Er drehte sich um, aber nicht zum Diagramm oder zu Lord Xavius hin, sondern zum Portal.
Erneut rief er den Wind. Dieses Mal bat er ihn jedoch, seine wahre Stärke zu beweisen und nicht nur einfachen Nebel zu vertreiben. Malfurion warf einen Blick auf die Hochgeborenen und forderte den Wind heraus, seine wahre Macht zu demonstrieren.
Und die Zauberer standen plötzlich in einem Sturm. Drei von ihnen wurden durch den Raum geschleudert und prallten hart gegen die Wand. Noch während sie fielen, taumelte ein anderer zurück und stolperte über einen der reglosen Körper.
Die anderen krümmten sich, versuchten der brutalen Kraft des Winds zu entgehen. Es fiel keiner mehr dem wütenden Sturm zum Opfer, aber die erlittenen Verluste waren ein schwerer Schlag für die Überlebenden. Das Portal begann zu flackern und zu erzittern. Das Gefühl des Bösen, das Malfurion die ganze Zeit über gespürt hatte, schwächte ab.
Brennende Hände griffen plötzlich von hinten nach seinem Hals und begannen ihn zu würgen. Sie brannten sich in Malfurions Geistkörper, als wäre es wahrhaftiges – sein eigenes! – Fleisch. Er stieß einen furchtbaren Schrei aus, den nur der Angreifer hören konnte.
»Die Macht des Erhabenen ist mit mir!«, brüllte der Berater der Königin triumphierend. »Gegen uns beide kannst du nicht bestehen!«
Malfurion spürte, wie neuerlich das Böse aus dem instabilen Portal kroch. Es war zwar noch immer nicht so mächtig wie vorhin, als es versucht hatte, ihn auf die Seite der Hochgeborenen zu ziehen. Aber es unterstützte den ohnedies schon mächtigen Berater. Dagegen kam selbst die Kraft, die Malfurion von den dreien in seinem Geist erhielt, nicht an.
Tyrande … Er wollte die Priesterin nicht rufen, fürchtete aber, dass er sie nie wieder sehen, ihr nie wieder nah sein würde.
Wiederum erfüllte Krasus’ Stimme seinen Geist. Sei mutig, Druide … ein anderer hat genau auf diesen Moment gewartet .
Eine vierte Präsenz tauchte auf und schloss sich sofort mit den anderen zusammen. Malfurion spürte die Schwäche des Neuankömmlings, aber verglichen mit den Kräften seines eigenen Volks war sie vernachlässigbar. Seltsamerweise fühlte sich die neue Präsenz so vertraut an, als sei sie Krasus’ Zwilling. Es fiel Malfurion in den ersten Momenten schwer, sie voneinander zu unterscheiden.
Sogar die Stimme in seinem Kopf erinnerte ihn an Krasus. Ich bin Korialstrasz … und ich gebe gerne, was ich besitze .
Sie alle gaben das, womit das Leben, die Natur sie ausgestattet hatte. Korialstrasz’ Erscheinen verstärkte Malfurions Kraft hundertfach und schenkte ihm eine Hoffnung, wie er sie noch nicht gespürt hatte.
Du bist ein Druide … Krasus erinnerte ihn erneut daran. Die Welt gibt dir Kraft .
Malfurion fühlte sich euphorisch. Jetzt spürte er nicht nur seine weit entfernten Begleiter, sondern auch die Steine, den Wind, die Wolken, die Bäume … einfach alles. Malfurion wurde beinahe überwältigt vom Zorn, den die Welt nun ausstrahlte. Das Böse, das die Hochgeborenen und die Dämonen gesät hatten, beleidigte die Elemente wie nichts anderes je zuvor.
Ich habe euch versprochen, ich würde tun, was ich kann , sagte er zu ihnen. Wenn ihr mir eure Stärke ebenfalls leiht, wird dies auch geschehen!
Für Malfurion schien eine Ewigkeit zu vergehen, aber als sein Blick wieder zu Lord Xavius zurückkehrte, erkannte er, dass nur ein Lidschlag vergangen war. Der Berater stand da wie eingefroren. Aber sein Gesichtsausdruck änderte sich langsam, als er sich gemeinsam mit seinem Herrn darauf vorbereitete, seinen Gegner, den Geist, endgültig zu vernichten.
Malfurion lächelte über die Dummheit des anderen Nachtelfen. Er hob seine Hände zum verborgenen Himmel und beschwor seine Macht.
Draußen donnerte es. Die Hochgeborenen rings um Portal und Diagramm wankten erneut, erkannten, dass das, was sich entfaltete, nicht Teil ihres Zaubers war. Sogar Lord Xavius zuckte zusammen.
Dann, plötzlich, erbebte der Palastturm und … wurde auseinander gerissen .
