Kael sprang beiseite und wirbelte herum. Dann setzte er mit einer derartigen Gewalt und Intensität zum Gegenangriff an, dass Arthas überrascht zurückwich. Er war gezwungen, erst einen Schritt, dann zwei nach hinten zu tun. Und plötzlich rutschte er aus und stürzte. Zischend sprang Kael vor und wollte ihn mit einem finalen Schlag erledigen. Doch Arthas erinnerte sich an die Übungen mit Muradin und der Lieblingstrick des Zwerges fiel ihm mit einem Mal wieder ein. Er zog die Beine an und trat mit aller Kraft nach Kael’thas. Der Magier keuchte und wurde in den Schnee geworfen.
Schwer atmend kam der Todesritter auf die Beine, nahm Frostgram in beide Hände und stieß damit zu.
Irgendwie war plötzlich Flammenstoß da. Die Klingen prallten erneut gegeneinander. Kael’thas’ Augen brannten vor Hass.
Doch Arthas war stärker im bewaffneten Kampf, stärker mit dem stärkeren Schwert, trotz Kaels Prahlerei über Felo’melorn. Langsam, aber unausweichlich näherte sich Frostgram Kael’thas’ Kehle.
»Sie hasst Euch«, flüsterte Kael.
Arthas brüllte auf, die Wut beeinträchtigte einen Moment lang seine Sicht. Dann stieß er mit aller Kraft zu.
Und traf den Schnee und die gefrorene Erde.
Kael’thas war fort.
»Feigling!«, schrie Arthas, obwohl er wusste, dass der Prinz ihn nicht hören konnte. Der Bastard war wieder in der letzten Sekunde wegteleportiert. Wut durchfuhr ihn, drohte sein Urteilsvermögen zu trüben. Er schob sie beiseite. Es war dumm gewesen, dass er sich von Kael’thas derart hatte provozieren lassen.
Verflucht seist du, Jaina. Selbst jetzt verfolgst du mich noch.
»Invincible, zu mir!«, schrie er und erkannte, dass seine Stimme zitterte. Kael’thas war nicht tot, doch er war aus dem Weg und nur das zählte. Er bestieg das Skelettpferd, stürzte sich erneut ins Schlachtgetümmel und ritt auf den Thronsaal seines Herrn zu.
Arthas bewegte sich durch die Feinde, als wären sie nur Insekten. Wenn sie starben, belebte er sie wieder und schickte sie gegen ihre Kameraden. Die Flut der Untoten war unaufhaltsam und unerbittlich. Der Schnee unterhalb des Gipfels war aufgewühlt und mit Blut durchtränkt. Arthas blickte sich um, sah die letzten Kämpfe. Er entdeckte zwar die Blutelfen – doch kein Zeichen ihres Herrn.
Wo war Illidan?
Eine schnelle Bewegung erregte seine Aufmerksamkeit. Arthas knurrte leise, als er seinen Gegner erkannte. Noch ein Schreckenslord. Dieser drehte ihm den Rücken zu. Seine schwarzen Flügel waren ausgestreckt, der Schnee schmolz unter seinen Hufen.
Arthas hob Frostgram. »Ich habe deine Art schon bei anderer Gelegenheit getötet, Schreckenslord«, zischte er. »Dreh dich um und stell dich mir, wenn du es wagst – oder fliehe in den Nether wie ein feiger Dämon.«
Die Gestalt wandte sich langsam um. Riesige Hörner ragten aus ihrem Schädel. Auf den Lippen bildete sich ein Lächeln. Und über den Augen befand sich eine zerlumpte schwarze Augenbinde. Zwei grüne leuchtende Punkte befanden sich dort, wo die Augen hätten sein sollen.
»Hallo Arthas.«
Tief und finster klang seine Stimme. Die hatte sich deutlich weniger geändert als der Körper des Kaldorei. Die Haut hatte immer noch denselben bleichen lavendelfarbenen Ton. Und er trug noch immer dieselben Tätowierungen und Narben. Doch die Beine, die Flügel, die Hörner…
Arthas verstand augenblicklich, was geschehen sein musste. Deshalb war Illidan so mächtig geworden.
»Ihr seht anders aus, Illidan. Ich schätze, der Schädel von Gul’dan vertrug sich nicht so recht mit Euch.«
Illidan warf sein gehörntes Haupt in den Nacken. Dunkles Gelächter dröhnte aus ihm hervor. »Im Gegenteil, ich habe mich nie besser gefühlt. Eigentlich müsste ich Euch für meinen gegenwärtigen Zustand danken, Arthas.«
»Zeigt Eure Anerkennung, indem Ihr mir aus dem Weg geht.« Arthas’ Stimme war plötzlich kalt und es lag keine Spur von Humor mehr darin. »Der vereiste Thron gehört mir, Dämon. Tretet beiseite. Verlasst diese Welt und kehrt niemals zurück. Wenn Ihr es doch tut, warte ich auf Euch.«
»Wir beide haben unsere Herren, Junge. Meiner verlangt die Zerstörung des vereisten Throns. Und es scheint, dass wir uns uneins sind«, antwortete Illidan und hob die Waffe, die Arthas einst bekämpft hatte. Seine mächtigen Klauen mit den scharfen schwarzen Krallen schlossen sich darum und er führte sie mit Anmut und trügerischer Gelassenheit.
