Lorlen bemerkte, dass das Oberhaupt der Alchemisten zu einem Magier am Rand der Gruppe hinübersah, und er folgte Sarrins Blick. Lord Garrel lauschte dem Gespräch mit einem leicht missbilligenden Ausdruck.
»Wenn sie diese Herausforderung geplant hat, muss sie sich ihres Sieges sehr sicher sein«, warf Peakin ein. »Stimmt Ihr Sonea darin zu, Lord Balkan?«
Der Krieger zuckte die Achseln. »Sie ist stark, aber ein geschickter Gegner könnte sie überwältigen.«
»Und Regin?«
»Er ist geschickter als die meisten Novizen des zweiten Jahres.«
»Geschickt genug, um zu siegen?«
Balkan blickte zu Akkarin hinüber. »Geschickt genug, um eine Voraussage zu erschweren.«
»Glaubt Ihr, dass sie siegen wird?«, fragte Vinara Akkarin.
Der Hohe Lord schwieg kurz, bevor er antwortete. »Ja.«
Sie lächelte. »Aber natürlich glaubt Ihr das. Sie ist Eure Novizin, und es ist Eure Pflicht, sie zu unterstützen.«
Akkarin nickte. »Auch das entspricht der Wahrheit.«
»Sie tut das zweifellos, um Euch zu gefallen.« Als Lorlen Garrels Stimme hörte, hob er überrascht den Kopf.
»Das glaube ich kaum«, erwiderte Akkarin.
Erstaunt über dieses Eingeständnis, sah Lorlen zuerst Akkarin und dann die übrigen Magier an. Keiner der anderen schien überrascht zu sein. Nur Rothens Sohn, Dorrien, wirkte nachdenklich. Vielleicht war ihm aufgefallen, dass Sonea ihren Mentor nicht mochte.
»Aber aus welchem Grund tut sie es dann?«, fragte Peakin.
»Wenn sie den Sieg davonträgt, wird Regin sie aus Angst vor einer weiteren Herausforderung und einer neuerlichen Niederlage nicht länger schikanieren«, antwortete Vinara.
Es folgte eine Pause, in der die Magier gespannte Blicke wechselten. Indem Vinara in Akkarins und Garrels Gegenwart offen von Regins Schikanen gesprochen hatte, hatte sie die Aufmerksamkeit auf den potenziellen Konflikt zwischen den beiden Mentoren gelenkt. Normalerweise scheute niemand davor zurück, über verfeindete Novizen zu sprechen, selbst wenn deren Mentoren zugegen waren, aber nur wenige Magier hätten es gewagt, dieses Thema anzuschneiden, wenn es sich bei einem der Mentoren um den Hohen Lord handelte. Das brachte Garrel in eine interessante Position.
Keiner der beiden Mentoren sagte etwas.
»Das dürfte vom Verlauf des Kampfes abhängen«, brach Balkan schließlich das Schweigen. »Wenn sie lediglich durch brutale Stärke siegt, wird sie sich damit keinen Respekt verdienen.«
»Das macht keinen Unterschied«, wandte Sarrin ein. »Ganz gleich, auf welche Weise sie siegt, sie wäre anschließend vor Regin sicher. Ich bezweifle, dass es sie interessiert, ob ihre Kampfkünste ihr Respekt eintragen oder nicht.«
»Es gibt Methoden, mit denen man einen stärkeren Magier besiegen kann«, rief Balkan ihm ins Gedächtnis. »Regin weiß das. Er hat mich bereits gebeten, ihn in diesen Techniken zu unterweisen.«
»Und Sonea? Werdet Ihr Sonea ebenfalls zusätzliche Unterrichtsstunden geben?«, fragte Vinara Balkan.
»Lord Yikmo ist ihr Lehrer«, warf Akkarin ein.
Balkan nickte. »Sein Unterrichtsstil eignet sich besser für ihr Temperament als der meine.«
»Wer wird den Kampf überwachen?«, fragte ein anderer Magier.
»Das werde ich tun«, antwortete Balkan. »Falls niemand dagegen Protest erhebt. Lord Garrel wird Regin schützen. Werdet Ihr Sonea schützen?«, fragte er Akkarin.
»Ja.«
»Da kommt Soneas Lehrer«, sagte Lord Sarrin. Lorlen drehte sich um und bemerkte, dass Lord Yikmo den Raum betreten hatte. Der Krieger blieb stehen und sah sich um, erstaunt über die Vielzahl der Besucher im Abendsaal. Als sein Blick auf die Magier fiel, die sich um Akkarin geschart hatten, zog er die Augenbrauen hoch. Sarrin winkte ihn herüber.
»Guten Abend, Hoher Lord, Administrator«, sagte Yikmo, als er die Gruppe erreicht hatte.