Hauptmann Varo’then kniete vor Azshara. Sein Helm klemmte unter seinem Arm. »Ihr habt mich gerufen, meine glorreiche Königin?«
Zwei Dienerinnen kämmten Azsharas seidiges Haar. Sie taten dies mehrmals täglich, damit es weich und vollkommen blieb. Während sie diese Aufgabe verrichteten, genoss Azshara die exotischen Düfte, die Händler ihr kürzlich gebracht hatten.
»Ja, Hauptmann. Ich habe mich gefragt, was das für ein Lärm ist, den man von oben hört. Es klingt, als käme er aus dem Turm. Gibt es Probleme, über die man mich nicht informiert hat?«
Der Nachtelf straffte die Schultern. »Keine, von denen ich wüsste, Licht der tausend Monde. Vielleicht sind es die Vorbereitungen für Sargeras’ Ankunft.«
»Glaubt Ihr?« Ihre Augen leuchteten. »Wie wundervoll!« Sie scheuchte ihn mit einer Geste davon. »In diesem Fall sollte ich mich vorbereiten! Wir werden sicherlich ein wunderschönes Ereignis erleben.«
»Wie Ihr meint, Ruhm unseres Volkes. Wie Ihr meint.« Der Hauptmann erhob sich und setzte seinen Helm auf. »Soll ich, um sicher zu gehen, nachsehen?«
»Nein, ich bin sicher, dass Ihr Recht habt. Stört bloß Lord Xavius nicht.« Azshara roch an einem anderen Gefäß. Es gefiel ihr, wie der daraus entsteigende Duft ihr Blut in Wallung versetzte. Vielleicht würde sie diesen für ihr Zusammentreffen mit dem Gott wählen. »Mein geschätzter Berater hat schon alles im Griff …«
Die obere Hälfte der Turmkammer existierte nicht mehr. Die Blitze, die der Himmel schickte, hatten sie fortgerissen und sie mitsamt des Daches in die dunkle Quelle stürzen lassen.
Einige große Steine waren in den Raum gefallen, hatten zwei Hochgeborene getötet und den Rest auseinander getrieben. Das Schilddiagramm und das Portal standen noch – aber beides war stark geschwächt worden.
Heulende Winde rissen an den Wesen im Innern. Ein Zauberer, der durch die Explosion ans Ende des Raumes geschleudert worden war, versuchte aufzustehen. Der Wind verfing sich in seiner Robe und drückte ihn nach hinten. Kreischend folgte er dem bereits vorausgeeilten Teil des Turmes hinab in die Tiefe.
Starker Regen prasselte auf die Überlebenden. Die Hochgeborenen sanken auf die Knie und versuchten verzweifelt, ihren Zauber aufrecht zu erhalten. Der Sturm war jedoch so stark, dass es ihnen kaum gelang, gegen ihn anzukommen.
Nur zwei Gestalten wurden von den Elementen nicht berührt. Die eine war Malfurion, der in seinem Geistkörper immun gegen Wind und Regen war. Die andere war Lord Xavius, der nicht nur von der Macht, die er aus der Quelle zog, beschützt wurde, sondern auch von dem Bösen aus dem dunklen Portal.
»Beeindruckend!«, rief der Berater. »Letzten Endes jedoch sinnlos, mein junger Freund! Du kannst deine Kraft nur aus dem Quell ziehen … während ich über die Macht eines Gottes gebiete!«
Seine Bemerkungen riefen bei Malfurion Genugtuung hervor. Der Lord-Berater hatte keine Ahnung, gegen was er gerade kämpfte. Er glaubte, lediglich einem talentierten Zauberer gegenüberzustehen.
»Nein, Milord«, rief der junge Nachtelf zurück. »Ihr irrt Euch. Für Euch gibt es nur die Macht der Quelle und die angebliche Stärke eines Dämons, der behauptet, ein Gott zu sein! Ich hingegen … nun, die Macht der Welt ist mein Verbündeter!«
Xavius musterte ihn herablassend. »Ich habe keine Zeit mehr für dein Gefasel …«
Malfurion spürte, wie er mehr Kraft als jemals zuvor aus der Quelle erhielt. Für einen Moment fürchtete sich der Druide, aber dann beruhigte ihn seine eigene Stärke.
»Ihr müsst aufgehalten werden«, erklärte er dem Berater. »Du und das Ding, dem du dienst, ihr müsst aufgehalten werden!«
Malfurion würde nie erfahren, welchen Zauber Lord Xavius wirken wollte. Der Berater vollendete ihn nicht, denn die Elemente selbst griffen ihn nun an. Blitze bohrten sich immer wieder in Xavius, verbrannten ihn von innen und außen. Seine Haut wurde schwarz und platzte auf. Aber er stand immer noch.
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