»Ja, ja!< Und halb französisch, halb deutsch sprudelte er nun heraus: Woher ich das wisse? Wer ich wäre und so weiter. Ich sagte es ihm und daß ich ihn für den hielte, den wir damals aufgenommen hätten. Nun hätten Sie den Kerl sehen sollen, Herr Graf. Der küßte mich und umarmte mich, daß mir der Atem verging, mit Tränen in den Augen, und dann sprudelte er einen Schwall von Worten an seine Kameraden, und diese Kerls kamen und drückten mir die Hand, na, um's kurz zu machen - sie ließen uns laufen. Seit dem Tage kommt mir in der Welt nichts mehr wunderbar vor, auch unsre jetzige Situation nicht. Wir sitzen zwar einigermaßen in der Klemme, wie mir scheint, aber ich denke, Herr Graf, wir kommen auch wieder heraus, und wenn nicht, na, gestorben kann nur einmal werden, dann fallen wir als preußische Soldaten mit den Waffen in der Hand.«
»Ja, Heinrich, Kriegskamerad, ist unsre Stunde gekommen, wollen wir auf einem Haufen Feindesleichen sterben.«
Heinrich nickte stumm.
Johnson hatte schweigend der ihm unverständlichen Unterredung gelauscht, er erhob sich und gab den beiden Deutschen den Rat, die Ruhe zu suchen. »Wir haben morgen einen heißen Tag vor uns, Männer, denn der Wilde ist nicht abgezogen, es ist nötig, Kräfte zu sammeln. Versucht zu schlafen.«
Er selbst bereitete sich ein Ruheplätzchen, und Heinrich und der Graf folgten seinem Beispiele. Auch versanken sie nach so großen Anstrengungen bald in einen unruhigen, oft unterbrochenen Schlummer.
Dreizehntes Kapitel.
Vor dem Sturme.
Langsam stieg endlich der junge Tag herauf, grau und farblos. Im Fort war alles ruhig und auch die Wälder lagen ringsum schweigend da. Kein Lüftchen regte sich, kein Laut war zu hören.
Die leichten Wolken im fernen Ost röteten sich, stärker und feuriger ward ihr Glanz und endlich sandte der glühende Feuerball seine ersten Strahlen über die Wälder und hüllte die Wipfel der Bäume in Gold.
Sie trafen die Flagge der Vereinigten Staaten, welche von keinem Lufthauch bewegt von der auf dem Offiziershause befestigten Stange schlaff herabhing, dann spiegelten sie sich in den Scherben der zum größten Teil zerbrochenen Fensterscheiben und fielen in das Zimmer, in welchem die Männer noch schliefen.
Höher stieg der Sonnenball und sandte seine Strahlen auf die stillen Toten nieder, welche im Fort ihren letzten Schlaf schliefen.
In feurigem Widerscheine erglänzte endlich der spiegelglatte, klare See, der wie alles ringsumher so ruhig und friedlich dalag, als habe nie die mörderische Hand eines Menschen sich gegen den Bruder erhoben, als hätten seine Ufer und die Wälder, welche ihn umsäumten, nie das Kriegsgeheul indianischer Horden widergehallt, sei die Stille nie durch den Knall der tödlichen Waffen unterbrochen worden.
Athoree trat mit leisem Schritt in das Zimmer, welches unsre Freunde beherbergte, und berührte leicht Johnsons Schulter.
Augenblicklich schlug dieser die Augen auf und fragte: »Was gibt's?« indem er gleichzeitig nach der neben ihm liegenden Büchse griff.
»Jetzt der tote Mann und Sumach machen, Athoree schlafen,« sagte dieser leise, um die Ruhenden nicht zu stören.
»Recht, Häuptling, du hast genug getan.« [236]
Er erhob sich, um hinauszugehen, als auch Graf Edgar aus seinem unruhigen Schlummer, der von wilden Träumen gestört war, erwachte.
»Ist etwas vorgefallen?« fragte er hastig, als er die beiden Männer vor sich stehen sah.
»Nichts, Sir, wir lösen uns nur ab, der Indianer und ich. Die Nacht ist ruhig verlaufen, Athoree? Nicht so?«
»Ottawa schlafen, nichts sehen, nichts hören.«
Der Graf stand auf.
»Ich will Sie begleiten, Johnson.«
Er nahm seine Büchse und ging mit ihm hinaus, während Athoree sich in einem kleinen Nebengemache zum Schlafe niederlegte.
Sie traten hinaus in den balsamischen Morgen.
