»Es kommt hinzu«, sagte Waffing, »daß das Generalkommando die Aktivitäten der Ritter unter Stag Stopa mit wachsendem Unbehagen beobachtet. Man sieht, daß Stopa über eine gewisse persönliche Gefolgschaft verfügt, da seine Unterführer allesamt ehemalige Angehörige seiner Bande und ihm in persönlicher Loyalität verbunden sind ...«
Plötzlich stürzte Bors Remler in den Raum, das schmale Gesicht wie im Fieber gerötet, brennende Erregung in den Augen.
»Was hat Sie so lange aufgehalten?«
»Mein Führer«, keuche Remler, als er sich zu Ferics Linker erschöpft in den Sessel sinken ließ, »ich muß die Existenz einer Verschwörung gegen Ihre Person und gegen die Partei melden, an der Stag Stopa in verräterischem Einvernehmen mit dem Nationalrat beteiligt ist!«
»Was?«
»Ich hatte als selbstverständliche Sicherheitsvorkehrung SSAgenten in die Hierarchie der Ritter eingeschleust«, sagte Remler, allmählich zur Ruhe kommend. »Heute abend erhielt ich eine Meldung von höchster Dringlichkeit. Stopa ist mit Vertrauensleuten Gelbarts und möglicherweise Agenten von Zind zusammengetroffen. Eine Abteilung uniformierter Ritter wird die Mitglieder des Generalkommandos liquidieren, sobald die Verordnung zur Auflösung der Sturmtruppen der Partei verabschiedet ist. Dies wird die Armee zum Losschlagen gegen die Partei zwingen. Anscheinend ist Stopa von Gelbarts Vertrauensleuten die Position des Oberkommandierenden der Armee für die Zeit nach Beendigung der Feindseligkeiten versprochen worden; möglicherweise hat Zind ihm darüber hinaus die Oberherrschaft über Heldon angeboten, denn das Ergebnis eines solchen Bürgerkriegs wird mit Sicherheit die Vernichtung der Hauptmasse aller kampffähigen Streitkräfte von Heldon sein und das Land für die Horden von Zind zu einer leichten Beute machen. Ich bin überzeugt, daß Stopa während der Bürgerkriegswirren von Agenten Zinds beseitigt werden wird; aber er ist zu naiv, um das zu sehen.«
Betroffene Stille herrschte, als Remler geendet hatte. Feric war zutiefst verletzt und bestürzt. »Ich habe nie an Stopas Treue zur Sache und zu meiner Person gezweifelt!« widersprach er endlich.
»Ich habe reichlich Beweise, mein Führer!«
»Ich zweifle nicht einen Augenblick daran«, sagte Feric. »Aber ich bin durch diese Entwicklung überrascht und beunruhigt. Es liegt auf der Hand, daß mit Stopa abgerechnet werden muß, aber die Notwendigkeit ist mir zuwider.«
Wenn es ihn auch schmerzen würde, Stopa als einen Verräter behandeln zu müssen, so ließ sich doch nicht leugnen, daß seine höchste und einzige Loyalität dem Hakenkreuz und der Sache der Reinhaltung der Rasse gelten mußte. Stopa war ein Verräter, der dem Sieg im Weg stand; Pflicht konnte nicht immer mit persönlichem Vergnügen zusammenfallen. Und schließlich mochte diese ganze unglückliche Entwicklung pragmatischen Zwecken nutzbar gemacht werden.
Nach kurzem Überlegen wandte Feric sich zu Lar Waffing. »Angenommen, die Bedenken des Generalkommandos hinsichtlich Stopas und der Ritter könnten ein für allemal aus der Welt geschafft werden, würde man mich dann ohne Vorbehalte als Alleinherrscher von Heldon akzeptieren, vorausgesetzt, eine solche Machtvollkommenheit würde mir von einem verfassungsmäßig gewählten Nationalrat zugesprochen?«
»Unter solchen Umständen könnten Sie fest mit der Zustimmung des Generalkommandos rechnen, mein Führer!«
»Wie wollen Sie ein solches Kunststück fertigbringen, Feric?« fragte Bogel. »Das hieße ja, daß diese alten Männer sich selbst aus dem Amt und auf den Misthaufen wählen würden!«
»Mein lieber Bogel«, erwiderte Feric, »genau das wird ihr Schicksal sein, noch ehe die Woche um ist. Innerhalb von fünf Tagen wird das Hakenkreuz über ganz Heldon regieren!«
»Darauf trinke ich!« erklärte Waffing.
»Sie trinken auf alles, Waffing!« scherzte Bogel. Darauf brachen alle Anwesenden einschließlich des rundlichen Waffing in herzhaftes Gelächter aus.
