Als er um die Ecke bog, hörte er hinter sich ein lautes Knurren.
Langsam und sehr behutsam wandte King sich um.
Pac Man kam um die Ecke gelaufen. Seine winzigen schwarzen Pfoten trippelten über die Fliesen. Als er King entdeckte, schloss der Mutantenhund die Augen und fletschte die Zähne.
Fluchend wich King zurück, während er sich umsah, ob irgend etwas in Reichweite war, womit er sich verteidigen konnte. Dieser Köter hatte es wirklich auf ihn abgesehen. Hätte er doch bloß seinen Vorrat an Hundespielzeug eingesteckt…
Vorsichtig bewegte er sich geduckt wie ein Surfer um den Hund herum. Irgendwo hatte er mal gelesen, dass man mit einem knurrenden Hund keinen Blickkontakt herstellen sollte, weil das so wirkte, als wolle man den Hund herausfordern.
Oder galt das für Katzen?
Ach, verdammt, er würde einfach losrennen. Es konnte nicht so schwer sein, einem so kleinen Hund davonzulaufen.
Als sich King zur Flucht bereitmachte, bewegte sich Pacman ein Stück vorwärts. Und dann kamen zwei Rottweiler hinter ihm um die Ecke, die wie böse eineiige Zwillinge aussahen.
King starrte sie entsetzt an. Die beiden Hunde waren so breit wie Panzer und unübersehbar muskulös. Sie knurrten ihn so kehlig an, dass es sich fast so anhörte, als komme das Geräusch, das Kings Brustbein zum Vibrieren brachte, tief aus dem Boden. Ihre überaus wachsamen braunen Augen fixierten Kings Gesicht, als sei es eine Zielscheibe, dann zogen sie die Lefzen hoch und gaben den Blick frei auf mehrere Reihen rasierklingenscharfer Zähne, von denen blutiger Speichel tropfte.
King bekam den Mund kaum noch zu.
„Verdammte Scheiße.“
Wie auf ein lautloses Kommando hin stürzten sich die drei Hunde auf King und bellten wie verrückt, während ihre Schnauzen auseinander klappten, bereit, ihn zu umschließen…
Blade ließ ein Meer aus vernichteten Leibern zurück, während er die stählerne Wendeltreppe hinauflief, die zum Obergeschoss des großzügig angelegten Atriums führte.
Dort oben stand Drake als große, finstere Gestalt.
Während Blade zu ihm sah, zog dieser schwungvoll ein großes Schwert aus poliertem Eisen. Lässig wirbelte er es in der Luft herum, damit es das Licht reflektierte. Dann senkte er die Waffe, bis ihre Spitze den Boden berührte.
Er hatte ihn herausgefordert.
„Bist du bereit zu sterben, Blade?“, rief Drake ihm zu. Seine Stimme war tief und zischend, so wie das Knurren eines Panthers, und doch schien sie den ganzen Raum zu erfüllen, hallte von den Wänden zurück und ließ in der Luft sonderbare Schwingungen entstehen.
Blade erreichte den Kopf der Treppe und stand nun vor Drake. Er verspürte das eigenartige Gefühl, sich in einer schicksalhaften Situation zu befinden. Er hatte Tausende von Vampiren getötet, doch das hier war etwas völlig anderes. Vor ihm stand Dracula, der Vampir schlechthin. Alle existierenden Vampire verdankten ihm ihr schmutziges untotes Leben, dessen heimliche Regentschaft eine blutige Spur durch die Geschichte zog und alles Leben vernichtete.
Blade musste bei diesem Gedanken leise knurren. Drake trug die Schuld daran, dass er als Monster zur Welt gekommen war, dass er hasste, was er war, und dass er dennoch nicht in der Lage war, etwas dagegen zu unternehmen. Es war Drakes Schuld, dass er sein Leben lang Vampire bekämpfte, auf sie einschlug, bis seine Finger blutig waren und dabei immer eines wusste: Er konnte heute so viele Vampire umbringen, wie er wollte, morgen würde ihre Zahl dennoch um hundert größer sein. Und Drake war Schuld, dass seine Mutter tot war. Und Whistler. Und Sommerfield, Dex, Hedges und so viele andere.
Und er war immer völlig machtlos gewesen, daran etwas zu ändern.
Bis jetzt.
Blade warf Drake einen finsteren Blick zu. „Das war ich schon seit dem Tag meiner Geburt, Motherfucker.“
„Dann lass mich dir dabei behilflich sein“, gab Drake lächelnd zurück.
