„Du meinst, wir werden tot sein“, sagte Shadow Jack ernst hinter ihr.
MacWong befreite sich aus Tirikis Griff. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, sondern erkannte nur, daß er in die Objektive der Kameras blickte und einen Befehl gab…
Nakamore begann zu lachen. „Danke, du Sohn des Chaos!“
Ein kaum sichtbarer violetter Streifen teilte die Dunkelheit auf dem Schirm vor ihnen einen Herzschlag lang, dann war er verschwunden. Das dritte Schiff war vorbeigezogen.
Ranger (Im Raum Lansing)
+ 3,15 Megasekunden
„Und wenn auch Stürme landwärts jagen,
Tobt auch über das Land der Wind…“
Clewell befestigte den Sicherheitsgurt des Navigatorsessels. Neue Kraft durchpulste seine müden Glieder. Er betrachtete die huschenden Lichter auf der Konsole, dann Shadow Jack, der Bird Alyn im Arm hatte, die ihrerseits die frei schwebende Katze streichelte.
„Gemeinsam können wir Schmerz ertragen…“
Die Repräsentanten von Himmels Gürtel… Clewell lächelte, als er sie sich viele Jahre älter und weiser vorstellte, viele Jahre in der Zukunft, bei einem erneuten Besuch Lansings. „Ich hätte nie gedacht, daß ich das einmal sagen könnte, aber ich glaube, ich muß noch einmal sechzig Jahre leben.“
Bird Alyn stützte sich mit den Füßen an der Wand ab, um ihn anzusehen. „Ich glaube immer noch nicht, daß es Wirklichkeit ist, Pappy! Wie konnte das geschehen? Wie ist alles nur so gekommen?“ Shadow Jack küßte ihre Wange, und sie kicherte.
Wadie stieß sich vom Bildschirm weg, wo Lansing jetzt wieder unter ihnen in der Finsternis lag: eine Blüte, die darauf wartete, wieder zu erblühen, einen neuen Lebenszyklus zu beginnen. „In den vergangenen zweieinhalb Milliarden Sekunden ist nichts in Himmelsgürtel so gelaufen, wie es hätte sein sollen, Bird Alyn. Dort draußen sind hundert Millionen Leichen und Gott allein weiß wie viele Menschen, die durch die Hölle gegangen sind…“ Bird Alyns Lächeln verschwand. Shadow Jack preßte sie näher an sich, die Schatten der Vergangenheit verdunkelten ihre Augen.
Wadie schüttelte den Kopf. „Inzwischen müssen wir hundertfach für unsere Fehler bezahlt haben. Verdammt, es wurde auch wirklich Zeit, daß wir einmal ein wenig Glück haben. Höchste Zeit!“
Ihre Gesichter entspannten sich. Clewell sah Bertha von der Konsole aufblicken und Erinnerungen zurückdrängen. „Ja, das war es. Pappy…“ — ihre Stimme war fest — „… alles klar, der Himmel ist frei. Du kannst unseren Kurs berechnen. Es ist Zeit heimzukehren.“ Wadie kam an ihre Seite zurück. Clewell sah ihn die Hand heben, doch dann verharrte er unsicher. Er war schon seit Tagen nicht von ihrer Seite gewichen, hatte geholfen, gelernt… und hatte Bertha Torgussen mit einer Intensität angesehen, die weit über das technische Interesse an Raumschiffen hinausging. Der Mann, der eines Tages ein Held sein würde, wenn ihr Schiff zurückkehrte, hatte MacWong gesagt — der aber vorerst immer noch ein Verräter war… gleichzeitig aber der einzige Verhandlungsführer, der sowohl dem Demarchy als auch der Großen Harmonie genehm war. Ein guter Mann, dachte Clewell. Der richtige Mann. Wie ein anderer guter Mann, der seine Frau geliebt hatte und sein Freund gewesen war.
Clewell spürte wieder Berthas Blick auf sich ruhen, blau wie Feldblumen, doch immer noch von Erinnerungen umwölkt. Zeit heilt alle Wunden… Und sie würden nun jede Menge Zeit haben. Sie änderte das Bild auf dem Schirm. Es zeigte zahllose Sterne und unter den vielen Millionen einen kleinen roten Stern, der sie heimführen würde.
Gelächter erfüllte den Raum, als Bird Alyn und Shadow Jack unwissend und unbefangen die Vergangenheit für immer hinter sich ließen.
Rusty setzte sich auf seine Schulter und schnurrte in stiller Harmonie mit der Erinnerung an das Lied:
Gemeinsam können wir Schmerz ertragen,
Denn nichts ist einfach, kleines Kind.
