Zedd lächelte. »Hm, offenbar haben wir es mit einem verzogenen Balg zu tun, das gerne ›Wie du mir, so ich dir‹ spielt.«
Der unvermittelt wuchtige Hieb, der sich bis tief in seine Eingeweide zu bohren schien, entlockte Zedd ein gequältes Stöhnen. Hätten die Männer ihn nicht unter den Armen gestützt, er wäre eingeknickt und in sich zusammengesunken. Er war nicht ganz sicher, wie sie es angestellt hatte – vermutlich mit einer Faust aus Luft, abgefeuert mit der ganzen Kraft ihrer Gabe. Statt sie zu einer scharfen Kante zu verdichten, hatte sie der geballten Luft keine ausdrückliche Form verliehen, sonst hätte ihn der Schlag womöglich glatt entzweigerissen. Auch so bestand nicht der geringste Zweifel, daß seine Magengegend zu einem einzigen blauen Fleck erblühen würde.
Es dauerte eine lange, von quälender Verzweiflung erfüllte Zeit, bis er endlich wieder Luft holen konnte.
Die laut seiner Gabe nicht vorhandenen Männer richteten ihn gewaltsam wieder auf.
»Zu meiner Enttäuschung muß ich feststellen, daß ich mich in der Gewalt einer Hexenmeisterin von offenbar recht beschränktem Einfallsreichtum befinde«, spottete Zedd.
Seine Bemerkung rief ein Lächeln auf ihr boshaftes Gesicht. »Seid unbesorgt, Zauberer Zorander, Seine Exzellenz kann es gar nicht erwarten, Euren klapperdürren Körper in die Finger zu bekommen. Er beherrscht das Spiel ›Wie du mir, so ich dir‹ so meisterhaft, daß, da bin ich vollkommen sicher, sogar Ihr es als originell empfinden werdet. Nach meiner Erfahrung ist Seine Exzellenz in punkto Grausamkeit von beispiellosem Erfindungsreichtum. Er wird Euch gewiß nicht enttäuschen.«
»Was stehen wir dann hier noch rum? Ich kann es gar nicht erwarten, endlich ein paar Worte mit Seiner Exzellenz zu wechseln.«
Während die Schergen seinen Kopf für sie in den Nacken rissen, fuhr sie ihm mit einem Fingernagel seitlich über Gesicht und Hals, nicht so fest, um eine blutende Wunde zu hinterlassen, aber doch genug, um ihre nur mit Mühe unterdrückte Grausamkeit anzudeuten. Sie beugte sich erneut über ihn und zog dabei eine Braue hoch, daß es Zedd eiskalt überlief.
»Ich könnte mir denken, daß Ihr hochfliegende Pläne habt, was Ihr bei einer solchen Audienz zu tun oder sagen gedenkt.« Sie streckte die Hand vor und hakte ihren Finger hinter einen um seinen Hals befestigten Gegenstand. Als sie einmal kurz fest daran riß, merkte er, daß er eine Art Halsring trug. Nach der Art, wie er in die Haut an seinem Nacken schnitt, mußte er aus Metall sein.
»Ratet mal, was das ist«, forderte sie ihn auf. »Ratet einfach.«
Zedd seufzte. »Eure Art hat etwas wahrlich Ermüdendes. Aber vermutlich habt Ihr das bereits häufiger gehört.«
Erpicht darauf, ihm die schlechte Neuigkeiten mitzuteilen, überging sie seinen Spott. Ihr boshaftes Lächeln wurde breiter. »Es ist ein Rada’Han.«
Das Gefühl der Bestürzung nahm spürbar zu, Zedd vermied es jedoch, sich etwas anmerken zu lassen.
»Tatsächlich.« Er unterbrach sich, um lange und ausgiebig zu gähnen. »Nun, ich hatte auch nicht erwartet, daß eine Frau von Euren beschränkten geistigen Fähigkeiten sich etwas Originelles einfallen läßt.«
Sie rammte ihm ein Knie in den Unterleib. Zedd krümmte sich vor Schmerzen, außerstande, ein Stöhnen zu unterdrücken. Mit einer derart groben und brutalen Reaktion hatte er nicht gerechnet.
Die Schergen gönnten ihm keine Verschnaufpause und richteten ihn gewaltsam wieder auf, was ihm ein gequältes Ächzen entlockte. Er hatte die Zähne zusammengebissen, Tränen liefen ihm aus den Augen, und seine Knie drohten nachzugeben, und doch zwangen ihn die beiden Kerle, aufrecht stehen zu bleiben.
Ihr Lächeln begann ihn zu ermüden. »Seht Ihr, Zauberer Zorander? Originalität ist gar nicht unbedingt erforderlich.«
Zedd sah, was sie meinte, hütete sich aber, es zuzugeben.
