Nick starrt auf den Boden. »Ja … Vielleicht hast du recht.«
»Es ist besser so, Nicky.«
»Klar.«
Brian flüstert Penny zu, dass er gleich wieder zurückkommen würde, und rutscht von seinem Sitz.
Gebückt kriecht er den Gang entlang, sodass man ihn von draußen nicht sehen kann, bis er bei Nick und seinem Bruder angelangt ist. »Also – wie sieht unser Plan aus, Philip?«
»Wir suchen uns einen Ort, an dem wir ein Feuer machen können. Das geht schlecht in diesen Wohnblöcken.«
»Nick, wie viele von diesen Sicherheitszonen gibt es eigentlich?«, will Brian wissen.
»Genug, um von hier wegzukommen. Allerdings brauchen wir hier und da etwas Glück.«
»Früher oder später benötigen wir auch ein Auto«, gibt Brian zu bedenken.
»Ach was«, knurrt Philip spöttisch.
»Glaubst du, dass der Bus noch Super im Tank hat?«
»Wenn, dann Diesel.«
»Ist doch egal, was es ist. Wir haben sowieso nichts zum Absaugen.«
»Und nichts, womit wir den Sprit auffangen können«, ergänzt Philip.
»Das Gleiche gilt für den Transport«, fügt Nick hinzu.
»Das Ding da«, sagt Brian und deutet auf den Stahlstab auf dem Fahrersitz. »Ist das scharf genug, um ein Loch in den Tank zu bohren?«
»Den Tank des Busses?«, fragt Philip und überlegt. »Könnte klappen. Aber wozu?«
Brian schluckt. Er hat eine Idee.
Sie schlüpfen einer nach dem anderen aus der Tür in den Regen hinaus, der sich mittlerweile zu einem andauernden, kalten Nieseln abgeschwächt hat. Das Tageslicht ist nur dürftig. Philip hat den Stahlstab in der Hand. Nick trägt die drei Miller-Light-Flaschen, die Brian unter den hinteren Sitzen gefunden hat, und Brian passt auf Penny auf. Egal, in welche Richtung sie blicken – überall sind dunkle Gestalten zu sehen. Die nächste ist vielleicht einen Häuserblock von ihnen entfernt. Die Zeit läuft.
Alle paar Sekunden erhellt ein Blitz die gesamte Stadt und taucht sie in grelles Licht, sodass man die Untoten sehen kann, die von beiden Enden der Straße auf sie zukommen. Einige der Beißer haben die Menschen bemerkt, die um den Bus gehuscht sind, und kommen jetzt mit wesentlich gezielteren Stolperschritten näher.
Philip weiß, wo sich der Tank im Bus befindet. Er ist schließlich nicht umsonst Lkw-Fahrer gewesen.
Er kniet sich neben den riesigen Vorderreifen und greift rasch unter die Karosse, um den Tank ausfindig zu machen. Der Regen tropft ihm über das Kinn. Der Bus hat zwei separate Tanks mit jeweils dreihundert Litern.
»Beeil dich, Mann, die kommen!« Nick kniet hinter Philip, die Flaschen in der Hand.
Philip schlägt mit dem spitzen Ende des Stahlstabs gegen den unteren Teil des Tanks, jedoch ohne viel Erfolg. Seine Bemühungen haben nicht mehr als eine kleine Beule hinterlassen. Er schreit wütend auf und holt weit aus, ehe er den Stab erneut mit aller Wucht gegen den Treibstoffbehälter rammt.
Diesmal durchbricht die Spitze den Tank, ein dünner Strahl gelber, schmieriger Flüssigkeit schießt hervor und spritzt auf Philips Arme und Hände. Rasch lehnt sich Nick nach vorn und füllt die erste der kleinen Bierflaschen.
Es donnert, gefolgt von Blitzen. Brian wagt einen Blick über die Schulter und sieht ein ganzes Regiment wandelnder Leichen auf sie zukommen. Die grellen Blitze lassen sie noch näher erscheinen, vielleicht sind es nur noch zwanzig Meter. Er kann ihre Gesichter deutlich in dem Stroboskoplicht erkennen.
Eine von ihnen hat keinen Kiefer mehr, während eine andere ihre Eingeweide aus einem Loch im Magen beim Gehen zu verlieren droht.
»Beeil dich, Nick! Schnell!« Brian hält ein zerfetztes Hemd in der einen und ein Feuerzeug in der anderen Hand. Er hüpft nervös von einem Fuß auf den anderen, während Penny neben ihm ihr Bestes tut, nicht die Nerven zu verlieren, indem sie die Hände zu Fäusten ballt und auf der Unterlippe herumkaut. Aber sie behält die heranstolpernde Masse genau im Auge.
»Hier die erste – los! LOS!« Nick reicht Brian eine Flasche mit Treibstoff.
Brian stopft einen Fetzen in die Öffnung und dreht ihn rasch um, bis er sich vollgesogen hat. Der Vorgang dauert nur wenige Sekunden, aber Brian spürt, wie ihm die Zeit davonrennt und sie Hunderte von Beißern umzingeln. Er versucht, den Molotowcocktail anzuzünden, aber das Feuerzeug will bei dem Wind nicht so recht angehen.