Ohne zu zögern machte Drake einen Satz in die Luft und beschrieb eine Rolle rückwärts, dann landete er zwölf Meter tiefer, als sei ein solcher Sprung völlig normal. Erwartungsvoll sah er zu Blade.
Der wappnete sich für das, was kommen würde, sprang über das Geländer und folgte Drake, während er mitten im Flug sein blitzendes Schwert zog. Er landete in perfekter Kampfhaltung genau vor Drake, richtete sich auf und hob sein Schwert. Die beiden Krieger standen da, die Schwerter bereit, den Blick unverwandt auf die Augen des anderen gerichtet. Die erstarrte Haltung war die klassische Pose der Samurai.
Die Botschaft war unmissverständlich.
Wer sich zuerst bewegte, hatte schon verloren.
Drake schärfte seine übernatürlichen Sinne bis zum Äußersten und betrachtete Blade genau, um die Kraft des Daywalkers einzuschätzen. Er konnte die schwachen Geräusche wahrnehmen, die der Fußboden von sich gab, der nach Blades Landung wieder in seine ursprüngliche Struktur zurückkehrte. Ebenso nahm er das Knacken von Blades Schenkelknochen auf zellularer Ebene wahr, die beim Aufsetzen um Bruchteile von Millimetern gestaucht worden waren. Obwohl er sich gegen eine ganze Legion von Danicas Handlangern zur Wehr hatte setzen müssen, ging Blades Atem völlig gleichmäßig, sein Blick war klar. Drake roch das Blut von dreißig verschiedenen Vampiren, das sich mit dem Schweiß auf Blades athletischem Körper vermischte. Er roch keine Angst, nur Adrenalin und mühsam beherrschte Wut.
In Blades Bein zuckte ein Muskel, als sich eine überbeanspruchte Sehne meldete. Drake sah, dass die Aufmerksamkeit des Daywalkers für einen Sekundenbruchteil nachließ.
Er griff an.
Blade spürte, dass sich Drakes Schwert bewegte, noch bevor seine Augen die Bewegung registrieren konnten. Er wehrte den unglaublichen schnell ausgeführten Hieb mit einem kraftvollen Schlag nach oben ab, der die Muskeln in seinem Arm fast bersten ließ. Die beiden Klingen trafen in einem gleißenden Funkenregen aufeinander.
Der Kampf war eröffnet.
Blade stöhnte vor Anstrengung leise auf, als er sein Schwert von Drakes Waffe zurückzog und Metall über Metall kreischte. Durch sein Handgelenk und den Ellbogen fuhr ein Stich, der die Folge des urgewaltigen Schlags war. Er holte mit seiner Klinge aus und ging auf Drake zu, in seinen Augen ein erwartungsvolles Funkeln.
Sein Leben lang hatte er auf diesen Augenblick gewartet.
Er wehrte Drakes zweiten tödlichen Hieb ab, dann den dritten, den vierten, wobei er sein Schwert schneller und schneller bewegte, bis das Aufeinanderprallen der Klingen sich so anhörte, als würde ein Schmied ein Stück glühendes Metall unablässig mit dem Hammer bearbeiten. Blades Körper wurde zu einer verschwommenen Kontur, als er in rasender Abfolge nach dem König der Vampire ausholte, schlug und stach und ihn so zurücktrieb. Drake war schnell, doch Blade hatte schon früher gegen schnelle Widersacher gekämpft. Sein Verstand lief auf Hochtouren, als er Drakes übermenschlich schnelle Hiebe abwehrte. Er genoss die Kraft seiner Muskeln und die stählerne Macht seiner Gliedmaßen, die seinen Körper so exakt wie hydraulische Kolben vorantrieben. Jede Faser von Blades Sein war darauf ausgerichtet, Drake zurückzuschlagen. Zusätzlichen Antrieb erhielt seine Attacke durch Hass, der sich ein Leben lang angestaut hatte. Eine elektrische Adrenalinwoge feuerte ihn an, wieder und wieder anzugreifen und es Drake nicht zu gestatten, dass er auch nur einen Moment lang Ruhe bekam.
Drake wirbelte herum und knurrte Blade an, dann holte er mit seinem Schwert von unten aus. Der Hieb hätte das Herz des Daywalkers durchbohren sollen, doch Blade hatte den Angriff bereits erwartet, bevor er überhaupt begonnen hatte. Er blockte ihn mit einem diagonalen Hieb ab, der so schnell kam, dass er Drake fast das Schwert aus der Hand geschlagen hätte. Der musste sich ducken, um nicht enthauptet zu werden, während Blade den Hieb mit einem lauten Schrei durchzog, dabei aber die supragehärtete Klinge tief in einen Stahlträger hinter sich bohrte.
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