– Nimmermehr!
– Wie es Ihnen beliebt.«
Damit wurde die Thür zugeworfen und die Eheleute sahen sich in dem niedrigen Raume eingesperrt.
Da regnete es nun grimmige Auslassungen über diese verwünschte Reise, über die Drangsalierungen – von den Gefahren gar nicht zu reden – die das Ehepaar verfolgten: nach der Geldstrafe in Calais der Diebstahl in Great Salt Lake City!… Und welches Pech, diesem Banditen Inglis in die Hände gefallen zu sein!
»An dem ganzen Unheil ist der Schlingel, der Max Real, schuld! rief Herr Titbury. Wir wollten ja unseren Namen erst nach der Ankunft bekannt werden lassen, und der Schurke schreit ihn schon auf dem Ogdener Bahnhofe vor allen Leuten aus! Und dann mußte ihn obendrein auch noch dieser Räuber hören! Was beginnen wir nun?
– Ja, wir müssen eben die dreitausend Dollars opfern… sagte Frau Titbury.
– Nun und nimmermehr!
– Hermann!« antwortete darauf nur die rechthaberische und störrische Gattin. Selbst wenn Titbury bei seiner Weigerung blieb, mußten die Spitzbuben ja im Stande sein, ihn auszubeuteln. Und wenn sie nun sein Geld wegnahmen und ihn dann sammt Frau Titbury in den Crescent River warfen, würde wohl, da kein Mensch etwas von ihrer Anwesenheit in der Stadt wußte, auch nur ein Hahn darum krähen?
Titbury blieb jedoch hartnäckig. Vielleicht erschien ihm Hilfe… eine Abtheilung Miliz, die auf der Straße hinmarschierte, oder wenigstens einzelne Passanten, die er anrufen konnte. Vergebliche Hoffnung! Eine Minute später wurden beide in ein Zimmer geführt, dessen Fenster nach einem geschlossenen Hofe zu lag. Der grimmige Gastwirth brachte ihnen dann etwas zu essen. Es war gewiß nicht zu viel verlangt, im Cheap Hotel für einen Tagespreis von tausend Dollars nicht blos beherbergt, sondern auch verpflegt zu werden.
Unter diesen Verhältnissen verstrichen vierundzwanzig, vergingen achtundvierzig Stunden. Wie die Gefangenen vor Wuth schäumten, läßt sich gar nicht beschreiben. Uebrigens fanden sie nie Gelegenheit, Inglis wieder zu sehen; dieser hielt sich ohne Zweifel discret zur Seite, um nicht den Schein einer Erpressung gegen seine Gäste aufkommen zu lassen.
Endlich verzeichneten die Kalender der Union den 1. Mai. Morgen, noch am Vormittage, sollte sich der dritte Partner in Person im Telegraphenamte der Great Salt Lake City melden. Verfehlte er diesen Zeitpunkt, so verlor er alles Recht auf Fortsetzung der Partie, die sich für die blaue Flagge schon bisher so unheilvoll erwiesen hatte.
Doch nein!… Titbury wollte nicht nachgeben, heute und niemals! Bei der nur noch kurz bemessenen Frist ging Frau Titbury aber mit aller Kraft daran, ihren Willen durchzusetzen. Sie hätte es auch gethan, wenn die Laune der Würfel ihren Gatten in das Gasthaus, das Labyrinth, den Schacht oder ins Gefängniß verwiesen hätte, wo doppelte und dreifache Einsätze zu erlegen waren. Nun, heute lag die Sache ganz ähnlich, und wenn es recht gut ist, sein Geld zu behalten, so ist es doch wohl noch besser, sein Leben zu behalten… und jetzt waren beide auf Gnade oder Ungnade in der Gewalt dieser Schurken. Kurz, hier hieß es: zahlen!
Titbury widerstrebte, in der Hoffnung auf eine unvorhergesehene Hilfe, die freilich ausblieb, noch bis sieben Uhr des Abends.
Genau halb acht Uhr lieh sich Herr Inglis, liebenswürdig und höflich wie immer, anmelden.
»Morgen ist der große Tag, begann er. Es wäre gut, verehrter Herr, wenn Sie sich noch heut Abend nach Great Salt Lake City begäben…
– Wer anders hindert mich daran als Sie? rief dem Ersticken nahe Herr Titbury.
– Ich? antwortete Herr Inglis immer lächelnd. Sie brauchen sich ja nur zu entschließen, Ihre Rechnung zu begleichen…
– Hier!« sagte Frau Titbury, während sie Herrn Inglis ein Bündel Banknoten hinhielt, das ihr Gatte ihr übergeben hatte.
