Man konnte an den Gesichtern der Deutschen erkennen, wie die Anspannung weg war.
Stefan war erleichtert, dass sein Baugefühl ihn nicht getäuscht hatte, er sagte: „Es hätte mich wirklich erstaunt. So schlechte Menschenkenntnis habe ich nicht. Ich bin kein Branchenkenner, da ich viele meiner Sachen bei C&A kaufe. Aber wenn ich sehe, was du da anhast, alles top, von Boss und Prada. Wenn ich deine Ausstrahlung, deine Allüren, deine Manieren und dein Benehmen sehe, kann ich hundertprozentig davon ausgehen, dass du keinen Job brauchst. Du bist also einer von oben, der aus Langweile das tut, was konträr zu dem ist, was er immer getan hat, oder?“
Zum ersten Mal versuchte Johnny, seine neuen Freunde genau zu betrachten.
Der Stefan sah wirklich aus wie ein Agrarmensch, wie ein Ökotyp. Er war normal groß, vielleicht 1,80 m, dünn mit langen, ungepflegten Haaren und kurzem Bart. Hinter der Fassade konnte man einen schönen Mann sehen, wenn er noch fünf Kilo mehr zunehmen würde. Johnny schätzte, dass er Mitte 30 sein könnte. Er sah locker aus, wie so ein Mensch, der sich wenig um seine Umwelt kümmert, nein besser gesagt einer, der sich nicht kümmert, was seine Umwelt über ihn denkt. Er hatte eine Jeans angezogen und ein schwarzes T-Shirt, das dem Augenschein nach schon mehrmals gewaschen wurde und seine Farbe ziemlich verloren haben. Er trug solche Schuhe, die man hier in Kamerun nur auf dem Second Hand Markt aus Deutschland kriegen konnte. Solche Schuhe, die auch in 100 Jahren immer noch getragen werden können.
Günther war das Gegenteil von Stefan. Zwar nicht so richtig elegant, aber schon ziemlich gepflegt. Seine Haare waren schön geschnitten. Er war ein zurückhaltender Mensch, lächelte hier und da und schaute niemandem wirklich direkt in die Augen. Er war sicher älter als Stefan, aber nicht älter als 42, 43 Jahre. Er sah gebildet aus, mit einer Brille, an der man ihn aus 100 Meter Entfernung als Akademiker erkennen konnte. Er trug eine Jeans, ein kurzärmeliges weißes Hemd und Lederschuhe, die nicht billig aussahen.
Mauritz sah noch sehr jung aus. Er könnte gerade 21 oder 22 Jahre alt sein und sah, wie alle jungen Menschen in diesem Alter, aus wie aus dem Fernsehen. Er hatte um seinen Hals seinen MP3 Player, trug eine Kappe, eine schöne Jeans, T-Shirt und Turnschuhe von Adidas. Er war ziemlich groß und sah sehr sportlich aus. Ja, über ihn war wenig zu sagen. Ein ganz normaler Mann im Wachstum.
Anna, humm Anna, dachte Johnny, könnte er abschleppen. Sie könnte ihm gefallen. So fing Johnny immer an, wenn er eine Frau beschrieb. Wenn es um Frauen ging, war bei ihm die erste Frage „Kann sie mir gefallen?“ Seine Antwort war ziemlich klar: Ja. Sie war ca. 1,74m groß, sehr gepflegt, eine schöne Frisur, sehr schön geschminkt. Sie könnte Anfang/Mitte 30 sein, sah in ihrem schwarzen Rock so aus, als ob sie gut gebaut sei. Beine in Ikonen Form oder in V-Form, volle, muskulöse Oberschenkel, aber nicht dick. Ganz normales Gewicht für ihre Größe. Unten ihrer braunen, gut geschnittenen Bluse konnte man 2 volle und große Brüste erkennen. Sie sah eigentlich schön aus. Man konnte sagen, ja, das ist eine schöne Frau. Es fehlte bei ihr aber die leidenschaftliche, die erotische Ausstrahlung. Aber man konnte erkennen, dass diese Frau auch fantasievoll sein konnte. Sie war offen, interessiert, lachte viel.
