Gay S. Hunter
Soldatatenspiele
Hemmungslos
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Gay S. Hunter Soldatatenspiele Hemmungslos Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog: Tom
Prolog: Momo
Dezember 2013: Amman
Dezember 2013: Amman
Januar 2014: Amman
Sommer 1989: Im Zoo
Februar 2014: Amman
April 2014: Amman
Sommer 1989: Ein Sommergewitter
April 2014: Amman
Momo erinnert sich als Tom an den Sommer 1989
Ende April 2014: München
3. Mai 2014 – 2.14 Uhr: Frankfurt, Mainzer Landstrasse
03. Mai 2014 – 8.00 Uhr: Frankfurt
03. Mai 2014 – 8.00 Uhr: München
03. Mai 2014 – 11.00 Uhr: Frankfurt
03. Mai 2014 – 12.30 Uhr: Frankfurt
04. Mai 2014 – 6.00 Uhr: Frankfurt
04. Mai 2014 – 13.00 Uhr: Frankfurt
04. Mai 2014 – 15.00 Uhr: Frankfurt
Epilog: Bad Homburg, 16. Juni 2014
Impressum neobooks
Wenn ich träume, wird es in meiner Nähe gefährlich: Ich rede, schreie und rudere dann gerne wild mit den Armen. Wenn jemand neben mir liegt, kann es passieren, dass ich nach ihm greife und ihn vielleicht sogar schlage. Das ist auch für mich anstrengend, ich wache dann Schweiß überströmt auf. Als Kind bin ich oft mitten in der Nacht weinend aufgewacht. In wiederkehrenden Träumen jagen mich irgendwelche gruseligen Gestalten durch die Nacht. Oder ich wurde von einer unheimlichen Alten, die mich an eine meiner Verwandten erinnerte, in einem gelben Backsteinhaus gefangen gehalten. Solche Träume habe ich zum Glück nicht mehr – anstrengend sind meine Nächte allerdings immer noch. Ich träume von meinem ersten Mann in meinem Leben, einem amerikanischen Soldaten, der mich in die körperliche Liebe zwischen Männern eingewiesen hatte, mein Lehrmeister wahr.
Was ich an Träumen mag, ist ihre visuelle Kraft. Bilder haben mich schon immer sehr beeindruckt. Heute nutze ich meine Träume als Quelle für Erinnerungen. Früher habe ich meine Träume auch aufgeschrieben und an ein paar von ihnen lasse ich den Leser teilhaben.
Aber diese Träume sind Vergangenheit, meine Vergangenheit.
Ich bin ein minimalistischer Mensch. Abends beim Bier behaupte ich gern, dass ich keine 28 Schokoladensorten bräuchte und überhaupt von allem zu viel da sei in unserer Welt. Ich vergesse dabei die Fahrräder. Ich bin grundsätzlich anfällig für alle Fahrradsorten, bin froh über die Vielzahl, will sie kaufen, besitzen, sie wenigstens im Keller haben, auch wenn ich sie sehr selten mal fahre.
Einzig das Genre Klapprad, die mit den kleinen Rädern, hatte mich bislang völlig kaltgelassen. Für mich fuhren damit Lehrer, die sich kindhaft geben wollen. Ich selbst bin Ingenieur. Das erste Klapprad, das ich als Erwachsener fuhr, zog ich aus einer Art Bahnhofsschließfach. Es war ein Leihrad, die Firma heißt Brompton Dock. Dass es pink-lila sein wurde , hatte mir vorher niemand verraten. Ich war für 2 Monate beruflich in London. Die berühmten Boris Bikes, benannt nach dem Bürgermeister, fand ich zu klobig. Dann lieber diese Falträder von Brompton, gebaut nahe London. Fast jeder zweite Londoner Radfahrer hat so eins, sie nehmen es überall mit rein, ins Pub, ins Kino. Wen man in Marseille ist, trinkt man ja auch mal Pastis, selbst wann man Anis nicht mag.
Wenn man so ein Rad fährt, das war die Erkenntnis des ersten Tages, merkt man gar nicht, wie klein es ist. Am zweiten Tag entfalte ich das Rad so verkehrt, dass ich es unterm Arm mit nach Hause tragen musste. Im Pub, ein paar Tage später, lachten mich ein paar Männer aus, wegen der Farbe. Ich verteidigte es, so gut ich eben konnte. Ich mochte es trotz der scheußlichen Farbe. Ich habe eine Schwäche für Fahrräder, die bei Fahrradhipstern in jedem Fall durchfallen würden. Besucher lobten das Rad, es sei weniger hässlich als befürchtet. Dem Ingenieur in mir gefiel, dass das Rad sich in Sekundenschnelle auf- und zuklappen ließ.
