Alfred Assolant - Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran
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- Название:Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran
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- Год:1982
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Les aventures merveilleux mais authentiques du Capitaine Corcoran
Deutsch von Bernhard Thieme.
Der Originaltext ist leicht gekürzt.
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Die Tigerin hatte schon – viel schneller, als ich schießen konnte – ihre zerfetzte Pfote aus dem Rachen ihres Feindes gezogen.
Ihre erste Regung, muß ich sagen, war keine Bekundung des Vertrauens oder der Dankbarkeit. Vielleicht meinte sie, von mir mehr befürchten zu müssen als von dem Krokodil. Sie versuchte zunächst zu fliehen. Doch das arme Tier, nur auf drei Pfoten angewiesen, kam nicht sehr weit. Schon nach zehn Schritten hatte ich sie erreicht.
Ich versichere Ihnen, meine Herren, daß ich schon sehr viel Sympathie für sie empfand. Erstens hatte ich ihr einen unschätzbaren Dienst erwiesen, und wie Sie wohl wissen, gewinnt man seine Freunde viel eher durch die Dienste, die man ihnen erweist, als durch jene, die uns von ihnen erwiesen werden. Und zweitens schien sie mir doch einen guten Charakter zu haben, denn der Scherz, den sie sich mit dem Krokodil geleistet hatte, bewies doch eine natürliche Freude am Spiel; und der Spieltrieb, das wissen Sie ja selbst, meine Herren, ist schließlich charakteristisch für ein gutes Herz und ein ruhiges Gewissen.
Und darüber hinaus war ich allein in einem fremden Land, fünftausend Meilen von Saint-Malo entfernt, ohne Freunde, ohne Eltern, ohne Familie. Mir schien, daß die Gesellschaft eines Freundes, der mir das Leben verdankt, selbst wenn dieser Freund vier Pfoten, furchterregende Krallen und schreckliche Zähne hatte, immer noch besser war als nichts.
Hatte ich unrecht?
Nein, meine Herren. Und in der Folgezeit hat es sich wohl bewiesen.
Als ich mich ihr näherte, entdeckte ich, daß sie kaum auf ihren drei Pfoten stehen konnte und sich deshalb schicksalsergeben auf den Rücken legte, um meinen Angriff zu erwarten. Sie fauchte mich an, bleckte die Zähne, zeigte mir ihre Krallen und schien entschlossen, mich zu verschlingen oder doch zumindest ihr Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.
Aber wir aus Saint-Malo wissen, wie man die wildesten Bestien zähmt.
Ich näherte mich ihr mit einem friedlichen Ausdruck, legte meinen Karabiner griffbereit in den Sand, beugte mich über die Tigerin und streichelte ihr wie einem Kind sanft den Kopf.
Zunächst betrachtete sie mich mißtrauisch, als wolle sie mich prüfen. Aber als sie sah, daß meine Absichten lauter waren, drehte sie sich bäuchlings, leckte sanft meine Hand und streckte mir ihre verletzte Pfote entgegen. Sorgfältig betrachtete ich sie. Der Knochen war heil geblieben; die Zähne des Krokodils waren auch nicht allzu tief ins Fleisch gedrungen, da sich Louison ja in die Zunge ihres Feindes gekrallt hatte.
Sorgfältig wusch ich die Wunde aus. In meiner Jagdtasche steckte ein Fläschchen mit Alkalilauge, wovon ich ihr einige Tropfen auf die Verletzung träufelte. Dann machte ich der Tigerin ein Zeichen, mir zu folgen.
Sei es aus Dankbarkeit, sei es aus dem Wunsch heraus, mit Sachkenntnis verbunden zu werden, sie ließ sich leiten und folgte mir bis zu dem Karren, auf dem die beiden Malaien, die mich begleiteten, vor Angst zu sterben schienen, als sie ihrer ansichtig wurden. Sie fielen förmlich aus dem Wägelchen, und nichts konnte sie bewegen, ihn wieder zu besteigen.
Am folgenden Tag kehrten wir nach Batavia zurück. Cornelius van Crittenden war ziemlich erstaunt, als er mich mit meiner neuen Freundin anrücken sah, der ich sofort den Namen Louison gegeben hatte und die mir durch die Straßen folgte wie ein junger Hund.
Ich blieb acht Tage in Batavia, danach lichtete ich den Anker und nahm die junge Tigerin mit mir, die bis heute meine treue Gefährtin geblieben ist. Eines Nachts hat sie mir sogar in den Gewässern vor Borneo das Leben gerettet.
Meine Brigg wurde drei Meilen vor der Insel Borneo von einer Flaute überrascht. Gegen Mitternacht, als meine Mannschaft, die nur aus zwölf Männern bestand, und ich schlafen gegangen war, stiegen plötzlich etwa hundert malaiische Piraten an Bord und warfen den Bootsmann, der Wache hatte, ins Meer.
