Die Unerschrocken fiel aus dem Hyperraum und schwenkte in einen Orbit um den Planeten Gehenna ein, die Welt des ewigen Feuers. Gehenna brannte wie ein weiß glühendes Stück Kohle in der Nacht. Kontinentweite Flammen zuckten in die Atmosphäre hinauf, ohne jemals zu erlöschen. Vor langer Zeit hatte irgend etwas auf der Oberfläche Feuer gefangen, und durch eine Art Kettenreaktion hatte sich das Feuer ausgebreitet, bis es den gesamten Planeten umspannte. Die Pole waren geschmolzen, die Ozeane verdampft, und nur die Flammen waren geblieben. Die Oberfläche brannte, verbrannte sich selbst; langsam, aber unaufhaltsam. Man hatte Hinweise gefunden, daß Gehenna einst von einer fremden Zivilisation bewohnt worden war, doch die Wesen waren verschwunden, und niemand wußte, was mit ihnen geschehen war. Nur eine Handvoll fremdartiger Steinbunker war geblieben, groß, massiv und eindrucksvoll, aber vollkommen leer, tief im Fels, weit weg von den alles verzehrenden Flammen. Wenn die Bunker ein Geheimnis besaßen, dann blieb es eines. Niemand wußte, ob die fremde Zivilisation von einer äußeren Macht zerstört worden war oder ob sie sich selbst ausgelöscht hatte. Oder ob das Feuer zuerst dagewesen oder ob es nur der Nebeneffekt von etwas gewesen war, das eine gesamte Spezies so sorgfältig vernichtet hatte, daß nicht mehr der kleinste Hinweis zurückgeblieben war.
Das Imperium hatte natürlich gewaltiges Interesse an einem Apparat oder was auch immer, der einen ganzen Planeten in Flammen setzen konnte. Er würde eine unglaublich gute Waffe abgeben, und Löwenstein wollte sie haben. Also hatte die Imperatorin Befehl gegeben, dort eine Basis einzurichten, mitten im Herzen der Flammen, geschützt durch die stärksten Energieschirme, die die Imperialen Ingenieure zu errichten imstande waren. Nach den Daten der Unerschrocken zu urteilen, arbeiteten die Wissenschaftler inzwischen seit neun Jahren dort, doch Antworten hatten sie noch nicht gefunden.
Schwejksam selbst führte den Landungstrupp an. Zum Teil, weil er an Ort und Stelle sein wollte, um Entscheidungen zu fällen, falls die Basis Schaden genommen hatte, aber hauptsächlich, weil er es eigentlich gar nicht wollte. Der Kapitän fühlte sich noch immer elend, und seine Leute musterten ihn weiterhin mit verstohlenen Blicken, wenn sie meinten, er würde es nicht bemerken. Schwejksam war nicht sicher, ob er wieder Entscheidungen würde fällen können, wenn Menschenleben auf dem Spiel standen, aber das war genau der Grund, aus dem er gehen mußte. Tat er es nicht, dann konnte er genausogut sein Kommando zurückgeben, und dazu war er noch nicht bereit. Also führte er den Landungstrupp persönlich. Und er betete, daß er der Situation gewachsen war. Frost begleitete ihn (natürlich) als Investigator der Unerschrocken. Aber was Schwejksam wirklich überraschte, war der Wunsch des Sicherheitsoffiziers Stelmach, ebenfalls mitzukommen. Vielleicht traute er den beiden nicht mehr über den Weg. Der Rest des Trupps bestand aus sechs Marineinfanteristen, die durch Los bestimmt worden waren, sowie Kommunikationsoffizier Eden Creutz. Creutz hatte zwei Jahre zuvor kurze Zeit auf Gehenna Dienst verrichtet. Er schien nicht sonderlich erfreut darüber, dem Planeten einen weiteren Besuch abzustatten.
Creutz war mittelgroß, mittelschwer, von dunkler Hautfarbe und ein schweigsamer Typ. Er hatte nicht zu denen gehört, die hinter Schwejksams Rücken über den Kapitän getuschelt hatten, doch er sprach auch außer Dienst kaum ein Wort. Als es schließlich darum gegangen war, ob er zum Landungstrupp gehören sollte oder nicht, war er beim Suchen von Gründen, die dagegen sprachen, zu Schwejksams Überraschung beinahe geschwätzig geworden. Schwejksam war das nur recht gewesen. Er wollte keine stumpfsinnigen, loyalen Leute in gefährlichen Situationen um sich haben. Er brauchte Leute, die Angst hatten, Leute, die mitdachten. Überlebenskünstler. Interessanterweise war Creutz noch gar nicht lange Kommunikationsoffizier. Er war von einer Position zur anderen versetzt worden, üblicherweise immer auf eigenen Wunsch, anscheinend, weil er sich nach einer Weile stets gelangweilt hatte, ganz egal, was er tat. Er war zu gut, und das in einer Umgebung, in der Uniformität mehr galt als alles andere. Creutz würde es entweder zum Kapitän bringen, noch bevor er dreißig war, oder vorher resignieren. Schwejksam hatte ihm das Kommando über die Pinasse übertragen, die sie zur Planetenoberfläche hinabbringen würde. Creutz würde sie sicher nach unten bringen oder bei dem Versuch sterben. Es lag nicht in seiner Natur, sich mit weniger zufriedenzugeben.