»Lord Yikmo«, erklärte Peakin, »Ihr werdet Euch wohl auf einige späte Abende vorbereiten müssen.«
Yikmo runzelte die Stirn. »Späte Abende?«
Peakin kicherte. »Also ist sie so gut, ja? Sie braucht keinen zusätzlichen Unterricht?«
Der junge Magier runzelte verwirrt die Stirn. »Zusätzlichen Unterricht?«
Vinara erbarmte sich ihres Kollegen. »Sonea hat Regin zu einem Duell herausgefordert.«
Yikmo starrte sie an, dann wurde er langsam blass.
»Sie hat was getan?«
Sonea lief in ihrem Zimmer auf und ab und rang die Hände. Was habe ich getan? Ich habe meinen Zorn die Oberhand gewinnen lassen, das habe ich getan. Ich verstehe nichts vom Kämpfen. Ich werde mich lediglich vor allen lächerlich machen und …
»Sonea.«
Sonea drehte sich um und blinzelte überrascht, als sie den Mann sah, der in der Tür zu ihrem Zimmer stand. Niemand hatte sie bisher in der Residenz des Hohen Lords besucht.
»Lord Yikmo«, sagte sie und verbeugte sich.
»Du bist noch nicht so weit, Sonea.«
Sie zuckte zusammen, und ihre Angst vertiefte sich noch. Wenn Yikmo nicht glaubte, dass sie siegen konnte…
»Ich hatte gehofft, dass Ihr mir helfen würdet, Mylord.«
Verschiedene Regungen spiegelten sich auf Yikmos Gesicht. Bestürzung. Nachdenklichkeit. Interesse. Er runzelte die Stirn und fuhr sich mit den Händen durch die Haare.
»Ich verstehe, warum du das tust, Sonea. Aber ich muss dich nicht daran erinnern, dass Garrel ein erfahrener Krieger ist und dass Regins Fähigkeiten den deinen überlegen sind - trotz all dem, was ich dich gelehrt habe. Er hat eine Woche Zeit, um sich vorzubereiten, und Balkan hat sich bereit erklärt, ihn zu unterrichten.«
Balkan! Das wird ja immer schlimmer! Sonea blickte auf ihre Hände hinab. Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass sie nicht zitterten, aber ihr Magen hatte sich so sehr verkrampft, dass ihr übel war.
»Aber ich bin stärker, und die Regeln einer Herausforderung legen der Stärke eines Magiers keine Grenzen auf«, wandte sie ein.
»Wenn du siegen willst, kannst du dich nicht allein auf deine Stärke verlassen, Sonea«, warnte Yikmo sie. »Es gibt Mittel und Wege, um einen stärkeren Magier zu bezwingen. Balkan wird gewiss dafür sorgen, dass Regin sie alle kennt.«
»Dann solltet Ihr besser dafür sorgen, dass ich sie ebenfalls kenne«, entgegnete sie. Erstaunt über die Entschlossenheit in ihrer Stimme verzog sie entschuldigend das Gesicht. »Werdet Ihr mir helfen?«
Er lächelte. »Selbstverständlich. Ich kann den Schützling des Hohen Lords doch jetzt nicht im Stich lassen.«
»Ich danke Euch, Mylord.«
»Aber glaubt nicht, dass ich es nur aus Respekt vor deinem Mentor tue.«
Überrascht sah sie ihn an und war erstaunt über die Anerkennung, die sie in seinem Blick las. Ein Krieger wäre von allen Lehrern der letzte gewesen, dessen Respekt sie zu gewinnen erwartet hätte.
»Dir ist gewiss klar, dass man uns beobachten wird, wenn ich dich unterrichte«, sagte er. »Und man wird Regin und Lord Garrel alles berichten, was wir tun.«
»Darüber habe ich bereits nachgedacht.«
»Und?«
»Was… was ist mit dem Dom?«
Yikmo zog die Augenbrauen in die Höhe, dann grinste er breit. »Ich bin sicher, das lässt sich arrangieren.«
Als die Kutsche durch die Tore der Gilde rollte, blickte Dannyl zur Universität hinauf. Die Gebäude waren ihm so vertraut, und doch wirkten sie jetzt fremd und unpersönlich. Er sah zur Residenz des Hohen Lords hinüber.
Ganz besonders dieses da. Er griff nach der Tasche, die neben ihm auf der Bank lag. Darin befand sich eine Kopie der Notizen, die er und Tayend zusammengetragen hatten - allerdings hatten sie sie ein wenig umgeschrieben, und es fanden sich jetzt keine Hinweise mehr darin, dass sie den Spuren von Akkarins früherer Reise gefolgt waren. Dannyl kaute auf seiner Unterlippe. Wenn Akkarin glaubt, dass es bei alledem um Nachforschungen über seine Vergangenheit ging, wird ihn das womöglich noch wütender machen. Aber ich stecke ohnehin in Schwierigkeiten, deshalb ist es das Risiko wert.
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