Anfangs hatte ich ja noch eine sehr nette Lehrerin. Sie akzeptierte und beschützte das ungewöhnliche Mädchen. Sie nahm mein wildes Wesen, die Hexe, in Kauf, und sie setzte sich fürsorglich für mich ein. Ich liebte sie dafür. Besonders praktisch war der gemeinsame Schulweg. Heute würde man sie in dieser Funktion Bodyguard nennen. Ich hing beim Nachhauseweg immer an ihrem Rock oder an ihrer Hand, um vor Übergriffen meiner Mitschüler sicher zu sein. Von meinen zickigen Freundinnen hatte ich ja keine Hilfe zu erwarten und gegen die Übermacht der Burschen war selbst ich Wildfang machtlos.
Die ersten 3 Jahre der Schulzeit waren deshalb noch einigermaßen erträglich. Dann bekamen wir Husti , auch Smokie genannt, als Lehrer. Ein in der Klasse kettenrauchender und andauernd von Husten – nein, Erstickungsanfällen - gepeinigter Riese, der sich ein Drittel einer Unterrichtsstunde vorm Ersticken retten musste und die anderen zwei Drittel rauchte. Husti war dabei als Lehrer so fehl am Platze, wie ein Delphin in der Wüste. Auch meinen Schutzengel auf dem Nachhauseweg hatte ich durch diesen Lehrerwechsel verloren. Immerhin fand Husti heraus, dass ich Legasthenikerin war, also in Rechtschreiben eine absolute Null. Viel mehr wusste man darüber damals nicht. Das einzig Positive aus dieser Schulzeit war folgender Ausspruch von Husti: »Ihre Aufsätze sind sensationell, die wird noch einmal Schriftstellerin, aber sie braucht eine Sekretärin mit guten Rechtschreibkenntnissen.«
Tja, wenn der gewusst hätte, dass man dazu inzwischen nur einen guten Laptop und das entsprechende Programm mit Korrekturmodus braucht. Damit wäre mir damals einiges Leid erspart geblieben. So kam es denn auch, dass ich zwar als recht intelligente Schülerin eingestuft wurde, aber:
„Mit diesen Rechtschreibproblemen kann man sie beim besten Willen nicht aufs Gymnasium schicken.“ Ich konnte meinem Vater die Enttäuschung anmerken. Mein ganzes Leben hatte ich später davon geträumt, Bücher zu schreiben, mit meinen eigenen Texten über die wahre Liebe und Leidenschaft und den von mir selbst erlebten und gelebten Lebensweisheiten.
°
Wird wohl nichts mehr daraus werden, dachte ich, von den Wellen hin und her geschleudert, während der Sturm um mich herum sein Bestes gab. Ich war so entsetzlich müde, und wollte schlafen, hatte aber Angst, nicht mehr aufzuwachen, wenn ich es zuließ, dass ich eindöste.
°
Während meiner Schulzeit war mir das ziemlich egal gewesen. Ich verschlief den Großteil der Schulstunden, sie waren mir einfach zu langweilig. Dies wurde auch zähneknirschend von den Eltern hingenommen, denn vorerst hatten sie ohnehin nicht das Geld, um zwei der sieben Kinder auf eine höhere Schule zu schicken. Meine Schulprobleme waren also eine willkommene Ausrede. Ich gab auf, tat nur mehr das Allernotwendigste und nicht einmal mehr das. Man kann sich vorstellen, dass das trotz der Umstände für eine Direktorentochter ein Desaster bedeutete. Vom Vater wurde ich als Tochter fallengelassen, von der Mutter verhätschelt. Eine Superkonstellation, wie man sich vorstellen kann. Von den Mitschülern wegen meiner schlechten Noten immer mehr gehänselt, so konnte man den Schulfrust ja wenigstens am Kind des Lehrers und Direktors auslassen. Und für mich galt für viele Jahre der Spruch: „Wenn das Selbstvertrauen schon auf dem Nullpunkt ist, tut die Umgebung das Übrige dazu.“
Ich kann mich erinnern, dass ich nach einem Unterschenkelbruch, damals fuhr man noch mit Riemenbindungen aus Metallspiralen, immer wieder Schmerzen vorgetäuscht hatte. Meine uralten Skier mit flachen bzw. kaum gerundeten Spitzen und diesen museumsreifen Bindungen waren mir zum Verhängnis geworden. Ich hatte wieder einmal einen Kapitalsturz gerissen, und dafür war diese Ausrüstung einfach nicht geeignet. Ich trug danach die übliche Zeit lang einen Gips, fand aber heraus, dass ich in dieser Zeit mehr Zuwendung bekam, und von Brüdern und Mitschülern umsorgt wurde. Mein Gips war übersät mit Autogrammen von männlichen Fans. Meine Mutter und damit auch der Arzt mussten auf meine vorgetäuschten Schmerzen reagieren. Mit dem Resultat, dass ich in der Wachstumsphase acht Wochen Gips trug. Ein verkürzter Unterschenkel und eine gekrümmte Wirbelsäule geben heute Zeugnis von der medizinischen Unwissenheit unseres damaligen Hausarztes. Ich war wohl selbst daran schuld, oder doch nicht? Gab es so etwas wie ein Schicksal? Wozu war das wieder gut gewesen?
