»Solange Sie ihn nicht klonen und eine Armee draus machen«, sagte Kevin.
»Hab meine eigene Armee, nein, danke.« Huey hob seinen leinengewandeten Arm und tätschelte die Ausbeulung in seiner Achselhöhle. »Man braucht heutzutage eine ganze Scheißarmee, um am Leben zu bleiben, so traurig das ist.« Er wandte sich an Oscar. »Das ist das Problem mit den verdammten Moderatoren. Das sind Prolo-Gangs, eine richtige Nacht-und-Nebel-Armee. Tagsüber heißt es Alle-Macht-dem-Volk und revolutionäre Justiz. Aber das läppert sich zusammen, verstehen Sie? Da kommt was bei rum. Endlich bietet sich uns die Gelegenheit, unsere eigenen Regeln zu machen und dem kleinen Mann mal eine echte Chance zu geben.«
Huey schnaubte. »Dann taucht auf einmal der neue Präsident auf und beliebt in seiner unermesslichen Güte, sie zur Kenntnis zu nehmen. Wirft ihnen einen Brocken vor oder sogar zwei. Sie fallen übereinander her, sie salutieren vor seinen Socken, salutieren vor seinen Unterhosen. Sie bringen für den Mann ihre eigenen Brüder um. Das ist ekelhaft.«
»Der Mann ist ein Spieler. Er hat Talent, Huey.«
»Zum Teufel damit! Der Mann ist ein niederländischer Agent! Er hat das Land an eine ausländische Macht verkauft! Was glauben Sie eigentlich, weshalb die Niederländer so schnell aufgegeben haben? Ohne einen einzigen Schuss abgefeuert zu haben? Wir reden hier über die Niederländer ! Wenn jemand in ihr Land einmarschiert, dann fluten sie ihr Land und sterben in den Gräben, mit langen, spitzen Stöcken in den Händen. Sie haben so schnell aufgegeben, weil sie die ganze Sache von Anfang an geplant hatten.«
»Das ist eine interessante Theorie, Gouverneur.«
»Sie sollten sich irgendwann mal mit den Franzosen über diese Theorie unterhalten. Die Franzosen, die verstehen sich auf Theorien. Die Franzosen wissen Bescheid. Wir amüsieren sie, die halten uns Amerikaner für geborene Clowns, die finden noch unsere miesesten Komödianten komisch. Aber vor den Niederländern haben sie Angst. Das ist das Problem mit dem modernen Amerika. Wir haben uns eingeigelt, wir sind engstirnig geworden. Wir wissen nicht mehr, was vor sich geht. Scheiße, wir waren in der Wissenschaft mal weltweit führend… führend auf allen Gebieten. Länder wie Frankreich kommen auch ohne Wissenschaft zurecht. Die mampfen einfach ein bisschen mehr guten Käse und lesen mehr Racine. Aber Amerika ohne Wissenschaft, das ist ein einziges großes Nebraska. Mit Menschen, die in Indianerzelten leben. Na, wenigstens wollen die Zeltleute noch was. Sollen sie die Wissenschaft betreiben. Sollen sie mit dem Problem fertig werden.«
»Diese Theorie ist noch interessanter.«
»Ja, klar, yeah. In der Beziehung GLAUBEN SIE MIR«, dröhnte der Gouverneur. »Sie haben mir die verdammten Kleider gestohlen, Sie Unglücksmensch! Sie haben mir die Forschungseinrichtung gestohlen. Sie haben meine Daten gestohlen. Es gab nur eine Sache, von der Sie nichts wussten, eine verdammt wichtige Sache, an die Sie nicht herangekommen sind! Und deshalb hab ich Sie Ihnen gegeben.«
»Ich verstehe.«
»Sie können Huey nicht vorwerfen, er sei knickerig. Sie haben mich bloßgestellt, wo Sie nur konnten. Haben mich kreuz und quer durch die Presse gejagt. Haben mir einen Senator auf den Hals gehetzt. Haben den Präsidenten gegen mich aufgewiegelt. Sie sind ein umtriebiger Bursche. Aber wissen Sie was? Sie haben keinen MUMM, Mann! Sie haben keine SEELE! Sie GLAUBEN nicht! In ihrem Eierkopf ist keine einzige neue Idee. Sie sind wie ein verdammter Otter, der ein Bibernest ausräumt und die kleinen Biber frisst. Aber ich habe große Neuigkeiten für Sie, Soapy. Sie sind jetzt der wahre Biber.«
»Gouverneur, das ist wirklich faszinierend. Sie sagen, Sie hätten mich studiert; also, ich habe Sie ebenfalls studiert. Ich habe eine Menge in Erfahrung gebracht. Sie sind ein Mann von großer Tatkraft und Begabung. Unverständlich ist mir allerdings, weshalb Sie ihre Ziele auf solch absurde, geschmacklose, unzivilisierte Weise verfolgen.«
