„So eine Gemeinheit!“, ruft Trude. „Da schicken sie dich erst in die Ferien und dann tun sie so was! Hinter deinem Rücken!“
„Der Papa liebt, glaub ich, eine andere Frau“, sagt Steffie.
Luise und Lotte gehen rasch weiter. Was sie eben gehört haben, bewegt ihre Gemüter aufs heftigste.
„Unser Vater“, fragt Lotte, „hat doch aber keine neue Frau?“
„Nein“, erwidert Luise. „Das wüsste ich.“ 46 46 Das wüsste ich. – Я знала бы об этом.
„Vielleicht eine, mit der er nicht verheiratet ist?“ fragt Lotte zögernd.
Luise schüttelt den Lockenkopf. „Bekannte hat er natürlich. Auch Frauen. Aber du sagt er zu keiner. Aber wie ist das mit Mutti? Hat Mutti einen guten Freund?“
„Nein“, meint Lotte zuversichtlich. „Mutti hat mich und ihre Arbeit, und sonst will sie nichts vom Leben, sagt sie.“
Luise blickt die Schwester ziemlich ratlos an.
„Ja, aber warum sind sie denn dann geschieden?“
Lotte denkt nach. „Vielleicht waren sie gar nicht auf dem Gericht? So wie Steffies Eltern das wollen?“
„Warum ist Vater in Wien und Mutti in München?“ fragt Luise. „Warum haben sie uns halbiert?“
„Warum“, fährt Lotte grübelnd fort, „haben sie uns nie erzählt, dass wir gar nicht einzeln, sondern eigentlich Zwillinge sind? Und warum hat Vater dir nichl davon erzählt, dass Mutti lebt?“
„Und Mutti hat dir verschwiegen, dass Vati lebt“.
Luise stemmt die Arme in die Seiten.
„Schöne Eltern haben wir, was? Na warte, wenn wir den beiden einmal die Meinung sagen! Die werden staunen!“
„Das dürfen wir doch gar nicht“, meint Lotte schüchtern. „Wir sind ja nur Kinder!“ „Nur?“, fragt Luise und wirft den Kopf zurück.
Ist das richtig?
1.Luise und Lotte haben ihre Fotos beim Fotografen abgeholt und in kleine Fetzen zerrissen. 2.Die Kinder haben Fräulein Ulrike gesagt, dass sie die Fotos heimgeschickt haben.
3.Sie wollen ihr Geheimnis für sich behalten.
4.Die beiden Mädchen hängen wie Kletten zusammen.
5.Lotte will alles über den Vater wissen, Luise will alles über die Mutter wissen. 6.Jedes Mädchen entdeckt für sich einen neuen Kontinent.
7.Der Vater schickt Luise ein altes Bild, auf dem er als ein kleines Baby auf einem Eisbärenfell dargestellt ist. 8.Das Foto zeigt einen fünfunddreißig-jährigen Mann mit ernstem Gesicht. Das Foto ist funkelnagelneu.
9.Steffie weint, weil ihre Eltern sich scheiden lassen.
Übersetzung:
1.Die Eltern haben den Vornamen der Mutter entzweigeteilt.
2.Die Eltern ließen sich scheiden.
3.Die Eltern haben die Kinder halbiert.
4. Die Mutter hat Lotte verschwiegen, dass ihr Vater lebt und dass sie eine Schwester hat.
5.Der Vater hat Luise verschwiegen, dass ihre Mutter lebt und dass sie ein Zwilling ist.
6.Luise ist nicht brav. Sie tanzt den Fräuleins im Ferienheim auf der Nase herum wie dem Vater.
7.Das Thema Scheidung bewegt ihre Gemü-ter sehr. 8.Der Vater genierte sich vor dem Fotografen zu lachen.
Wie heißt auf Deutsch:
делить пополам, утаить /скрыть, совершенно новый, обнаруживать / открывать, вести себя непослушно / озорничать, стесняться
Nacherzählung:
1.Lotte und Luise entdecken neue Kontinente.
2.Rätsel über Rätsel.
3.Der entzweigeteilte Vorname der Mutter.
4.Eine ernste Fotografie und ein lustiger Brief vom Vater.
5.Steffies Eltern lassen sich scheiden.
6.Darf man Kinder trennen?
Die Ferien gehen dem Ende zu. In den Schränken sind die Stapel frischer Wäsche zusammengeschmolzen. Die Betrübnis, das Kinderheim bald verlassen zu müssen, und die Freude aufs Zuhause wachsen gleichmäßig.
