>> Mhm.<<
Wir gingen zu unseren Plätzen, wo auch schon Ben saß, den ich Ethan sofort vorstellte. Die beiden begrüßten sich freundlich und setzten sich wieder. Sie saßen zu weit auseinander, um weiter miteinander reden zu können, doch dafür hatten sie noch das ganze Wochenende Zeit.
Ich hatte ein wenig Angst davor, da Ben nicht einfach war. Er war mein elfjähriger Sohn, der einen IQ von 152 hatte und deshalb ein wenig schwierig war. Er interessierte sich nur für Technik, wobei er sich wirklich bemühte auch mit Menschen zurecht zu kommen, die damit nichts anfangen und nicht mit ihm mithalten konnten. Ethan hatte ihn heute das erste Mal getroffen und auch Emma würde ich ihm heute noch vorstellen, allerdings erst nach der Aufführung.
Es waren nur noch zehn Minuten bis es anfing, als ich plötzlich jemanden auf uns zukommen sah, der mich breit angrinste.
>> Alex, was machst du denn hier?<<
Es konnte nicht noch schlimmer kommen. Ethan musste heute wirklich viel ertragen. Erst lernte er Paul, dann meinen Ex-Mann, dann Ben und nun auch noch Alex und später noch Emma kennen. Dass schlimmste daran waren Julian und Alex an einem Abend, beides Männer mit denen ich etwas gehabt hatte.
>> Emma hat mir eine Karte besorgt, da ich ihren Auftritt nicht verpassen wollte.<<
>> Na dann, viel Spaß.<<
Ich hoffte, dass er sich einfach wieder hinsetzte und es nicht noch schlimmer machte, doch er zog mir einen Strich durch meine Rechnung.
>> Können wir kurz reden?<<
>> Ich wüsste nicht worüber, außerdem sitze ich sehr gut hier.<<
Ich sah, dass ihm meine Antwort nicht passte, da er sein Gesicht grimmig verzog, doch er ließ nicht locker und redete einfach weiter.
>> Du hast mich nicht angerufen.<<
>> Das hatte ich dir auch nicht versprochen. Ich sagte nur, dass ich nachdenken müsse.<<
>> Trotzdem habe ich gewartet und gehofft.<<
>> Du hast mein Vertrauen missbraucht Alex, was für ein Wunder erwartest du?<<
>> Dass du mir noch eine Chance gibst, wir weiterhin Freunde sind und eventuell wieder ein Paar werden.<<
Zum Glück saß Ben weit genug entfernt, damit er das nicht mitbekam, doch Ethan saß direkt neben mir und kochte innerlich vor Wut. Ich spürte, wie er seinen Ärger in Zaum hielt und hoffte, dass er das auch weiterhin schaffen würde.
>> Es tut mir Leid Alex, aber das mit uns wird nie wieder etwas werden und das solltest du langsam begreifen. Du hast Lydia und ich bin jetzt mit Ethan zusammen.<<
Demonstrativ legte ich meine Hand auf seinen Oberschenkel und lächelte ihn entschuldigend an.
>> Du bist wieder vergeben?<<
>> Ja.<<
>> Seit wann?<<
>> Seit ein paar Wochen.<<
>> Mit so einem?<<
Er sah abschätzend zu Ethan runter, der sich nur noch mit Mühe zurückhielt. Meine Hand lag immer noch auf seinem Oberschenkel, die ich kurz drückte, um ihm zu zeigen, dass ich alles im Griff hätte und er ruhig bleiben solle.
>> Alex! Halt dich zurück.<<
>> Wusste nicht, dass du nun wieder auf solche Spießer stehst.<<
>> Es reicht Alex!<<
>> Liebst du ihn?<<
Ich wusste worauf er hinauswollte. Ich konnte ihm in all den Monaten nicht die drei Worte sagen, die ich bei Ethan schon nach so kurzer Zeit gespürt hatte.
>> Ja, dass tue ich.<<
Wieder blickte ich Ethan an, der nun beschützend seinen Arm um mich legte und mich beruhigend anlächelte.
>> Bei ihm kannst du es sagen? Ich habe vergeblich sechs Monate auf diese Worte gewartet, aber ich habe dich nicht gedrängt, immerhin musste Julian fünf Jahre darauf warten.<<
Das Licht erlosch im Saal, sodass sich alle schnell auf ihre Plätze setzten, da die Vorstellung nun begann.