»Mein Sohn, das lässt sich leicht beantworten. Und zwar weil ich ein scheißarmer, scheißignoranter Hinterweltler aus einem überschwemmten Sumpf bin! Uns Provinzlern des einundzwanzigsten Jahrhunderts ist nichts mehr in den Schoß gefallen. Das Öl haben sie uns rausgepumpt, die Bäume haben sie gefällt, die Fische gefangen, den Boden vergiftet, den Mississippi in eine riesige Kloake verwandelt, die den Golf in fünfhundert Meilen Umkreis zum Umkippen gebracht hat. Dann kamen die Hurrikane, und das Meer erhob sich! Was, zum Teufel, haben Sie von uns erwartet, als Sie da oben in Boston das Silberbesteck poliert haben? Wir Cajuns brauchen eine Perspektive, genau wie alle anderen auch. Wir leben hier seit vierhundert Jahren! Und im Gegensatz zu den Eierköpfen aus Boston haben wir nicht vergessen, Kinder zu zeugen. Wenn Sie noch richtig ticken würden, dann hätten sie diesen bedauernswerten Architekten sausen lassen und stattdessen für mich gearbeitet.«
»Ihre Methoden haben mir nicht gefallen.«
»Mann, Sie haben Sie doch selbst eingesetzt, und nicht zu knapp. Scheiße, ich hab’s mit den Methoden nicht allzu genau genommen. Wenn Sie einen besseren Vorschlag haben, spucken Sie ihn aus! Lassen Sie uns drüber reden.«
»Hey, Huey«, sagte Kevin. »Wie steht’s mit mir? Ich habe auch so meine Methoden.«
»Sie sind ein Mann von gestern, Mr. Whitey Sie sind der Handlanger, Sie können von Glück sagen, dass Sie einen verdammten Job haben. Lassen Sie mich mit dem genetischen Wunderknaben reden. Hier ist das Hirn gefragt. Das geht nur Erwachsene was an.«
»Hey, Huey!« Kevin grinste. »Meine Methoden funktionieren noch. Ich habe Sie wegen der Haitianer geoutet. Ich habe das gedeichselt, ich hab Leute über die Grenze eingeflogen.«
Huey legte angewidert die Stirn in Falten. »Was ich meine, ist folgendes«, wandte er sich an Oscar. »Wir sitzen beide im selben Boot. Hätte ich das Labor behalten, hätte ich ein neues Bewusstsein in großem Maßstab verbreiten können. Aber das werde ich trotzdem tun – ich werde die Bewohner dieses Bundesstaates zu den gescheitesten, tüchtigsten, kreativsten Menschen auf Gottes grüner Erde machen. Sie haben mir einen ganz schönen Dämpfer verpasst – aber Scheiße, Mann, das ist jetzt Geschichte. Jetzt bleibt Ihnen nichts anderes mehr übrig, als dem guten alten Huey zu helfen. Weil Sie an der Macht kleben, ständig um Nachsicht betteln, ihre Vergangenheit verstecken. Jetzt sind Sie ein Freak in zweifacher Hinsicht. Aber wenn Sie sich jetzt auf Hueys Seite schlagen – und wenn Sie Ihre Geliebte mitbringen, welche die eigentliche Quelle all dieser Wohltaten ist und im selben Boot sitzt wie Sie –, dann können Sie Ihr Leben von Grund auf neu anpacken. Dann ist der Himmel die Grenze.«
»Zunächst müsste ich erst mal meinen Zorn bezähmen, Etienne.«
»Ach, Unsinn! Wahre Spieler kennen keinen Groll. Weshalb sollten Sie sich über mich ärgern? Ich akzeptiere Sie wirklich. Ich liebe Ihr verdammtes Vergangenheitsproblem. Wissen Sie, ich hab Sie endlich durchschaut. Wenn Amerika zur Ruhe kommt und völlig normal wird, dann sind Sie endgültig draußen. Sie werden sich immer die Nase an der Glasscheibe plattdrücken und anderen Leuten beim Champagnertrinken zusehen. Nichts, was Sie tun, wird von Dauer sein. Sie werden ein Monstrum sein, ein Schatten, und zwar bis an Ihr Lebensende. Aber wenn Sie von Anfang an bei der bevorstehenden Revolution des menschlichen Geistes mitmischen, mein Sohn, dann können Sie das gottverdammte Massachusetts haben. Ich schenk’s Ihnen.«
»Hey, Huey! Yo! Waren Sie schon immer so verrückt, oder kommt das vom Dope?«
Huey überging Kevins Einwurf, doch seine Miene verfinsterte sich noch mehr. »Ich weiß, Sie können mich deswegen angreifen. Klar, nur zu. Posaunen Sie ruhig raus, was für ein Freak Sie jetzt sind. Erzählen Sie den Leuten, dass sich die ehemalige Geliebte Ihres Senators – Moira ist jetzt übrigens in Frankreich – wegen des schmutzigen Tricks, mit dem Sie seinen armseligen Arsch gerettet haben, an Ihnen gerächt hat. Treten Sie als Feuerschlucker vor die Öffentlichkeit hin und stecken Sie sich nur selbst in Brand. Oder nehmen Sie Vernunft an und kommen Sie zu mir an Bord! Sie werden genau das Gleiche tun wie vorher auch. Aber anstatt die Leute zu einer neuen Lebensweise zu beschwatzen – Scheiße, Worte bleiben sowieso nicht haften –, können Sie sie ihnen jetzt ins Gehirn blasen. Dann gibt es für sie kein Zurück mehr. Ebensowenig wie für Sie.«
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