Dieser Mord wurde so rasch und lautlos begangen, daß niemand auch nur den geringsten Laut gehört und dem armen Bootsmann zu Hilfe hätte eilen können.
Die Piraten stiegen vom Deck zu meiner Kajüte herab und versuchten deren Tür aufzubrechen. Aber drinnen schlief Louison zu meinen Füßen. Sie war durch den Lärm wach geworden und begann in ihrer unnachahmlichen Art zu fauchen. In zwei Sekunden war ich auf den Beinen, eine Pistole in jeder Hand, mein Entermesser zwischen den Zähnen.
Im selben Augenblick hatten die Piraten die Tür eingeschlagen und waren in meine Kabine gestürzt.
Den ersten erledigte ich mit einem Schlag meines Pistolenknaufs, der zweite fiel durch eine Kugel, den dritten schleuderte Louison zu Boden und tötete ihn durch einen Biß ins Genick, dem vierten spaltete ich mit meinem Entermesser den Schädel. Ich rief meine Matrosen zu Hilfe und versuchte mich zur Brücke durchzuschlagen. Während dieses Kampfes hielt sich Louison prächtig. Mit einem Satz riß sie drei Malaien zu Boden, die mir auf den Fersen waren. Mit einem anderen Satz stürzte sie sich mitten in das Handgemenge. Ihre Bewegungen hatten die furchtbare Wirkung eines Blitzschlages.
In zwei Minuten hatte sie sechs der Piraten getötet. Die Nägel ihrer Krallen dringen wie Degenstiche in das Fleisch der Unglücklichen. Obwohl sie aus drei Wunden blutete, schien sie das kaum zu schwächen; eher stürzte sie sich um so kühner in das Kampfgetümmel und deckte mich mit ihrem Körper.
Endlich erschienen meine Matrosen, mit Revolvern und Eisenstangen bewaffnet. Damit war der Ausgang des Kampfes entschieden. Etwa zwei Dutzend der Piraten warfen wir ins Wasser, die anderen sprangen von selbst hinterher, um schwimmend ihre Dschunken zu erreichen. Wir hatten keinen einzigen Mann verloren, abgesehen von dem Bootsmann, der ganz zu Anfang des Überfalls von ihnen erwürgt worden war.
Seit dieser Nacht, in der Louison mir das Leben gerettet hatte, trennten wir uns niemals mehr. Ich bitte Sie deshalb, die Eigenmächtigkeit zu entschuldigen, meine Tigerin mit hierhergebracht zu haben, meine Herren. Ich hatte sie im Vorzimmer gelassen, aber der Saaldiener wird sie gesehen und es mit der Angst gekriegt haben. Er hat die Tür verbarrikadiert und die Sturmglocke geläutet, um Hilfe herbeizuholen.“
„Das alles ändert nichts daran“, sagte der Präsident mit einem bedauernden Unterton in der Stimme, „daß wir durch Ihren Fehler – oder besser durch den Fehler von Mademoiselle Louison und des Portiers – den ganzen Nachmittag in Gesellschaft eines wilden Tieres verbringen mußten und daß unsere Mahlzeit inzwischen kalt geworden ist.“
Hier wurde – was an diesem denkwürdigen Nachmittag ja nun wirklich nichts Ungewöhnliches mehr war – der Präsident der Wissenschaften zu Lyon wiederum durch einen entsetzlichen Lärm unterbrochen. Trommelwirbel war zu vernehmen, und einige Dutzend Köpfe reckten sich zum Fenster hinaus.
„Gott sei Dank!“ schrie der ständige Sekretär. „Die Nationalgarde rückt an! Wir werden befreit!“
Und tatsächlich füllten etwa dreitausend Personen die umliegenden Straßen und den Platz vor der Akademie. Eine Infanteriekompanie stand mit angelegtem Gewehr dem Akademiegebäude gegenüber. Ein Polizeikommissar, mit einer dreifarbigen Schärpe umgürtet, tauchte auf dem Platz auf, gab den Trommlern ein Zeichen zu schweigen und rief mit schriller Stimme: „Im Namen des Gesetzes, ergebt euch!“
„Herr Kommissar“, schrie der Präsident aus einem der Fenster zurück, „es geht nicht darum, daß wir uns ergeben, sondern daß man uns das Tor öffnet!“
Der Kommissar gab alsdann den Arbeitern, die er in weiser Voraussicht mitgenommen hatte, ein Zeichen, das Eingangstor von allen Hindernissen zu räumen, die der Saaldiener der Akademie aufeinandergetürmt hatte, um Louison den Weg zu versperren.
Als sein Befehl ausgeführt war, schrie der Offizier, der die Infanteriekompanie befehligte und der zeigen wollte, daß er auch etwas zu sagen hatte:
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