»Los, Junge … Los, los!« Philip wendet sich der immer näher kommenden Horde zu und hebt den Stahlstab. Hinter ihm versucht Brian verzweifelt, den Stofffetzen anzuzünden. Plötzlich hat er eine Flamme, und das dieselgetränkte Material beginnt zu brennen. Die Flammen züngeln an der Flasche entlang.
Brian wirft den Molotowcocktail in die erste Reihe der schlurfenden Untoten.
Die Flasche landet eineinhalb Meter vor den Zombies, explodiert in einem gelben Schein aus Feuer und prasselt unheilvoll in der Luft. Durch das unerwartete Licht und die Hitze stolpern die Leichen rückwärts. Sie kommen sich in die Quere und fallen wie Dominosteine um. Eigentlich sieht es fast lustig aus, aber keiner von ihnen denkt auch nur an Lachen.
Philip schnappt sich die zweite gefüllte Flasche und stopft einen Hemdfetzen hinein. »Her mit dem Feuerzeug!« Brian reicht es ihm. »Und jetzt nichts wie weg!«, befiehlt Philip, zündet den Molotowcocktail an und wirft ihn in die Armee der Beißer, die sich ihnen von der anderen Seite nähert.
Diesmal landet die Flasche mitten unter ihnen und explodiert kurz darauf, sodass mindestens ein Dutzend von ihnen in Flammen aufgehen.
Brian will gar nicht hinschauen, als er sich Penny schnappt und wie ein Wahnsinniger hinter Nick in Richtung Friseurladen rennt.
Brian, Penny und Nick haben schon den halben Weg zur nächsten Sicherheitszone zurückgelegt, als sie auf einmal merken, dass Philip fehlt.
»Was zum Teufel treibt der denn schon wieder?« Nicks Stimme klingt schrill und hektisch, als er neben einer weiteren, mit Brettern verschlagenen Schaufensterfront in Deckung geht.
»Woher soll ich das wissen?«, gibt Brian zurück und drängt sich zusammen mit Penny in den Eingang, während er nach hinten in die Richtung seines Bruders blickt. Philip ist noch hundert Meter von ihnen entfernt und brüllt die Monster an, während er mit dem Stahlstab in der Luft herumfuchtelt und auf einen Beißer einschlägt. Ein brennender Zombie kommt in einer Wolke von rauchenden Funken auf ihn zu.
»Um Gottes willen!«, stöhnt Brian und hält Penny die Hand vor Augen. »Runter mit dir – RUNTER MIT DIR!«
In der Ferne sehen sie, wie sich Philip Blake von dem Mob entfernt, in der einen Hand ein brennendes Feuerzeug und in der anderen den blutigen Stahlstab. Er scheint von einer Urkraft besessen zu sein, in der sich seine gesamte angestaute Wut sammelt.
Er hält inne und zündet eine Diesellache an, die sich unter dem Bus gebildet hat. Dann dreht er sich um und nimmt Reißaus – wie ein Soldat, der vor einer Granate flüchtet.
Hinter ihm breiten sich die Flammen lauffeuerartig aus. Das blaue Lodern erreicht schon bald die stählerne Karosse des Busses. Philip legt circa fünfzig Meter auf dem durchnässten Teer zurück und zerfetzt dabei die Schädel eines halben Dutzend Beißer, während das Feuer den Bus angreift.
Ein tiefer, dumpfer Schlag übertönt plötzlich sowohl Regen als auch das Stöhnen der Untoten. Inmitten der Feuersbrunst und des Nebels verliert Philip seinen Bruder aus den Augen.
»PHILIP! HIER!«
Brians Rufe helfen Philip, der Richtung zu folgen, aus der die Stimme kommt, als plötzlich eine weitere Explosion den Boden erschüttert und den dunklen, grauen Nachmittag in ein grelles, heißes Licht taucht.
Keiner von ihnen versteht so ganz, was passiert. Sie sind alle zu sehr damit beschäftigt, sich in den Eingang zu ducken und ihre Gesichter vor fliegenden Schrapnellgeschossen zu schützen. Einzelteile des Busses schießen in Form von scharfen Metallsplittern und zerborstenen Glasscherben am Türeingang vorbei. Brian kann in der Spiegelung eines noch halb vorhandenen Schaufensters die Explosion sehen: Einen halben Häuserblock entfernt fliegt der zwanzig Tonnen schwere Bus in die Luft, und ein Rauchpilz aus grellem, alles vernichtendem Feuer, das die Fahrerkabine zerreißt, steigt in die Luft. Danach rollt eine flüssig heiße Stoßwelle mit dem violetten Glanz einer Supernova durch die Masse von Zombies. Unzählige Untote werden von ihr mitgerissen, eingeäschert in ihrem Hochofen. Einige werden von unzähligen Schrapnellen in tausend Stücke zerfetzt. Ihre Überreste steigen wie ein Schwarm Vögel in den sturmumtosten Himmel auf.
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