Carla war eine Mischung aus allem. Sie war auch ziemlich jung. Vielleicht zwischen 18 und 20 Jahren? Aber sie hatte schon eine sehr starke Ausstrahlung. Sie strahlte nur so vor Selbstbewusstsein. Solche Mädchen, die schon sehr früh wissen, was sie wollen und ihr Ziel stur verfolgen. Man konnte sofort merken, dass sie eine unabhängige Frau war, aber auch noch naiv. Sie musste ca. 165-170 cm groß sein, mit einer guten, afrikanischen Figur. Nicht dünn, nicht dick, aber alles dort, wo es halt hingehört. Sie schaute Menschen direkt in die Augen und in ihren Augen konnte man sehen, wie sie alle Information regelrecht verschlang. Dabei aber stieß sie – so würde man sagen, wenn es um Tiere ginge – unabsichtlich viele Lockdüfte aus, die einen normalen Mann nicht unberührt lassen. Johnny war sich sicher, sie machte es nicht absichtlich, sie war einfach so träumerisch, Menschen, die die Welt noch verbessern wollen und allen vertrauen. Dieser einzige, zufällige, scharfe Blick vorhin hatte bei beiden Spuren hinterlassen, da war sich Johnny sicher.
Während dieser Betrachtung ging das Gespräch unter den vier Passagieren ganz normal weiter. Carla war wieder wach, nur Mauritz hörte seine Musik und beteiligte sich nicht so an dem Gespräch.
„Hast du schon eine Ahnung, in welchem Hotel du dort arbeiten möchtest?“, fragte Anna interessiert.
„Nee, keine Ahnung, vor Ort werde ich auf die Suche gehen“, antwortete Johnny.
„Wie lange willst du dort bleiben und arbeiten?“, fragte Carla.
Johnny überlegte doch ein bisschen und antwortete ohne Carla anzuschauen: „Ich weiß nicht genau, wie lange ich dort bleibe, aber Kribi ist nur ein Zwischenstopp und ein kurzer Trip auf dem Weg zu meinem größten Experiment. Ich gebe mir keine genaue Zeit, um mir keinen Druck zu machen. Ich weiß nur, dass es von Kribi aus einfacher wird, dass zu tun, wovon ich träume.“
Er hatte entschieden, da Carla in ihm etwas ausgelöst hatte, dass er ihr ab nun einfach keinen weiteren Blick zuwenden würde. Er würde versuchen, sie zu ignorieren, gerade um sich noch interessanter zu machen und Carla zu verwirren.
Carla sollte sich fragen: Was los ist? Ob sie ihn vielleicht verletzt hatte, ohne es zu wissen? Dieses Gefühl von Zweifeln und Fragen würde sie verwundbar machen und somit sehr leicht angreifbar. Johnny hatte immer für alles, wenn es um ihn ging, einen Plan. Selten machte er Sachen unbedacht. Etwas in ihm sagte ihm, du musst diese Frau berühren, küssen, streicheln und mit ihr schlafen. Er ahnte, dass die Schwierigkeit der junge Mann Mauritz sein könnte. Johnny vermutete, dass sie ein Paar waren. Natürlich ist das in Kamerun kein Hindernis, im Gegenteil, es ist eine größere Herausforderung.
Er hatte so immer Erfolg bei schwarzen Frauen, hatte Affären mit Frauen gehabt, die in Beziehungen waren. Kam er auch bei den weißen Frauen an? Er sagte sich, er wäre nicht Johnny Win-Win, wenn er diese Herausforderung nicht annehmen würde.
„Und was machst du mit deiner Familie? Du hast doch eine? Frau, Kinder usw. Sie bleiben allein?“, fragte Günther ein bisschen vorwurfsvoll.
Johnny nahm diese Frage als eine gezielte Provokation von Günther, der so versuchte sein Image bei den beiden Frauen zu beschmutzen. Er blieb äußerlich sehr kontrolliert und nett, lachend konterte er mit einer Gegenfrage: „ Gerade du Gunder...“, sofort ging Anna dazwischen: „Nicht Gunder, Günther.“
„Egal, ich nenne ihn einfach Doktor, das ist viel einfacher als Gunder“, entgegnete Johnny und fuhr fort, „gerade du Dr. solltest wissen, dass so etwas möglich ist und die Familie nicht eine Bremse sein sollte auf dem Weg zur Realisierung seiner Pläne. Du bist hier – so würde man in Afrika sagen – unser großer Bruder. Du hast sicher vor uns allen hier eine Familie gegründet. Ich fahre nur nach Kribi. Das ist 150 km entfernt von Douala. Und du? Du bist seit sechs Monaten hier, 6000 Kilometer entfernt von deiner Familie, deiner schönen Frau, deinen Kindern, Eltern usw. Du siehst aber, dass es geht, oder?“
Alle waren auf einmal still. Stefan und Anna wussten, dass Günther getroffen war. Seine Vorgeschichte war ein bisschen schwierig und schmerzhaft. Aber Stefan sah nicht besonders traurig aus. Um seinen Mundwinkel erschien ein kleines Lächeln, als ob er sich freute über das, was Johnny gesagt hatte. Er dachte nur, Günther ist selbst schuld, der Moralprediger, als ob er total rein wäre. Wenn man selber Leichen im Keller hat, sollte man nicht über Leichen im Keller reden.
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