Der Orc schlug weitere drei Mal mit seinem Knüppel zu, und alle drei Hiebe parierte Strov. Nach dem dritten griff er selbst an und trat den Orc in den Bauch. Mit einer solchen Attacke hatte sein Gegner nicht gerechnet. Er strauchelte, und Strov stieß mit dem Schwert nach. Doch selbst im Stolpern konnte der Orc den Vorstoß mit seinem Knüppel abblocken.
Zum Unglück des Orcs gewann Strov durch diese Aktion aber immer mehr Oberwasser. Er attackierte nun ohne Unterlass mit verschiedenen Stößen und Schlägen und hoffte darauf, den Orc unvorbereitet zu treffen. Aber sein Gegner war gewieft. Er hatte erstaunliche Reflexe und war nun auf weitere Tritte und Schläge von Strov vorbereitet.
Strov wusste, dass sich viele Menschen voll auf ihre Waffe verließen. Aber er selbst zog es vor, seinen ganzen Körper einzusetzen.
Er stieß nach unten und hoffte, dass der Orc tief genug kontern würde. Dadurch würde sich seine Abwehr öffnen, und Strov könnte einen hohen Schlag auf den Schädel anbringen. Doch der Orc sah das voraus und hielt den Knüppel nur mit einer Hand, die andere hatte er erhoben, um sein Gesicht zu schützen.
Deshalb trat Strov dem Orc gegen das Bein. Der Tritt war nicht fest genug, um den Knochen zu brechen, aber der Orc stolperte und fuchtelte mit beiden Armen, um die Balance zu halten. Das gab Strov die Lücke, die er suchte, um dem Orc in die Brust zu stechen.
Zumindest dachte er das. Das Schwert durchdrang die Kutte mit Leichtigkeit, bis die Klinge halb eingedrungen war. Aber es fühlte sich nicht an, als ob sie in Fleisch schneiden würde. Und als er sie herauszerrte, was ihm mehr Mühe bereitete als erwartet, war auch tatsächlich kein Blut darauf zu sehen.
Strov biss die Zähne zusammen und konzentrierte sich, damit ihn die Überraschung darüber, kein Blut vergossen zu haben, nicht von seinem Gegner ablenkte, der jetzt wieder sicher auf den Beinen stand.
Strov atmete tief ein, griff erneut an und verbot sich jede Schwäche. Er schlug auf den Hals des Orcs ein, wurde abgewehrt, hieb dann sofort auf den Bauch, dann wieder gegen den Hals und noch einmal auf die Beine. Seine Arme schienen aufgrund ihrer Geschwindigkeit zu verschwimmen, als er den Orc weiter und weiter bedrängte und keinen Zoll Boden wieder preisgab. Er ließ seinem Gegner kaum Zeit zu parieren und hoffte, dass die Gegenwehr früher oder später erlahmen würde.
Plötzlich erschien wie aus dem Nichts eine Klinge und traf den Kopf des Orcs. Die Kutte wurde vom Stahl durchtrennt; eine Hälfte fiel herab und enthüllte das wütende grüne Gesicht eines männlichen Orcs. In seinen linken Hauer war ein brennendes Schwert eingraviert.
Die zu Hilfe geeilte Klinge gehörte Oberst Lorena. Strov nahm an, dass sie ihren eigenen Gegner bereits erledigt hatte.
Dann brüllte der Orc den Befehl zum Rückzug und alle riefen im Chor: »Galtak Ered'nash !«
Strov kannte viele Sprachen, darunter die der Orcs, Trolle, Gnome und Zwerge und ebenso alle vier Dialekte der Elfen. Doch diesen Ausruf hatte er noch nie zuvor gehört.
Als sein Gegner flüchtete, blickte sich Strov um und bemerkte, dass lan und Mal am Boden lagen, der eine tot, mit aufgeschlitzter Kehle, der andere lebend, aber am Bein verletzt. Ansonsten waren Lorena, Jalod, Paolo und Clai unverwundet. Auch einer der Orcs lag am Boden, die anderen sechs suchten das Weite, zwei bluteten.
»Strov, Clai, verfolgt sie!«, rief Lorena, während sie zu Mal rannte.
Clai war der beste Kämpfer des Trupps. Strov sah, dass sein Mitstreiter jede Menge Orc-Blut an seinem Schwert hatte. »Konntest du das Fleisch treffen?«, fragte Strov und lief in dieselbe Richtung wie die sechs Orcs.
Clai nickte. »Aber nur, wenn ich den Kopf oder den Hals erwischt habe. Es war, als ob ihre Körper aus Rauch oder so was bestünden.«
Die Gestalten waren zwischen überhängenden Weidenästen verschwunden, die fast wie eine Wand wirkten. Nur ein paar Schritte dahinter rannten Clai und Strov ebenfalls hindurch und... fanden niemanden mehr vor.
