Natürlich blieb es nicht aus, daß angesichts eines derart großartigen Werks auch der Teufel davon Notiz nahm. Und ganz offensichtlich war der wichtigste Anhänger des Teufels in Vigor Township Alvin Miller. Auch wenn all seine Söhne am Bau des Kirchenhauses halfen, wußte Thrower doch, daß dies nur Faiths Werk war. Die Frau hatte sogar zugegeben, daß sie im Innersten ihrer Seele der Church of Scotland nahestand, obwohl sie in Massachusetts geboren war; ihre Mitgliedschaft würde bedeuten, daß Thrower eine Gemeinde rechnen konnte — vorausgesetzt, daß Alvin Miller nicht alles zunichte machte.
Aber genau das würde er, da er sich von etwas verletzt fühlte, das Thrower unbedacht gesagt oder getan hatte. Der Streit um den Glauben an Zauberei ließ sich leider Gottes nun einmal nicht vermeiden. Die Fronten waren klar abgesteckt. Thrower stand auf der Seite der Wissenschaft und des Christentums, und auf der anderen befanden sich alle Mächte der Finsternis und des Aberglaubens: die tierische, fleischliche Natur des Menschen mit Alvin Miller als ihrem wichtigsten Vorkämpfer. In meinem Kampf um unseren Herrn stehe ich erst am Anfang, dachte Thrower.
Wenn ich diesen ersten Gegner nicht besiege, werde ich niemals mehr siegen können.
»Pastor Thrower!» rief Alvins ältester Junge, David. »Wir sind bereit, den Dachbalken zu heben!«
Thrower setzte sich in Trab, dann erinnerte er sich wieder seiner Würde und legte den Rest der Strecke im Schritttempo zurück. Nichts in den Evangelien deutete an, daß der Herr jemals gerannt sei — er war immer nur geschritten, wie es seiner hohen Stellung geziemte. Ein Priester sollte ein Schatten Jesu Christi sein, sollte auf Seinem Weg einherschreiten und Ihn dem Volk gegenüber vertreten. Näher würden diese Menschen dem Anblick der Majestät Gottes niemals kommen. Es war Reverend Throwers Pflicht, die Vitalität seiner Jugend zu leugnen und im gemessenen Tempo eines alten Mannes einherzuschreiten, auch wenn er erst vierundzwanzig war.
»Ihr wollt doch den Dachbalken segnen, nicht wahr?» fragte einer der Farmer namens Ole, ein Schwede von den Ufern des Delaware; im Herzen also ein Lutheraner, doch war er durchaus willens, beim Bau einer presbyterianischen Kirche hier im Wobbish-Tal zu helfen, da die nächstgelegene andere Kirche die papistische Kathedrale zu Detroit war.
»In der Tat«, erwiderte Thrower. Er legte die Hand auf den schweren, mit Äxten behauenen Balken.
»Reverend Thrower«, rief eine Kinderstimme hinter ihm, so durchdringend und laut, wie es nur ein Kind konnte. »Ist das nicht auch eine Art Zauber, ein Stück Holz zu segnen?«
Thrower drehte sich um und sah, wie Faith Miller den Jungen bereits aufforderte zu schweigen. Er war erst sechs Jahre alt, doch schon jetzt wurde deutlich, daß Alvin Junior einmal ebenso viele Schwierigkeiten machen würde wie sein Vater. Vielleicht sogar noch mehr — Alvin Senior hatte wenigstens die Güte besessen, dem Bau der Kirche fernzubleiben.
»Macht nur weiter«, sagte Faith. »Macht Euch nichts aus ihm. Ich habe ihm noch nicht beigebracht, wann er reden darf und wann er schweigen soll.«
Obwohl die Hand seiner Mutter sich fest auf seinen Mund preßte, waren die Augen des Jungen geradewegs, auf ihn gerichtet. Und als Thrower sich wieder umwandte, bemerkte er, daß alle erwachsenen Männer ihn erwartungsvoll anblickten. Die Frage des Kindes war eine Herausforderung, der er etwas entgegnen mußte, sonst würde er vor eben jenen Männern, die zu bekehren er gekommen war, als Heuchler oder Tor abgestempelt werden.
»Ich schätze, wenn du denken solltest, daß mein Segen tatsächlich etwas am Wesen des Dachbalkens änderte«, erwiderte er, »dann wäre das der Zauberei verwandt. Aber in Wirklichkeit bietet dieser Dachbalken selbst nur den Anlaß. Wen ich hier wirklich segne, das ist die Christengemeinde, die sich unter diesem Dach versammeln wird. Und daran ist nichts Magisches. Wir bitten hier um die Macht und die Liebe Gottes, und nicht etwa um ein Mittel gegen Warzen oder einen Zauber gegen den Bösen Blick.«
»Schade«, murmelte ein Mann. »Ein Mittel gegen Warzen könnte ich gut gebrauchen.«
Alle lachten, doch die Gefahr war gebannt. Wenn der Dachbalken gehoben wurde, würde es ein christlicher Akt sein und kein heidnischer.