Er sah die Gesichter seiner anderen Kinder, für die er hoffte, daß sie die bessere Welt noch erleben konnten, die soviel gekostet hatte und so lange auf sich warten ließ. „Rusty“, sagte er, „es ist höchste Zeit.“
Eine Reihe von jungen weiblichen Autoren sind in den letzten Jahren zur Science Fiction gestoßen. Joan D. Vinge dürfte (neben Vonda N. McIntyre und vielleicht noch Marta Randall, die in letzter Zeit von sich reden macht) die erfolgreichste Vertreterin dieser Gruppe sein. Ihre Kurzgeschichte „Eyes of Amber“ gewann 1978 den HUGO, und ihr Roman The Snow Queen wurde ebenfalls für den HUGO nominiert und dürfte — nachdem er den ersten Platz nach einer Umfrage der Fachpublikation Locus bereits errungen hat — gute Aussichten bei der Endabstimmung haben.
Joan D. Vinge, die zum Teil indianischer Abstammung ist, wurde 1948 geboren und veröffentlichte 1974 ihre erste SF-Story „Tin Soldier“ und schrieb in der Folge eine Reihe von Stories, darunter ihre bislang vielleicht schönste Geschichte, „The Crystal Ship“ (1976). Mehrere Erzählungen von ihr, darunter die beiden genannten, sind übrigens auch in deutscher Sprache erschienen (so „Phoenix in the Ashes“, im Science Fiction Almanach 1981, Moewig-SF-Taschenbuch 3506, und „Fool’s Gold“, in Kopernikus 1, Moewig-SF-Taschenbuch 3501). In Vorbereitung befinden sich die Kurzgeschichtensammlung Eyes of Amber und ein Band mit zwei Kurzromanen (Fireship).
Der vorliegende Titel ist ihr erster Roman und erschien 1978. Thematisch im Zusammenhang damit stehen die Kurzgeschichten „Fool’s Gold“ und „Media Men“ — letztere in Eyes of Amber enthalten — , aus denen Joan D. Vinge später auch einen Roman, nämlich Legacy, formte. Soviel als Hintergrundmaterial für Interessierte. In dem bereits erwähnten Science Fiction Almanach 1981 gibt es im übrigen auch ein Interview mit der Autorin nachzulesen. Joan d. Vinge äußert sich darin etwa zum Thema Frauen und Science Fiction, zu ihrem Verhältnis zur Science Fiction, zu ihrer Schreibtechnik und zu anderen Dingen. Befragt, weshalb sie sich zur Science Fiction hingezogen fühlt, antwortet sie beispielsweise: „Ich glaube, es war die Sache mit dem sogenannten sense of wonder. Die erste Geschichte, die mir in die Hände fiel, war Andre Nortons Storm Over Warlock (Sturm über Warlock). Noch bevor ich sechzehn Jahre alt war, hatte ich diese Geschichte im Laden um die Ecke entdeckt und natürlich sofort gierig verschlungen. Ich dachte mir: Mensch, wieso entdecke ich solche Sachen erst jetzt, wieso habe ich nicht schon früher etwas davon mitgekriegt? Die Begebenheiten auf einer anderen Welt, die uneingeschränkte Vorstellungskraft, die sich in der Geschichte niederschlug, übten eine ungeheure Anziehungskraft auf mich aus. Seitdem habe ich niemals etwas anderes als Science Fiction schreiben wollen. Ich liebe es vor allem, Charaktere zu entwerfen. Da ich meistens über Personen schreibe, habe ich mir schon manchmal gedacht: Wenn dir die am wichtigsten sind, warum schreibst du dann nicht Mainstream-Literatur! Da habe ich gemerkt, daß mich nicht allein die Charaktere angezogen haben, sondern auch sich um sie rankende neue Ideen, einzigartige, fremde Hintergründe. Ich habe Anthropologie an der Universität studiert und in diesem Fach mein erstes Examen abgelegt. Anthropologie und Science Fiction übten auf mich einen vergleichbaren Reiz aus. Mir gefielen Denkansätze, die von der traditionellen westlichen Betrachtungsweise der Welt abweichen, und ich konnte in diesen anderen Ansätzen aufgehen, sie stimulierten meine Imagination. So faszinierte mich etwa der Gedanke, daß Wesen auf eine völlig andere Art als wir Menschen organisiert sind und daß sie dennoch fehlerfrei funktionieren. Es ist so aufregend, etwas über Menschen aus einer anderen Kultur hier auf der Erde oder aber aus einer fremdartigen Welt irgendwo im All zu lernen, es regt die Phantasie an. Ich kann mich in so etwas reinschaffen, und diese Arbeit vermittelt mir eine immense Befriedigung. Dies macht für mich die Essenz der Science Fiction aus, das schätze ich an dieser Literatur.“
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