In Gedanken bereitete er sich bereits darauf vor, den verfluchten Ring um seinen Hals wieder loszuwerden. Er war schon einmal – von der Prälatin – ›gefangen genommen‹ worden und hatte, einem kleinen Jungen gleich, der noch im Gebrauch der Gabe unterwiesen werden mußte, einen Rada’Han umgelegt bekommen. Die Schwestern des Lichts bedienten sich dieses Verfahrens bei jungen Knaben, um zu verhindern, daß die Gabe ihnen gefährlich werden konnte, ehe sie gelernt hatten, sie zu beherrschen. Auch Richard war, nachdem die Gabe in ihm erwacht war, gefangen genommen und der gleichen Prozedur unterzogen worden.
Der Halsring wurde dazu benutzt, die jungen Zauberer, die ihn trugen, zu kontrollieren und ihnen, wann immer die Schwestern dies für nötig hielten, Schmerzen zuzufügen. Zedd hatte ein gewisses Verständnis dafür, daß die Prälatin damals Richards Hilfe gesucht hatte, schließlich wußten die Schwestern, daß er mit beiden Seiten der Gabe geboren war, außerdem waren sie besorgt wegen der dunklen Mächte, die ihn zu jener Zeit verfolgten. Aber daß sie ihm einen Halsring umgelegt hatte, war unverzeihlich. Zauberer mußten von Zauberern ausgebildet werden, nicht von einer Schar irregeleiteter dummer Gänse wie den Schwestern des Lichts.
Die Prälatin selbst dagegen hatte sich nicht dem Wahn hingegeben, Richard tatsachlich zum Zauberer ausbilden zu können. Sie hatte ihm den Ring umgelegt, um die schwarzen Schafe in ihrer Herde zu entlarven: die Schwestern der Finsternis.
Im Gegensatz zu Richard wußte Zedd jedoch, wie sich diese widerliche Vorrichtung wieder entfernen ließ. Er hatte es sogar bereits einmal getan, damals, als die Prälatin ihn auf diese Weise zur Zusammenarbeit hatte zwingen wollen.
Mit Hilfe eines feinen Energiestrangs unterzog Zedd das Schloß einer gründlichen Untersuchung, nicht so offenkundig, daß die Hexenmeisterin es hatte bemerken können, sondern gerade so behutsam, daß er den Dreh des Banns erkannte, auf den er sich konzentrieren mußte, um das verzauberte Schloß zu knacken.
Wenn der Augenblick gekommen war, sobald er die Füße fest auf den Boden stemmen konnte und sein Schwindelgefühl lange genug nachließ, würde er sich aus der Gewalt des Halsrings befreien. Noch im selben Moment, ehe sie überhaupt begriff, was geschah, würde er sein Zaubererfeuer entfesseln und dieses Weibsstück zu einem Häuflein Asche verbrennen.
Wieder schob sie einen Finger unter den Halsring und zerrte kurz daran.
»Die Sache ist die, mein Bester, ich gehe natürlich davon aus, daß ein berühmter Mann von Euren Fähigkeiten womöglich weiß, wie man eine solche Vorrichtung entfernt.«
»Was Ihr nicht sagt, ich gelte tatsächlich als berühmt?« Zedd ließ sie ein kurzes Grinsen sehen. »Wie überaus erfreulich.«
Ihre völlige Geringschätzung für ihn veranlaßte sie zu einem Lächeln, aus dem blanker Hochmut sprach. Den Finger unter den Halsring geschoben, zog sie ihn ganz dicht vor ihr verzerrtes Gesicht und fuhr fort, ohne auf seine Worte auch nur einzugehen.
»Seine Exzellenz wäre überaus ungehalten, falls es Euch gelingen sollte, Euch von dem Halsring zu befreien, deshalb habe ich Vorkehrungen getroffen, die genau das verhindern werden; ich habe ihn mit Hilfe subtraktiver Magie verschweißt.«
Das war allerdings ein Problem.
Sie nickte zu ihren beiden Schergen hin. Zedd sah kurz nach links und rechts und bemerkte zum ersten Mal, daß sie Tränen in den Augen hatten. Er war aufrichtig schockiert, als er sah, daß sie tatsachlich weinten.
Tränen oder nicht, sie taten, wie ihnen befohlen, und wuchteten ihn, einem Stück Feuerholz gleich, ohne großes Federlesens auf die Ladefläche eines Wagens.
Dort lag bereits jemand.
»Ich bin erfreut, dich wiederzusehen, alter Mann«, schnarrte eine sanfte Stimme.
Adie. Eine Seite ihres Gesichts war geschwollen und blutete; es sah aus, als wäre sie beinahe zu Tode geprügelt worden. Auch ihr hatte man die Handgelenke auf den Rücken gebunden, und über ihre Wangen liefen, wie er jetzt sah, Tränen.
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