flüchten.
Ich weine. Nicht laut, aber intensiv. Alleine lausche ich der Meeresbrandung und fühle mich verlassen. Verlassen von all dem, das mir wichtig ist.
Ron steht hinter mir, nicht viel Raum ist zwischen uns, aber genug, um meinem Scham nicht zu nahe zukommen. „Ich war böse, es tut mir leid, aber Big Joe erwartet das von mir“, äußert ruhig formuliert Ron seinen Satz.
„ Das ist eine jämmerliche Erklärung, lass mich alleine!“, pfaucht es aus mir und meine Tränen verstecke ich nicht.
…
„ Angie, letzte Nacht, vergiss sie bitte, hier ist es gefährlich und ich muss diesmal auch auf dich achten“, Ron klingt tatsächlich besorgt, irgendwie eigenartig? Er setzt fort: „Damals habe ich meine Tochter verloren, Kim wird mir das nie verzeihen. Also bitte, wenn mir etwas passiert, traue nur den beiden, Lobato und Orta, hörst du?“ Ron wirkt offenherzig und sehr bestimmt, er nennt die Namen nochmals ganz langsam.
Читать дальше