»Junger Herr?«
»OG, sag mir, dass du kein KI bist.«
Ich schaute zu ihm auf. »Gefühle? War es das? Ich hätte mir denken können, dass sie mich eines Tages verraten würden.«
Er lächelte. »Dein Geheimnis ist bei mir sicher.«
»Zunächst vielleicht schon.«
»Nur Geduld, OG.«
»Wollen Sie damit sagen, die Lage könnte sich ändern? Oder dass ich einfach auf den Tod warten sollte? Wir sterben nicht so leicht. Das ist uns nicht gestattet.«
Sein Lächeln bekam einen gequälten Zug. »Die Lage wird sich ändern, OG.«
»Glauben Sie?«
»Oh ja. Es ist so vieles in Bewegung geraten.«
»Von einigem habe ich gehört. Man sagt, in Nasqueron gäbe es eine Wurmloch-Mündung?« Ich schaute zu dem großen Planeten auf, der über uns hing, und betrachtete die breiten Gasströme, die bunten Reifen – cremeweiß und braun, gelb, weiß, violett und rot –, die in alle Ewigkeit gegenläufig zueinander rotierten.
Fassin Taak nickte bedächtig. »Wir wissen jetzt, dass wir alle die ganze Zeit über angeschlossen waren.« Er hob einen Kieselstein auf und betrachtete ihn. »Vielleicht lassen uns die Dweller ihr Wurmloch-Netzwerk sogar benützen, wenn wir höflich darum bitten. Wenigstens manchmal. Während wir hier miteinander sprechen, tobt in der Dweller-Gesellschaft eine heftige Debatte – die wahrscheinlich noch eine Weile andauern wird, wie ich die Dweller kenne. Es geht darum, in welchem Ausmaß die unsterbliche Bewunderung durch jede auch nur annähernd empfindungsfähige Spezies in der übrigen Galaxis und womöglich auch darüber hinaus zu einer allgemeinen Erhöhung des Hintergrund-Kudos-Niveaus für alle Dweller führen und damit ein triftiger Grund sein könnte, das galaktische Transportsystem für alle zu öffnen.«
»Das wäre wirklich eine gewaltige Veränderung.«
»Eine Veränderung obendrein, die nicht von der Merkatoria kontrolliert werden dürfte.«
»Sie wäre immer noch die Merkatoria.«
»Auch sie kann sich ändern. Sie wird gar keine andere Wahl haben. Geduld, OG.«
»Wir werden sehen, aber ich danke Ihnen.«
Ich sah ihn an. Fassin Taak war tatsächlich gealtert. Sein Gesicht war verhärmt, die Fältchen um die Augen hatten sich vertieft. »Ist hier soweit alles in Ordnung, OG?«
»Im Garten schon. Das Haus … nun, damit habe ich nichts zu tun.«
Jetzt schlug er die Augen nieder. »Ich habe mich umgesehen«, sagte er. Seine Stimme war leise geworden. »Alles war sehr still. Sehr seltsam, diese Stille, wenn niemand mehr da ist.«
»Ich meide den Anblick, so gut es geht«, gestand ich. »Nur manchmal betrachte ich es bei Tagesanbruch oder sehr früh am Morgen. Dann ist es fast wie immer: im hellen Sonnenschein, aber ohne ein Lebenszeichen. Das kann ich ertragen.« Ich hatte das Bild vor mir, während ich das sagte. »Ein Glück, dass ich den Garten noch habe. Er gibt mir alles zurück, was ich für ihn tue.«
»Ja«, sagte er. »Jeder braucht etwas zu tun, nicht wahr?«
Ich zögerte. »Dennoch vergeht kein Tag, ohne dass ich mein Schicksal verfluche. Warum musste ich hier bleiben? Warum konnte ich nicht bei ihnen sein, als das Ende kam? Ich beneide den Obergärtner des Winterhauses, wo alle zusammen den Tod fanden.« Ich richtete mich ein klein wenig auf. »Aber lassen wir das. Wie geht es Ihnen, junger Herr? Was machen Sie denn jetzt?«
»Bitte nenn mich nicht ›junger Herr‹, OG. Ich heiße Fassin.«
»Oh. vielen Dank. Nun, was machen Sie? Und wo? Wenn die Frage erlaubt ist.«
»Ich habe mich den Beyondern angeschlossen, OG. Ich lebe schon jetzt wie ein Bürger der Galaxis, aber ich reise nur langsam, ohne Wurmlöcher zu benützen. Immerhin, ein Anfang.«
»Und der Sept, Fassin?«
»Es gibt keinen Sept mehr, OG. Das ist vorbei.« Er warf den Kieselstein auf den Weg zurück. »Vielleicht gründet jemand einen neuen Sept – wer weiß?« Er schaute zurück zu dem fernen Gebäude. »Vielleicht füllt sich dieses Haus eines Tages wieder mit Leben.«
»Aber Sie kommen nicht zurück?«
Er sah sich um. »Zu viele Leute würden mir immer noch zu viele Fragen stellen, und das ginge wahrscheinlich bis an mein Lebensende so weiter.« Er sah mich an. »Nein, ich bin nur gekommen, um mich ein letztes Mal umzusehen. Und um mit dir zu sprechen.«
»Mit mir? Ist das wahr?«
»Das ist wahr.«
»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr mir das schmeichelt – nein, wie sehr mich das ehrt.«
Er lächelte und erhob sich. »Diese Unterwürfigkeit ist eine ausgezeichnete Tarnung, OG. Ich hoffe nur, du kannst dich davon trennen, wenn die Zeit kommt.«
»Was ich sagte, war ehrlich gemeint, Fassin.«
»Und was ich dir jetzt sage, ebenfalls, OG.« Er klopfte sich die Erde von den Kleidern. Nasqueron stand immer noch in seinem Rücken. »Eines Tages werden wir alle frei sein.«