Frau Muthesius plant ein kleines Abschiedsfest. Der Vater eines der Mädchen, dem ein Kaufhaus gehört, hat eine große Kiste Lampions, Girlanden und viele andere Dinge geschickt. Nun sind die Helferinnen und die Kinder eifrig dabei, die Veranda und den Garten schön zu schmücken. Sie schleppen Küchenleitern von Baum zu Baum, hängen bunte Laternen ins Laub, schlingen Girlanden von Zweig zu Zweig und bereiten auf einem langen Tisch eine Tombola vor. Andere schreiben auf kleine Zettel Losnummern. Der Hauptgewinn: ein Paar Rollschuhe! „Wo sind eigentlich die Locken und die Zöpfe?“, fragt Fräulein Ulrike. (So nennt man neuerdings 47 47 neuerdings – с недавнего времени
Luise und Lotte.)
„Oh, die!“, meint Monika abfällig. „Die werden wieder irgendwo im Gras sitzen und sich an den Händen halten, damit der Wind sie nicht auseinander weht!“
Die Zwillinge sitzen nicht irgendwo im Gras, sondern im Garten. Sie halten sich auch nicht an den Händen – dazu haben sie keine Zeit —, sondern haben Heftchen vor sich liegen, halten Bleistifte in der Hand, und im Augenblick diktiert Lotte gerade der emsig kritzelnden Luise: „Am liebsten mag Mutti Nudelsuppe mit Rindfleisch. Das Rindfleisch holst du beim Metzger Huber.“
Luise hebt den Kopf. „Metzger Huber, Max-Emanuel-Straße, Ecke Prinz-Eugen-Straße“, murmelt sie.
Lotte nickt befriedigt. „Das Kochbuch steht im Küchenschrank, im untersten Fach ganz links. Und in dem Buch liegen alle Rezepte, die ich kann.“
Luise notiert: „Kochbuch… Küchenschrank… unteres Fach… ganz links…“ Dann stützt sie die Arme auf und meint: „Vor dem Kochen hab ich eine Heidenangst! Aber wenn’s in den ersten Tagen schief geht, kann ich vielleicht sagen, ich hätt’s in den Ferien verlernt.“
Lotte nickt zögernd. „Außerdem kannst du mir ja gleich schreiben, wenn etwas nicht klappt. Ich gehe jeden Tag aufs Postamt und frage, ob etwas angekommen ist.“
„Ich auch“, meint Luise. „Schreib nur recht oft! Und iss tüchtig im lmperial! Vati freut sich immer so, wenn es mir schmeckt!“
„Zu dumm“, dass ausgerechnet gefüllter Eierkuchen dein Lieblingsgericht ist!“, murrt Lottchen. „Na, da kann eben nichts helfen! Aber Kalbsschnitzel und Gulasch wären mir lieber!“ 48 48 Aber Kalbsschnitzel und Gulasch wären mir lieber! – Но шницель и гуляш меня бы больше устроили!
„Wenn du gleich den ersten Tag drei Eierkuchen isst, oder vier oder fünf, kannst du hinterher sagen, du hast dich fürs ganze weitere Leben daran überfressen“, schlägt Luise vor.
„Das geht“, antwortet die Schwester, obwohl sich ihr bereits bei dem bloßen Gedanken an fünf Eierkuchen der Magen umdreht. Sie macht sich nun einmal nichts daraus!
Dann beugen sich beide wieder über ihre Heftchen und hören einander wechselseitig die Namen der Mitschülerinnen, die Sitzordnung in der Klasse, die Gewohnheiten der Lehrerin und den genauen Schulweg ab.
„Mit dem Schulweg hast du’s leichter als ich“, meint Luise. „Du sagst Trude ganz einfach, sie soll dich am ersten Tag abholen! Das macht sie manchmal. Na, und da läufst du dann ganz gemütlich neben ihr her und merkst dir die Straßenecken und den übrigen Palawatsch 49 49 und den übrigen Palawatsch – и всё остальное
!“
Lotte nickt. Plötzlich erschrickt sie. „Das hab ich noch gar nicht gesagt – vergiss ja nicht, Mutti, wenn sie dich zu Bett bringt, einen Gutenachtkuss zu geben!“
Luise blickt vor sich hin. „Das brauch ich mir nicht aufzuschreiben. Das vergesse ich bestimmt nicht!“
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