Schwejksam umklammerte die Armlehnen seines Sitzes, als die Pinasse wie ein Stein der Oberfläche entgegenfiel. Er schaltete sich über das Komm-Implantat auf die Sensoren des Schiffs, und vor seinen Augen erschienen die Temperaturanzeigen. Der Kapitän beobachtete mit ausdruckslosem Gesicht, wie die Werte sprunghaft anstiegen und sich auf einem unglaublichen Niveau einpendelten. Schwejksam schaltete die Anzeigen wieder ab. Sie machten ihn nervös. Die lange, schlanke Pinasse schoß durch die überhitzte Atmosphäre und bäumte sich auf, als sie durch die röhrenden Flammen raste, die sich meilenweit über die Oberfläche hinaufschwangen.
Schwejksam zwang sich dazu, die Armlehnen loszulassen. Die Außenhülle der Pinasse würde die Insassen vor jeder Temperatur schützen, und außerdem gab es auch noch den Energieschirm. Das Schiff würde mit allem zurechtkommen, was Gehenna ihm entgegenwerfen konnte.
Theoretisch zumindest.
Schwejksam hatte da seine Zweifel. Es gab bereits zu viele unbeantwortete Fragen in bezug auf Gehenna , und die Signalboje war nur die letzte davon. Der Kapitän rutschte unbehaglich auf seinem Sitz hin und her, aber bequemer wurde es dadurch nicht. Der Hartanzug verhinderte es. Schwejksam hatte ihn wie jeder andere auch angelegt, bevor er an Bord des kleinen Schiffes gegangen war. Er benötigte ihn erst, wenn die Pinasse gelandet war, aber einen Hartanzug überzuziehen war schon schwierig genug, wenn man ringsum viel Freiraum hatte.
In dem beengten Abteil der Pinasse wäre es ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, sich umzuziehen.
Der Hartanzug war zum Teil Raumanzug, zum Teil Schutzpanzer und mit Waffen ausgerüstet. Er war konstruiert, seinen Benutzer am Leben zu halten, egal, wie lebensfeindlich die Umgebung auch sein mochte. Wenn erst alle Systeme liefen, kühlte oder wärmte er seinen Träger, gleichgültig, was draußen geschah. Hartanzüge waren sperrig, und in ihnen war man ungefähr so gelenkig und flink wie ein Kieselstein, aber sie erfüllten ihren Zweck. Ihre Panzerung war transportablen Schutzschildern unterlegen, aber es gab keinen Ersatz, wenn es darum ging, eigenhändige Untersuchungen vorzunehmen. Diese Anzüge waren strahlungssicher, schützten perfekt gegen Umwelteinflüsse, waren härter als Stahl und überstanden beinahe alles – wenn es nicht gerade ein Disruptorstrahl aus unmittelbarer Nähe war. Ursprünglich als gepanzerte Kampfanzüge für Extremsituationen entworfen, hatten sie sich für diesen Zweck als zu schwer und unhandlich erwiesen, und so hatte die Flotte sie zu Allzweckschutzanzügen umfunktioniert. Jeder an Bord der Pinasse schien sich in seinem Anzug mit gewissen Einschränkungen wohl zu fühlen. Bis auf Schwejksam. Der Kapitän hatte das Gefühl, in ein erstarrendes Teerfaß gefallen zu sein.
Schweißperlen traten auf Schwejksams Stirn, doch er konnte den gepanzerten Arm nicht weit genug heben, um sie abzuwischen. Es hätte nicht so heiß sein dürfen. Die Lebenserhaltungssysteme der Pinasse hielten automatisch eine angenehme Innentemperatur aufrecht. Aber man konnte nicht an die unglaubliche Hitze dort draußen denken, ohne etwas zu spüren, und wenn es nur Einbildung war. Die sechs Marineinfanteristen ließen eine Flasche kreisen, doch die Servomechanismen ihrer Anzüge bewirkten, daß sie das meiste verschütteten.
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