Bevor ich aus London abreiste kaufte ich mir so ein Rad – in schwarz. Dieses Rad habe ich auch zu meinem aktuellen Auslandseinsatz in Amman mitgenommen. Zur Arbeit nahm ich nach kurzer Zeit allerdings wieder das Taxi, zu nah kamen mir einige der Autos und Busse. Immer wieder kam es zu tödlichen Unfällen. Kein Spaß.
Ich fahre das Rad nur noch zum Bäcker. Unter Gejohle der Schulkinder, den zum einen sind Fahrradfahrer in Jordanien selten und auf einem solchen Vehikel fällt man auf, wie ein Clown auf einer Beerdigung. Abends nehme ich es immer mit auf mein Zimmer.
Einst wurde eine Geschichte erzählt, die niemandem der sie hörte, jemals wieder aus dem Kopf ging: Am Marktplatz in Downtown Amman war, wie so oft großes Gedrängel. Doch nicht wie sonst, um besonders günstige Hühner oder Lebensmittel zu kaufen, sondern um zuzuhören. Ein junger Mann stellte sich auf ein Podium und erzählte rasch in die Menge: ,,In meiner perfekten Welt gibt es keine alten Menschen, nur junge, hübsche Weiber und kräftige Burschen. Früh des morgens steht man auf und isst, dann soll man seine Arbeiten bis zum Mittag erledigt haben und des Abends geht man in ein gutes Wirtshaus um dort zu essen. Die Straßen sollen ausgebaut sein, die Bäume und Sträucher vernichtet. In meiner perfekten Welt gibt es nur eine einzige Pflicht, nämlich es sich gut gehen zu lassen." Als nächstes kam eine Frau auf die Erhöhung, sie berichtete in ihrer perfekten Welt gäbe es viel Natur, keinen Krieg und gutes Essen. Und als sie mit ihrer Rede geendet hatte, und herunter gestiegen war, ging ein alter Mann auf das Podium zu. Er hatte nur noch weniges weißes Haar, war sehr dünn und holprig unterwegs. Zwei Männer und zwei Frauen halfen ihm auf das Plateau zu kommen. Sofort fing er an zu reden, aber nicht mit einer Mäusestimme, wie man es erwartet – nein, er redete laut und deutlich:
,,Meine perfekte Welt ist diese in der ich lebe. Auch wenn ich zu dumm war, dies zu erkennen. Jetzt bin ich zu alt, ich bin krank und werde noch heute sterben. Als ich aufwuchs war der Krieg gerade gewonnen, ich hatte ein Leben in Fülle und Hülle: Grüne Wiesen, hohe Bäume, sauberes Wasser, viele Tiere. Ich begann eine Arbeit als Schreiner und erhielt regelmäßig Geld. Dabei habe ich auch meine Frau kennengelernt. Gott, habe ich dieses Weib geliebt! Wir heirateten und bekamen drei Kinder. Sie hat mein Leben so unendlich glücklich gemacht. Als sie vor ein paar Monaten starb, ist auch ein Großteil von mir gestorben und jene Krankheit, an der ich nun bald sterben werde, begann in mir zu wachsen. Ich hatte glückliche 63 Jahre zu leben und jetzt erst als alter Narr erkenne ich, was ich hatte in meinem Leben. Ich bitte euch, meine Freunde, seid nicht solche Narren und verschließt eure Augen vor der Schönheit des Lebens. Was würde ich nur geben, wenn ich noch einmal drei Jahre hätte und mich für einen einzigen Augenblick im Wasser spiegeln oder mich ohne Schmerzen ins Gras legen könnte."
Mit diesen Worten fiel der Mann um und war tot. Der junge Mann und die Frau hatten zugehört und ihre Sichtweisen geändert. Sie heirateten, bekamen fünf Kinder und hatten ein restliches glückliches Leben.Und, geht sie dir aus dem Kopf?
Seitdem kann ich den Verrat von Menschen nicht mehr ertragen. Räche mich an ihnen. Und wenn jemand mein Glück bedroht, schaffe ich ihn aus dem Weg.
Es ist jetzt 12 Jahre her. Damals waren wir 14. Natürlich, sich zwölf lange Jahre das Gesicht irgendeinen Menschen zu merken, an dem natürlich auch der Zahn der Zeit nagt, ist nicht selbstverständlich. Wenn es ein ganz besonderer Mensch war, jemand der dich unendlich glücklich gemacht, der dich zum Lachen gebracht, und jemand, der dich verstanden hat, da ist es schon leichter, sich dessen Züge einzuprägen.
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