Er segnete den Balken, wobei er darauf achtete, das übliche Gebet so abzuwandeln, daß es dem Balken selbst ausdrücklich keine besonderen Eigenschaften übertrug. Dann zogen die Männer am Seil, und Thrower sang »O Herr, der auf der mächt'gen See» mit der vollen Lautstärke seines prächtigen Baritons, um ihnen für ihre Arbeit den Rhythmus und auch die Kraft zu geben.
Die ganze Zeit über war er sich jedoch nur zu sehr der Gegenwart des jungen Alvin Junior bewußt, doch nicht nur wegen seiner törichten Frage. Das Kind war ebenso einfältig wie die meisten Kinder — Thrower bezweifelte, daß es etwas Böses beabsichtigt hatte. Was ihn jedoch an dem Kind anzog, war keine Eigenschaft des Jungen selbst, vielmehr etwas an den Leuten in seiner Nähe. Sie schienen ständig auf ihn zu achten. Nicht als ob sie ihn ständig angesehen hätten — dann hätten sie den ganzen Tag nichts anderes zu tun gehabt, so viel rannte er umher, sondern als wären sie sich seiner stets bewußt, so wie der Koch am Priesterkolleg sich stets der Anwesenheit seines Hundes bewußt gewesen war, ohne jemals zu ihm zu sprechen oder in seiner Arbeit auch nur innezuhalten.
Und es war auch nicht nur die Familie des Jungen, die so sorgfältig auf ihn achtete. Alle verhielten sich so — die Deutschen, die Skandinavier, die Engländer, die Neuankömmlinge und die Alteingesessenen gleichermaßen. Als wenn der Schutz und die Pflege dieses Jungen ein Gemeinschaftsvorhaben gewesen wäre wie der Bann einer Kirche.
»Langsam, langsam, langsam!» rief Wastenot, der neben dem östlichen Stützpfahl saß, um den schweren Balken an Ort und Stelle zu lenken. Genauso mußte es sein, damit die Balken sich gegenseitig stützten und ein kräftiges Dach ergaben.
»Zu weit in deine Richtung«, rief Measure. Er stand auf dem Gerüst über dem Kreuzbalken, auf dem der kurze Pfahl ruhte, der die beiden Dachbalken an der Stelle stützen sollte, wo ihre abgerundeten Enden in der Mitte aufeinandertrafen. Dies war die wichtigste Stelle des ganzen Dachs; sie mußten die Enden der beiden schweren Balken auf das obere Ende eines Pfahls legen, der kaum zwei Handspannen breit war. Deshalb stand Measure auch dort, denn er hatte seinem Namen mittlerweile alle Ehre gemacht und war scharfäugig und vorsichtig.
»Richtig!» rief Measure. »Noch mehr!«
»Wieder in meine Richtung!» rief Wastenot.
»Langsam!» rief Measure.
»Legt ab!» rief Wastenot.
Dann rief auch Measure sein »Legt ab!«, und die Männer am Boden lösten die gespannten Seile. Als die Leinen erschlafften, stießen sie ein Jubeln hervor, denn nun zog sich der Dachbalken durch die halbe Länge der Kirche. Es war zwar keine Kathedrale, aber das größte Gebäude, an das je ein Mensch im Umkreis von hundert Meilen zu denken gewagt hatte. Schon die bloße Tatsache seiner Errichtung hatte bewirkt, daß die Siedler gekommen waren, um zu bleiben; und weder die Franzosen noch die Spanier, weder die Cavaliers noch die Yankees, ja nicht einmal die wilden Roten mit ihren Feuerpfeilen — kein Mensch würde diese Leute dazu bewegen, diesen Ort jemals wieder zu verlassen.
Und so begab sich Reverend Thrower ins Innere, zusammen mit all den anderen, um zum ersten Mal den Himmel von einem Dachbalken eingenommen zu sehen, der nicht weniger als vierzig Fuß lang war — und das war erst die Hälfte dessen, was einmal sein würde. Meine Kirche, dachte Thrower, ist schon jetzt viel prachtvoller als das meiste, was ich in Philadelphia selbst zu Gesicht bekommen habe.
Oben auf dem schwachen Gerüst war Measure damit beschäftigt, einen Holzpflock durch die Kerbe am Ende des Dachbalkens hinein in das Loch am oberen Teil des Stützpfahl zu treiben. Wastenot leistete die gleiche Arbeit an seinem Ende. Diese Pflöcke würden den Balken an Ort und Stelle halten, bis die Querstreben ausgelegt werden konnten. War das erledigt, so würde der Dachbalken so fest sein, daß sie den Kreuzbalken fast entfernen könnten, würde er nicht dort für den Leuchter benötigt, der die Kirche bei Nacht erhellen sollte. Bei Nacht, damit das getönte Glas die Dunkelheit draußen erhellen konnte. Von einem solch wunderbaren Ort träumte Reverend Thrower. Sollten die schlichten Gemüter dieser Leute doch vor Ehrfurcht verstummen, wenn sie diesen Ort erblickten, um über die Herrlichkeit Gottes nachzudenken.
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