»Der Mann ist verrückt!« schrillte der alte Pillbarm, das Oberhaupt der Traditionalisten, ein vertrocknetes altes Zwetschenmännchen, der die Fähigkeit zu menschlicher Sprache bis dahin noch nicht unter Beweis gestellt hatte.
Augenblicklich war Feric auf den Beinen, den Großen Knüppel von Held in der Faust, eine hochaufragende Gestalt rechtschaffenen Zornes. »Wagt einer von Ihnen die Verseuchung des Genreservoirs durch Mutanten und Bastarde zu verteidigen? Wollen Sie das Leben blutsaugerischer Dominatoren mit dem Ihrigen verteidigen? Wollen Sie vor das Volk hintreten und erklären, daß eine Position der Schwäche einer Politik der nationalen Stärke und Entschlossenheit vorzuziehen sei?«
Es gab keine Reaktion auf diese Herausforderung; das allein war ein sicherer Hinweis, daß Gelbarts Dominanzmuster so gut wie etabliert war. Wie auf einen stummen Befehl hin hielten die feigen Lumpen sich zurück und warteten, daß der Dom selbst antwortete.
»All dies Gerede von genetischer Reinheit ist längst überholt, Jaggar«, sagte Gelbart mit einem dünnen spöttischen Lächeln. »Schon heute verlangen viele Bürger unseres Landes, daß größere Mengen ausländischer Mutanten eine Einwanderungs- und Arbeitserlaubnis erhalten, um jene schweren und gering geachteten Arbeiten zu verrichten, für die sich keine einheimischen Bewerber finden, die aber notwendig sind, will man einen hohen Zivilisationsstand erhalten. Bald wird ganz Heldon erkennen, daß es die bei weitem beste Lösung ist, hirnlose Geschöpfe zu züchten, protoplasmische Roboter, wenn man so will, wie es in Zind geschieht. Sie stemmen sich gegen eine Entwicklung, die unaufhaltsam ist. Die natürliche Trägheit der Menschen ist Ihr Gegner.«
Feric ignorierte Gelbart vollständig; es hatte keinen Sinn, mit einem Dom zu argumentieren, und noch weniger, seine feigen Opfer zu überreden suchen, daß sie ihre rassische Pflicht täten. Das einzige, was die Pestilenz ausrotten konnte, die sich bis ins Herz Heldons eingefressen hatte, war die rücksichtslose Anwendung von Gewalt. Feric hängte den Großen Knüppel in die Gürtelschlaufe, blieb aber stehen und maß die Ratsmitglieder einen nach dem anderen mit seinem stählernen Blick. Alle bis auf Gelbart, der natürlich außerhalb solcher Reaktionsmuster war, schienen sich unter der Kraft seines Blickes zu krümmen.
»Ich habe meine Pflicht als ein Patriot und Bürger dieses Landes getan, Ihnen eine faire Warnung zukommen lassen und eine Gelegenheit gegeben, sich ohne Zwang den Kräften anzuschließen, die den Willen des Volkes und der Rasse ausdrücken«, sagte Feric ruhig. »Sofern Sie nicht augenblicklich über die sofortige Annahme des Parteiprogramms beschließen, erklären Sie öffentlich den moralischen Bankrott der Regierung der Großrepublik. Damit bringen Sie die unausweichlichen Konsequenzen selbst über sich.«
Nur Gelbart besaß die Unverschämtheit, auf diese ernste Warnung zu antworten. »Wagen Sie es, dem Nationalrat der Großrepublik zu drohen, Jaggar? Selbst ein Ratsmitglied kann wegen Verrats festgenommen werden.«
Der groteske Humor dieses winselnden Dom, der es tatsächlich fertigbrachte, einen wahren Menschen des Verrats an Heldon zu bezichtigen, wäre beinahe geeignet gewesen, Feric trotz des rechtschaffenen Zorns, den diese Perfidie in seinem Herzen wachrief, in Gelächter ausbrechen zu lassen.
»Ich möchte sehen, wie diese Kollektion von alten Dunghaufen versucht, die Ritter des Hakenkreuzes und die Schutzstaffel wegen Verrats festnehmen zu lassen!« sagte er. »Es würde sich bald zeigen, wer als Verräter vom Galgen hängen würde!«
Mit dieser Erwiderung machte Feric auf dem Absatz kehrt und marschierte aus dem Sitzungssaal.