Inzwischen hielt mich meine Mutter auch erfolgreich von allen pubertären, männlichen Aktivitäten, die ich selbst als Mädchen ja so sehr liebte, fern. Ich durfte weder mit den Gleichaltrigen Fußball spielen, noch der Alpenvereinsjugend beitreten. Ein vermeintlicher Herzfehler diente ihr als Erklärung – genetisch war ich ja ihre Tochter. Trotzdem hatte ich bis zu meinem 10. Lebensjahr beim Skifahren alles geschlagen, was später sogar im österreichischen Nationalteam Rang und Namen hatte. Man wollte mich, die Raubkatze, und meine Brüder sogar in einem Team fördern und finanziell sponsern, denn unsere Familie hätte ja für diese Extraausgaben kein Geld gehabt. Meine Mutter jagte jedoch eine dörfliche Abordnung, die mit einem diesbezüglichen Angebot zu uns gekommen war, mehrmals aus dem Haus. Im Nachhinein trotz allem irgendwie verständlich, war doch mein Vater als Rennfahrer mit dem Motorrad an einen Baum gefahren. Man bedenke, dass es damals nur Lederhelme gab. Er lag danach mit einem Schädelbasisbruch bewusstlos im angrenzenden Feld und ein Freund rettete ihm schon an Ort und Stelle das Leben, indem er all das gestockte Blut mit bloßen Fingern aus seinem Rachen holte. Mein Vater wäre sonst an seinem eigenen Blut erstickt! Endlich im Krankenhaus angelangt, zu dieser Zeit gab es noch kein Rettungssystem, lag er zehn Tage im Koma und war mehr tot als lebendig. Das ganze Tal und besonders auch die Ärzte, bezeichneten es als medizinisches Wunder, dass er diesen Unfall überlebte. Wenn man bedenkt, wie viel Glück man selbst heute, sechzig Jahre danach, in einem solchen Fall braucht, war es damals wirklich das sprichwörtliche Wunder gewesen, dass unser Vater danach überhaupt wieder das Krankenhaus auf eigenen Füßen verlassen konnte. Selbst Jahrzehnte danach sterben genug Spitzensportler an solchen Unfällen. Dennoch, unsere Familie, aber besonders wir Kinder, litten dafür an den Spätfolgen dieses Unfalls noch Jahrzehnte. Selbst positive Erlebnisse wie das Skifahren, das ich wirklich beherrschte, versagte mir meine Mutter deshalb aufgrund dieser Erfahrungen. Man kann ja auch mit Skiern gegen den Baum fahren, nicht nur mit dem Motorrad.
Mit Erfolg verhinderte meine Mutter dann auch noch meine Teilnahme an allen außerschulischen Veranstaltungen wie Skischul-, Landwoche oder andere diverse Ausflüge, die für das Erlernen von gesellschaftlichen Prozessen notwendig gewesen wären. So wurde ich auch nicht an den pubertären sexuellen Lernprozessen beteiligt bzw. dazu eingeladen. Ich war ja in den geeigneten Momenten aufgrund meiner gluckenhaften Mutter verhindert. Man machte also die ersten Erfahrungen mit Masturbieren und anderen erotischen Spielen ohne Rebecca. Ich wusste, man hörte ja so einiges nach der Schulskiwoche auf der Alm oder der Wienwoche im Jugendheim, dass da fast jede Göre bei einer Freundin ihre Hand zwischen die Beine legte, harmlose Mädchenspiele eben. Da ich nie bei diesen Spielen dabei war, man aber doch neugierig war, ob die da überhaupt ein Mädchen oder vielleicht doch ein Bursche war, passten mich einmal vier Mitschülerinnen in der Gerätekammer ab, und unten war mein Rock.
Ich kann mich noch erinnern, dass ich zwischen Entrüstung und Weinen, Frechheit und man interessiert sich ja doch, Aufbegehren und einem gewissen sexuellen Empfinden geschwankt bin.
Als vermeintlich braves Direktoren-Töchterchen musste ich Entrüstung vortäuschen und hätte es doch nicht ungern gesehen, wenn auch bei mir eine Mitschülerin ihre Finger, oder gar ihre Zunge, in meine Möse gesteckt hätte. Wie man sich das eben in der Klasse so gegenseitig vergönnte. Also hielt sich meine Gegenwehr in Grenzen. Und als im Eifer des Scheingefechts die für mich netteste der Mitschülerinnen ihre Finger zwischen meinen heißen Schenkeln versenkte, war es mit meiner Zurückhaltung vorbei.
Читать дальше