Herr Titbury wäre bald gestorben, als er sah, wie der Schurke das Bündel ergriff und es gemächlich durchzählte. Keines Wortes war er mächtig, als der Räuber dann sagte:

… die östliche Verzweigung der Colloradokette, schöner als die europäische Schweiz… (S. 287.)
»Es ist wohl unnöthig, daß ich Ihnen eine Quittung hierüber ausstelle, nicht wahr?… Doch seien Sie unbesorgt, ich werde Ihnen die Summe gutschreiben. Und jetzt hab’ ich Ihnen mit einem freundschaftlichen Guten Abend nur noch zu wünschen, daß Sie die Millionen des Match Hypperbone gewinnen!«
Die Thür stand offen, und ohne sich weiter aufzuhalten, stürmte das Ehepaar hinaus.
Schon war es fast Nacht und nicht einmal die nächste Umgebung zu erkennen, so daß es kaum möglich war, der Polizei den Schauplatz dieses tragikomischen Auftrittes zu beschreiben. Vor allem galt es jetzt aber, schnellstens nach Great Salt Lake City zu kommen, dessen Lichter man in der Entfernung von drei Meilen (5 Kilometer) den Crescent River stromaufwärts schimmern sah. Herr und Frau Titbury erreichten denn auch nach einer Stunde das Neue Zion, wo sie in dem ersten Hôtel, auf das sie trafen, abstiegen. So theuer wie im Cheap Hotel konnte es hier gewiß nicht sein!
Am nächsten Tage, dem 2. Juni, begab sich Hermann Titbury nach dem Bureau des Sherifs, um seine Klage anzubringen und um die Verfolgung des Robert Inglis anzusuchen. Vielleicht gelang es jetzt noch, diesem die dreitausend Dollars wieder abzunehmen.
Der Sherif – ein recht intelligenter Beamter – hörte aufmerksam die Mittheilungen des Bestohlenen über den Dieb an. Leider konnte Herr Titbury über das »Gasthaus« nur sehr unbestimmte Angaben machen. Er war des Abends dahin geführt worden… des Abends auch von dort fortgegangen. Als er vom Chape Hotel des Crescent River sprach, antwortete ihm der Sherif, daß er ein Gasthaus dieses Namens nicht kenne und daß es einen Crescent River im Lande überhaupt nicht gebe. Es werde also schwierig sein, sich des Uebelthäters zu bemächtigen, zumal da dieser sammt seinen Helfershelfern inzwischen schon entflohen sein dürfte. Selbst wenn man den Burschen eine ganze Compagnie Geheimpolizisten in das berg-und walderfüllte Land nachschicken wollte, würde das sicherlich fruchtlos sein.
»Sie sagten, Herr Titbury, fragte der Sherif, jener Mann heiße…?
– Inglis… der elende Wicht… Robert Inglis…
– Ja, ja, das ist der Name, den er Ihnen genannt hat; in Anbetracht aller Umstände zweifle ich aber nicht, daß es sich um den berüchtigten Bill Arrol handelt. Ich kenne seine Methoden schon längst… das war auch nicht sein erster Versuch…
– lind Sie haben ihn gleichwohl noch nicht verhaftet?
– Noch nicht, erklärte der Sherif; vorläufig lassen wir ihn nur sorgsam beobachten… eines schönen Tages werden wir ihn schon fassen.
– Für mich wäre es die höchste Zeit!
– Ja freilich, doch auch für ihn wird die Zeit kommen, wo man ihn elektrokuliert oder am Galgen aufknüpft…
– Und mein Geld, Herr Sherif, mein Geld…
– Ich bitte Sie, da müßte man den Teufelskerl von Bill Arrol erst erwischen, und das ist kein so leichtes Ding! Ich kann Ihnen, Herr Titbury, nur versprechen, daß Sie ein Endchen von dem Strick, womit er gehenkt wird, erhalten sollen, und wenn die Partie dann noch nicht beendigt wäre, würden Sie sicher sein, sie mit Hilfe eines solchen Talismans zu gewinnen!«
Das war alles, was Titbury bei diesem Original von Sherif der Mormonenhauptstadt erreichen konnte.
Viertes Capitel.
Die grüne Flagge.
Die grüne Flagge war die Harris T. Kymbale’s, die Flagge, die auf den Karten aufgesteckt wurde, um sein Eintreffen in dem oder jenem Staate kenntlich zu machen, und die dem vierten Partner in Uebereinstimmung mit der vierten Stelle im Sonnenspectrum, welche die grüne Farbe einnimmt, zuertheilt worden war. Der Hauptberichterstatter der »Tribune« war damit sehr zufrieden… Grün ist ja die Farbe der Hoffnung.
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