Arthas verspürte einen Hauch von Unsicherheit. Er hatte gerade erst einen Kampf mit Kael’thas beendet. Und obwohl er der Sieger gewesen wäre, wenn der feige Elf sich nicht in letzter Sekunde wegteleportiert hätte, hatte das Gefecht ihn doch erschöpft. Illidans Haltung hingegen verriet kein Anzeichen von Müdigkeit.
Illidans Lächeln wurde breiter, als er das Unbehagen seines Feindes bemerkte. Er gestattete sich eine Demonstration seines meisterhaften Umgangs mit der ungewöhnlichen dämonischen Waffe. Dann ging er in Position und bereitete sich auf den Kampf vor. »Es muss getan werden!«
»Eure Truppen sind entweder vernichtet oder Teil meiner Armee.« Arthas zog Frostgram. Seine Runen leuchteten hell, Nebel stieg aus dem Griff auf. Hinter der Augenbinde leuchteten Illidans Augen viel heller und grüner, als Arthas sie in Erinnerung hatte.
Diese Augen verengten sich, als er die Runenklinge erkannte. Wenn der dämonisch veränderte Kaldorei eine mächtige Waffe hatte, so hatte Arthas auch eine. »Ihr endet auf die eine oder andere Weise.«
»Das bezweifle ich«, höhnte Illidan. »Ich bin stärker als Ihr glaubt und mein Herr hat Euren erschaffen! Kommt, Junge. Ich beseitige den Diener, bevor ich Euren erbärmlichen…«
Arthas griff an. Frostgram leuchtete und summte in seinen Händen, so begierig auf Illidans Tod wie er selbst. Der Elf schien von dem plötzlichen Angriff nicht sonderlich beeindruckt zu sein. Mit größter Leichtigkeit hob er seine Doppelklinge, um zu parieren. Frostgram hatte schon zuvor alte und mächtige Schwerter vernichtet. Doch dieses Mal schlug die Runenklinge nur gegen das glühende grüne Metall und knirschte.
Illidan lächelte. Arthas spürte erneut Unbehagen. Die Kraft aus Gul’dans Schädel hatte Illidan tatsächlich verändert. Unter anderem war er physisch viel stärker geworden. Illidan lachte. Es war ein tiefes, hässliches Geräusch, dann drängte er kräftig gegen Arthas.
Arthas wurde zurückgetrieben, fiel auf die Knie und versuchte sich zu verteidigen, während der Dämon ihn niederrang.
»Es ist schön, die Positionen so zu tauschen«, knurrte Illidan. »Ich könnte Euch schnell töten, Todesritter, wenn Ihr mir einen guten Kampf bietet.«
Arthas verschwendete keinen Atem für Beleidigungen. Er biss die Zähne zusammen und konzentrierte sich darauf, die Schläge abzuwehren, die auf ihn einprasselten. Die Waffe war ein Wirbel leuchtenden Grüns. Arthas konnte die Macht der dämonischen Energie spüren, die davon ausging. Genauso würde Illidan Frostgrams grimmige Dunkelheit spüren können.
Plötzlich war Illidan fort und Arthas taumelte vorwärts. Sein eigener Schwung raubte ihm das Gleichgewicht. Er hörte ein flatterndes Geräusch, wirbelte herum und sah Illidan über sich. Seine großen ledrigen Flügel wirbelten die Luft auf, als er außer Reichweite flog.
Sie blickten einander an. Arthas kam zu Atem. Er konnte erkennen, dass auch Illidan nicht unbeeindruckt von dem Kampf geblieben war. Schweiß glitzerte auf dem riesigen lavendelfarbenen Körper. Arthas beruhigte sich, Frostgram hielt er bereit für den Zeitpunkt, wenn Illidan zu einem neuerlichen Angriff herabstürzen würde.
Dann tat Illidan etwas völlig Unerwartetes. Er lachte und in einer blitzschnellen Bewegung schien er seine Waffe zu teilen. In jeder seiner mächtigen Hände lag jetzt ein Schwert.
»Sieh die Zwillingsklingen von Azzinoth«, höhnte Illidan. Er flog höher, wirbelte die Klingen in seiner rechten und linken Hand und Arthas erkannte, dass er mit beiden Händen gleich gut umgehen konnte. »Zwei glorreiche Kriegslanzen. Sie können als eine einzige verheerende Waffe eingesetzt werden… oder, wie Ihr seht, als zwei. Es war die bevorzugte Waffe der Verdammniswache – und gehörte einem mächtigen Dämonenhauptmann, den ich getötet habe. Vor zehntausend Jahren. Wie lange kämpft Ihr schon mit Eurem hübschen Schwert, Mensch? Wie gut kennt Ihr es?«
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