Nach seiner Wahl in den Nationalrat hatte Feric die Parteizentrale in eine schloßartige Villa im Regierungsviertel von Heldheim verlegt, ungefähr gleich weit entfernt vom Palast des Staates, dem Generalkommando der Armee und den Kasernen der Garnison. Das neue Hauptquartier war die Residenz eines Industriellen gewesen, der mit der Sache der nationalen Erhebung sympathisierte und seine Villa den Söhnen des Hakenkreuzes für einen geringen Betrag vermietet hatte. Dieser herrschaftliche Wohnsitz war nun in Wohnungen für Feric, Bogel, Waffing, Remler und Best unterteilt. Daneben gab es Gästezimmer für geringere Parteifunktionäre, Konferenzräume und Büros, während zweitausend SS-Leute in Zelten untergebracht waren, die auf der weiten Rasenfläche innerhalb der hohen Umfassungsmauer des Grundstücks aufgestellt waren. Motorräder und Wagen waren in verschiedenen Nebengebäuden und Schuppen abgestellt; an strategischen Punkten der Umfassungsmauer hatte man gedeckte hölzerne Plattformen mit Maschinengewehrstellungen errichtet. Darüber hinaus waren innerhalb des Grundstücks fünf gut getarnte Haubitzen und mehrere Granatwerfer aufgestellt. Alles in allem war das neue Parteihauptquartier eine Festung, die auch ohne Verstärkungen einen Überraschungsangriff der Stadtgarnison einige Zeit abwehren konnte.
Nichtsdestoweniger standen Verstärkungen für den Notfall zur Verfügung, denn fünftausend Ritter des Hakenkreuzes unter dem Kommando von Stag Stopa waren in den Außenbezirken Heldheims kaserniert, keine fünfzehn Minuten Fahrzeit vom Parteihauptquartier entfernt. Ein Wort von Feric genügte, und diese Sturmtruppen würden in die Stadt brausen und jedem Belagerer des Hauptquartiers in den Rücken fallen.
Drei Wochen nach der Wahl rief Feric seine Vertrauten zu einer Beratung in sein privates Wohnzimmer, um über Pläne zur Liquidierung des Dominator-kontrollierten Nationalrates zu diskutieren. Dieses Wohnzimmer war ein etwas prunkvoller Salon im Neobarock, voll von vergoldetem Stuck, blauen Seidentapeten und Gobelins, den Feric allein wegen des großen Balkons bevorzugte, von dem aus man besonders bei Nacht einen prachtvollen Blick auf Heldheim hatte, wenn die Stadt wie ein Lichterteppich unter der dunklen Weite des Himmels funkelte. Feric, Bogel, Waffing und Best saßen in samtbezogenen Sesseln um einen runden Rosenholztisch, tranken Bier und warteten auf Remler, der sich ganz gegen seine Art verspätet hatte.
»Wie ich es sehe«, sagte Bogel, »kommt es darauf an, die Macht hinter einer legalen Fassade zu erobern, so daß es innerhalb der Armee nicht erst zu Loyalitätskonflikten kommen kann. Würde das Generalkommando nicht bereit sein, Feric als unumschränkten Führer der Nation zu akzeptieren, wenn der legale Schein gewahrt bliebe?«
Diese Frage war an Lar Waffing gerichtet, der einen langen Zug aus seinem Bierkrug tat, während er seine Antwort bedachte. Nachdem er den Krug abgestellt und an dem kleinen Faß, das auf dem Tisch stand, aufgefüllt hatte, ließ er seine wohlüberlegte Meinung hören.
»Es gibt überhaupt keinen Zweifel, daß das Generalkommando ein unter dem Hakenkreuz geeintes Heldon wünscht, denn wir sind die einzigen, die eine Vergrößerung der Armee durchsetzen und ihr das geben möchten, wonach sich alle guten Soldaten sehnen: Aktion.« Waffing blickte in die Runde. »Die Generäle sind jedoch durch ihren Eid gebunden, der rechtmäßigen Regierung von Heldon zu dienen und sie zu verteidigen, und der Stolz wird nicht zulassen, daß sie ihre Ehre verraten. Daher könnte ein gewaltsamer Staatsstreich zu diesem Zeitpunkt sehr wohl einen Bürgerkrieg auslösen.«
Die Situation verdroß Feric ungemein. Gelbart hatte eine Verordnung zur Entwaffnung der SS und der Auflösung der Ritter des Hakenkreuzes formuliert; sobald seine Stiefellecker im Rat die Verordnung verabschiedeten, würde der Teufel los sein. Am besten wäre ein rasches Zuschlagen, bevor die Ereignisse das Generalkommando in eine Position brächten, wo ihm nur die Möglichkeit blieb, offen vor den Parteistreitkräften zu kapitulieren oder den Bürgerkrieg auszulösen. Aber ein Staatsstreich ohne legale Absicherung würde die Armee in die gleiche Lage bringen.
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