Was die Nacht mit ihrem dichten Schleier liebreich verborgen hatte, zeigte nunmehr der Strahl der goldnen Sonne in seiner schrecklichsten Gestalt.
Ein Grausen überlief den jungen Offizier, der doch an den Anblick der Schlachtfelder gewöhnt war, als er jetzt im Tagesscheine sah, wie Beil und Messer der Wilden hier gewütet hatten.
Ringsum lagen die Toten zerstreut, und starre Augen richteten sich aus schmerzverzerrten Gesichtern gen Himmel. Der Boden war mit Blutlachen bedeckt.
Sie gingen umher und ließen ihre Blicke über die entsetzlichen Gruppen schweifen, über Leichname, welche von dem Skalpiermesser der Wilden entstellt waren. In dem als Kaserne dienenden Blockhause hatten sich die Krieger tapfer gewehrt, ehe sie gefallen waren, das sah man an den blutgeröteten Bajonetts der Gewehre, welche die toten Hände noch fest umklammert hielten. Sie schritten weiter und erblickten nun auch die Leichen der Indianer, welche ihre Gefährten am Wall in sitzender Stellung zurückgelassen hatten. Sie waren alle mit Bajonettstichen durchbohrt.
»Sie haben sich verteidigt, die Männer,« sagte der Graf, als er die toten Ottawas gewahrte. »Wie war es nur möglich, Johnson, ein so gut besetztes kleines Festungswerk zu überraschen, daß mit Ausnahme des Sergeanten und seiner wackeren Frau auch nicht ein Lebender von diesem Schreckenstage erzählen kann?«
»Wie die Roten das vollbracht haben, den Kommandanten und seine Mannschaft in solch völlige Sicherheit einzulullen, kann ich mir nicht erklären, denn es ist ihnen verboten, mit Büchsen ins Fort zu kommen, auch wird unter keinen Umständen eine größere Anzahl [237] eingelassen, doch ist der Indianer der schlaueste und verräterischste Krieger, den es geben kann.«
»Und was kann dieser Ueberfall, diese Mordtat, denn weiter ist es doch nichts, bezwecken? Die Wilden wissen doch, wie ich gehört habe, wie furchtbar die Regierung sie zu züchtigen im stande ist. Ihre einsichtsvolleren Männer müssen sich doch sagen, daß sie es nimmer mit den Weißen aufnehmen können.«
»Ich stehe hier vor einem Rätsel. Doch ist der Indianer so unberechenbar, daß ein kleiner Anlaß ihn zu der unbändigen Wut treiben kann, deren traurige Resultate wir hier vor uns sehen.«
Sie gingen auf den Wall hinauf, blickten über den friedlichen See, der im Morgensonnenschein vor ihnen lag, und dann auf die Toten hinunter, welche auf der Plattform am Wasser ruhten.
Johnson zeigte auf Davis' Leiche und sagte: »Das ist der Kommandant dort. Wenn, wie der Indianer wohl ganz richtig vermutet, der Angriff hier vom Wasser aus erfolgt ist, worauf auch die zahlreichen Kanoes schließen lassen, so ist der Kapitän wahrscheinlich gleich anfangs gefallen.«
Mit einer stillen Rührung betrachtete Edgar den Leichnam des unter Mörderhand gefallenen Kameraden, der an Jahren ihm ungefähr gleichstehen mußte.
»Was beginnen wir mit den Leichen, Johnson?«
»Werden sie wohl begraben müssen, Herr, wird nicht angehen, sie so liegen zu lassen.«
»Natürlich nicht, wollen uns hernach ans Werk machen. Hätte nicht geglaubt, auch hier im fernen Amerika solch traurige Handlung vornehmen zu müssen.«
Sie gingen auf dem Walle weiter.
»O,« äußerte der Graf überrascht, »ich sehe mit Vergnügen, daß der Platz auch Geschütz führt.« Und er betrachtete den bronzenen Vierpfünder, welcher ihm unter einem Bretterschutz bis jetzt entgangen war.
Es war ein Hinterlader neuester Konstruktion.
Er blickte dann auf den einsam vor ihm liegenden See hinaus und sagte nach einer Weile: »Dürfen wir annehmen, daß die Wilden abgezogen sind?«
Johnson wies auf die Wälder hüben und drüben: »Von allen Seiten bewachen das Fort scharfe Augen, Herr. Schon diese,« und er deutete mit der Hand auf die Leichen der Indianer, »würden ihre Stammesgenossen veranlassen, zurückzukommen.« [238]
»Können Sie sich nach dem, was wir hier gesehen haben, ein Bild machen, wie stark die Angreifer etwa gewesen sind?«
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