Kein Lebenszeichen von den Orcs. Selbst die Blutspur der beiden Verletzten war verschwunden. Man konnte gut eine halbe Meile in jede Richtung blicken. Es wäre den Orcs unmöglich gewesen, in der kurzen Zeit außer Sichtweite zu gelangen.
Strov blieb stehen und atmete tief durch. »Riechst du das?«
Clai schüttelte seinen Kopf.
»Schwefel. Und Kräuter, Thymian denke ich.«
Verwirrt fragte Clai, »Was bedeutet das?«
»Magie. Und es erklärt auch, warum wir sie nicht verletzen konnten.«
Mit einem fast schon wahnsinnigen Ausdruck in den Augen fragte Clai: »Dämonen?«
»Bete drum, dass es keine sind.« Strov schauderte. Clai war neu, ein Rekrut, der zu jung war, um bereits gegen die Brennende Legion gekämpft zu haben. Den Wunsch, die Dämonen zu bekämpfen, hatte ohnehin nur jemand, der noch niemals gegen diese Wesen antreten musste.
Strov rannte durch das Geäst zurück zu Lorena. Clai folgte ihm.
Der Oberst kniete bei Mal. Paolo versorgte seine Wunden. Als sie Strov und Clai sah, stand sie auf und fragte wütend: »Was ist passiert?«
»Sie sind verschwunden, Ma'am. Vollständig, selbst ihre Blutspur. Außerdem stinkt es dort, wo wir sie verloren, nach Magie.«
Lorena spie aus. »Verdammt!« Sie pfiff durch die Zähne und zeigte dann auf die Kutte am Boden »Aber das passt. Den hier können wir wohl auch nicht mehr befragen.«
Als er genau hinschaute, erkannte Strov, dass die Kutte leer war. Er stocherte mit seinem Schwert in der Kleidung herum, wodurch er etwas Asche aufwirbelte. Dann sah er den Oberst an.
» Definitiv Magie«, sagte sie mit einem Nicken.
»Ma'am, da fällt mir etwas ein...« Als er sich an eine Unterhaltung mit seinem Bruder erinnerte, dämmerte es Strov endlich, was ihm so vertraut vorgekommen war. »Das ist es!«
»Was, Gefreiter?«
»Als ich das letzte Mal zu Hause war, hat mir mein Bruder Manuel von einer Gruppierung erzählt, die sich Flammendes Schwert nennt. Jemand versuchte, ihn im Demonsbane dafür anzuwerben. Man hat ihm erzählt, dass sie Leute suchen, die damit unzufrieden sind, wie sich die Dinge derzeit entwickeln. Aber mehr wusste er auch nicht.«
Jalod schnaubte. »Niemand ist damit zufrieden, wie sich die Dinge derzeit entwickeln. Aber das ist doch kein Grund für eine Verschwörung.«
Strov fand Jalods Antwort merkwürdig, wenn man bedachte, was er zuvor geäußert hatte. Aber er ging nicht darauf ein, sondern setzte seinen Bericht an den Oberst fort. »Ma'am, der Orc, den ich bekämpft habe, hatte ein brennendes Schwert in seine Hauer eingraviert.«
»Ein brennendes Schwert.« Lorena schüttelte den Kopf.
»Der, den ich bekämpft habe, der sich danach in Asche verwandelte, hatte auch eine solche Verzierung – an seinem Nasenring.«
Clai hob seine Hand. »Darf ich, Ma'am?«
Lorena nickte.
»Meiner hatte auch eine. Es war wie bei dem vom Gefreiten Strov, Ma'am, auf seinem Hauer.«
»Verdammt.« Sie sah zu Paolo, der nun über Mal stand. »Wie geht es ihm?«
»Braucht einen richtigen Heiler, aber ich kümmere mich darum, bis wir zurück nach Theramore kommen.« Er schaute an Lorena vorbei in Richtung Northwatch. »Ich würde keinem Lazarett vor Ort trauen, Ma'am.«
Durch seine zusammengepressten Zähne sagte Mal: »Das finde ich auch, Ma'am.«
»Gut.« Sie steckte ihr Schwert zurück, ohne es abzuwischen. Strov nahm an, dass sie es auf dem Boot nachholen würde. Er folgte Lorena in Richtung der Docks.
»Lasst uns zum Schiff gehen und gebt ihm etwas von meinem Brandy, um seine Schmerzen zu lindern, wenn wir an Bord sind«, ordnete sie an.
Grinsend kommentierte Mal: »Der Oberst ist eine großzügige Frau.«
Lorena schenkte dem Korporal ein schiefes Lächeln und erwiderte: »Nicht so großzügig. Nur zwei Fingerbreit hoch und nicht mehr. Das Zeug ist teuer.«
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