Als die Sonne hinter der Stadtsilhouette Heldheims versank und die Schatten der Dämmerung sich über Straßen und Plätze breiteten, verließen Gruppen von SS-Männern in neutralen Fahrzeugen im Abstand von fünf Minuten das Gelände des Parteihauptquartiers. Jede Gruppe bestand aus sechs Uniformierten, die mit Maschinenpistolen und Knüppeln bewaffnet waren; insgesamt acht Gruppen verließen das mauerumgürtete Grundstück und verloren sich in der Dämmerung.
Zwei Stunden später, als es tiefe Nacht geworden war, verließ ein letzter neutraler Wagen das Grundstück, fünf Minuten später gefolgt von einer vierzigköpfigen SS-Motorradabteilung.
Die Anlagen um den Palast des Staates lagen im Halbdunkel der Straßenbeleuchtung, deren blendende Helligkeit von Baumgruppen und Büschen gemildert wurde. Nur eine Ehrenwache von einem Dutzend Soldaten bewachte zu dieser späten Stunde den leeren Palast. Zwei von diesen Männern waren am schmiedeeisernen Tor zum Heldon Boulevard stationiert, vier weitere am Haupteingang des Palastes selbst; die übrigen sechs patrouillierten durch das Palastgelände. Niemand dachte auch nur im entferntesten an einen Versuch, den Palast um diese Zeit zu stürmen, gab es doch niemanden und nichts darin, der oder das der Mühe wert gewesen wäre. Die Soldaten, die hier Wachdienst leisteten, waren zum größten Teil ältere Berufssoldaten, die sich der Verabschiedung aus dem Dienst näherten, anstelle von wachsamen und lebhaften jungen Burschen.
So war es der SS ein Leichtes, dieser Handvoll in Routine erstarrter Soldaten die Kontrolle über den Palast des Staates zu entwinden. Ein neutraler Wagen mit vier SS-Leuten in Zivil fuhr an das Tor heran und bat mit der Begründung um Einlaß, man habe den Auftrag vom Nationalrat Krull, einige Bücher und Papiere zu holen, die er zum Studium benötige. Als einer der Wachsoldaten den Kopf ins Wageninnere steckte, starrte er in den geölten Lauf einer Maschinenpistole. Nun war es nicht schwierig, den Mann zu überreden, daß er unter dem Vorwand, es gebe eine Unklarheit mit dem Passierschein, seinen Kameraden von der anderen Seite heranwinkte. Die beiden wurden gebunden und in den Fond des Wagens gelegt, während einer der SS-Männer das Tor öffnete.
Sobald dies geschehen war, entfiel die Notwendigkeit verstohlenen Vorgehens; ein Signal wurde gegeben, und in der Dunkelheit einer nahen Seitenstraße sprangen vierzig Motorräder an. Ehe die restlichen Wachsoldaten auf diesen jähen Motorenlärm mit mehr als Verwirrung und Beunruhigung reagieren konnten, kamen vierzig schwarze SS-Motorräder mit hoher Geschwindigkeit die Zufahrt herauf. Sie erreichten das Portal mit einem derartigen Spektakel massierter Macht, daß die vier armen Teufel auf den Stufen des Portals keinen einzigen Schuß abgaben, bevor sie von SS-Knüppeln gefällt wurden. Danach war es eine Kleinigkeit, die sechs in Zweierstreifen patrouillierenden Soldaten in ihrer Verwirrung zu überrumpeln. Zusammen mit den anderen Gefangenen wurden sie unter Bewachung in den Keller des Palastes geschafft.
Die Parteizentrale wurde telefonisch über die Einnahme des Palastes verständigt und brachte sofort Verstärkungen auf den Weg. Innerhalb von fünfzehn Minuten war der Palast des Staates von dreihundert Elitesoldaten der SS besetzt und mit Maschinengewehren gesichert. Darüber hinaus waren die Haubitzen auf dem Gelände der Parteizentrale gegen das Generalkommando in Stellung gebracht. Sollte die Armee einen Versuch unternehmen, den Palast zurückzuerobern, so würde sie einen hohen Blutzoll zu entrichten haben. Lar Waffing hielt sich in diesen Augenblicken im Generalkommando auf, um die militärische Führung über gewisse ausgewählte Einzelheiten der Situation zu unterrichten.
Innerhalb von dreißig Minuten nach der Inbesitznahme des Palastes durch SS-Sturmtruppen begannen in kurzen Abständen neutrale Fahrzeuge mit Gefangenen einzutreffen. Erst als die Nachricht vom Abschluß dieser Phase der Operation die Parteizentrale erreichte, machte sich Feric, eskortiert von einigen Maschinen der Motorradabteilung, auf den Weg zum Palast.
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