>> Alex geh und setz dich auf deinen Platz und reiß dich verdammt noch mal zusammen, es geht heute Abend nicht um uns, sondern um Emma!<< herrschte ich ihn an, da ich inzwischen vor Wut bebte. Warum konnte er nicht verstehen, dass das zwischen uns nichts mehr werden würde. Ich wollte ihn nicht zurück und ich wollte auch nicht mehr mit ihm befreundet sein, wenn er so weitermachte.
>> Alles ok bei dir?<< fragte Ethan vorsichtig, als Alex sich entfernte und sich auf seinem Platz weiter links hinsetzte.
>> Danke, dass du so ruhig geblieben bist.<<
>> Es fiel mir schwer, aber ich wollte hier keine Szene machen.<<
Ich nickte, als auch schon die ersten Klänge des Stücks vom Schwanensee erklangen. Meine Wut verrauchte mit jedem Klang der Musik ein wenig mehr und war vollkommen verklungen, als die Tänzerinnen und Tänzer auf die Bühne kamen.
>> Welche ist Emma?<<
>> Zeige ich dir nachher, wenn weniger Tänzerinnen auf der Bühne sind.<<
Ethan saß die nächsten drei Akte ruhig in seinem Sitz und verfolgte mit Konzentration die Handlung. Erst im vierten Akt, wo Emma zusammen mit drei weiteren Schwänen den Tanz der vier kleinen Schwäne tanzte, zeigte ich sie ihm.
>> Die zweite von links.<<
Er nickte nur und verfolgte sie mit seinem Blick, während Emma zusammen mit den anderen Tänzerinnen die Zuschauer in den Bann zog.
>> Sie ist wunderschön und so anmutig und grazil.<<
>> Das Ballett ist ihr Leben seit sie vier ist. Endlich kann sie jeden Tag tanzen und irgendwann tanzt sie die Odette.<<
>> Das wird sie.<<
Wir lauschten wieder der Musik und beobachteten weiter wie Emma über die Bühne schwebte, bis Odette und Prinz Siegfried dahinschieden und der Vorhang sich zuzog. Das Publikum stand auf und applaudierte mit Standing Ovations. Immer wieder verbeugten sich die Tänzerinnen und Tänzer, bis das Licht im Saal wieder anging und wir darauf warteten, dass Emma zu uns kam.
Ich redete kurz mit Julian darüber, wie stolz wir auf Emma waren und dass es die richtige Entscheidung gewesen war, ihrem Wunsch, auf ein Internat wie dieses zu gehen, zuzustimmen.
Paul und Jacob verabschiedeten sich schon bevor Emma bei uns war, da sie zu Jacobs Mutter fahren mussten, der es immer noch nicht viel besser ging.
Ben langweilte der ganze Abend ungemein, was man ihm mehr als deutlich ansehen konnte, allerdings riss er sich zusammen.
>> Emma, du warst großartig.<< rief ich als ich sie sah und sie in meine Arme riss. Kurz darauf folgte Julian, der genauso stolz auf sie war und es ihr zeigte.
>> Gut gemacht Schwester.<< zwängte sich Ben gelangweilt über die Lippen, woraufhin sie ihn in die Mangel nahm.
>> Ey, dass ist gemein.<<
>> Ja, aber du hast es verdient Bruderherz.<<
>> Emma, ich möchte dir gern Ethan vorstellen, wir hatten ja schon über ihn gesprochen.<<
>> Hi, ich hoffe, es war nicht zu einschläfernd für Sie.<<
>> Ganz und gar nicht. Ich bin beeindruckt, wie leicht das alles aussah.<<
>> Dann haben wir es richtig gemacht. Es soll leicht aussehen, auch wenn es extrem schwierig und mitunter auch schmerzhaft ist.<<
>> Es war wirklich klasse.<<
>> Danke.<<
>> Ich soll dir von Jacob und Paul auch noch ausrichten, dass du sie beeindruckt hast und es ihnen Leid tut, dass sie schon fahren mussten, aber Pauls Mutter geht es nicht gut.<<
>> Kein Problem. Gott, ich schwebe gerade auf Wolke Sieben. So viel Adrenalin.<<
>> Solange es nur das Adrenalin ist.<< amüsierte sich Julian.
>> Keine Angst Dad. Wen soll ich schon auf einem Sportinternat für Mädchen kennenlernen.<<
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