»Warum schreiben sie dann nicht: KEINE ANGT?«
»Weil sie unsere Sprache noch nicht so gut beherrschen.«
»Hmm. Dann kann ich Burt damit noch nicht kommen.«
»Ich würd’s auch nicht tun. Es ist noch zu unbestimmt. Überhaupt würde ich Burt erst aufsuchen, wenn wir noch mehr von drüben bekommen haben. Wer will schon wissen, was sie uns sagen wollen?«
»Nein, ich kann nicht warten, Mike. Ich weiß, daß ich recht habe, und wir haben keine Zeit mehr.«
»Gut, aber wenn du mit Burt sprichst, brichst du alle Brücken hinter dir ab. Deine Kollegen werden dir niemals verzeihen. Hast du daran gedacht, dich an die Physiker hier zu wenden? Allein kannst du auf Hallam keinen Druck ausüben, aber als Gruppe…«
Lamont schüttelte heftig den Kopf. »Sinnlos. Die Leute in dieser Station überleben nur, weil sie weich wie Butter sind. Es gibt nicht einen, der sich gegen Hallam wenden würde. Wenn ich versuchen wollte, die anderen zu einer Aktion gegen ihn zu bringen, könnte ich ebensogut eine Ladung gekochte Spaghetti auffordern, vor mir strammzustehen.«
Bronowskis weiches Gesicht war ungewohnt grimmig. »Da magst du recht haben.«
»Ich weiß, daß ich recht habe«, sagte Lamont nicht minder ernst.
Es hatte Zeit gekostet, einen Termin beim Senator zu bekommen Zeit, die Lamont ungern verloren hatte, zumal keine neuen lateinischen Buchstaben aus dem Parauniversum gekommen waren. Überhaupt keine neue Botschaft war zu vermelden, obwohl Bronowski ein halbes Dutzend hinübergeschickt hatte — jede mit einer sorgfältig vorbereiteten Auswahl von Parasymbolen, vermischt mit den Buchstabengruppen ANGT und ANGST.
Lamont war sich der Bedeutung des halben Dutzends Variationen nicht sicher, doch Bronowski war eigentlich guter Hoffnung gewesen.
Doch nichts hatte sich getan, und Lamont saß schließlich Burt gegenüber.
Der Senator hatte ein hageres Gesicht, scharfe Augen und war nicht mehr der Jüngste. Seit einer Generation stand er dem Komitee für Technologie und Umwelt vor. Er nahm seine Arbeit ernst, was er ein dutzendmal bewiesen hatte.
Jetzt fummelte er an seiner geliebten altmodischen Krawatte herum (die zu seinem Kennzeichen geworden war) und sagte: »Ich kann Ihnen nur eine halbe Stunde Zeit geben, mein Sohn.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr.
Lamont machte sich keine Sorgen. Er gedachte Senator Burt so sehr für sein Thema zu interessieren, daß er die Zeitbegrenzung vergaß. Auch machte er nicht den Versuch, weit auszuholen; seine Absichten hier lagen völlig anders als bei seinem Gespräch mit Hallam.
Er sagte: »Ich möchte Sie nicht mit mathematischen Details belasten, Senator, aber ich setze voraus, Sie wissen, daß durch das Pumpen die Naturgesetze der beiden Universen vermischt werden.«
»Zusammengerührt werden sie«, entgegnete der Senator ruhig, »wobei sich der Ausgleich in etwa 10 30Jahren ergibt. War das nicht die Zahl?« In Ruhestellung schwangen seine Augenbrauen weit nach oben aus und dann wieder nach unten und gaben seinem zerfurchten Gesicht einen Ausdruck ständiger Überraschung.
»Das stimmt«, sagte Lamont, »doch diese Zahl wurde aufgrund der Annahme errechnet, daß sich die fremden Gesetze, die in unser und das fremde Universum sickern, vom Eintrittspunkt aus mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Das ist aber nur eine Vermutung, die ich für falsch halte.«
»Warum?«
»Die einzige wirklich gemessene Vermischungsgeschwindigkeit haben wir aus dem Plutonium 186, das in unser Universum geschickt wird. Diese Geschwindigkeit ist zuerst extrem langsam, vermutlich weil Materie dicht ist, und erhöht sich mit der Zeit. Wenn das Plutonium mit weniger dichter Materie vermischt wird, steigt diese Vermischungsgeschwindigkeit auch schneller an. Aufgrund entsprechender Messungen hat man errechnet, daß die Durchdringung in einem Vakuum auf Lichtgeschwindigkeit ansteigen würde. Zunächst würde es einige Zeit dauern, bis die fremden Gesetze in die Atmosphäre vorgedrungen wären, dann gar nicht mehr so lange, bis sie sich in die oberen Schichten der Atmosphäre vorgearbeitet hätten, und dann ginge es in allen Richtungen durch das All davon, mit 300000 Kilometern pro Sekunde, wobei sich die fremde Substanz in Null Komma nichts zur Harmlosigkeit verdünnte.«
Lamont hielt einen Augenblick inne, um sein weiteres Vorgehen zu überlegen, und der Senator schaltete sich sofort ein. »Aber…?« sagte er mit der Miene eines Mannes, der keine Zeit verschwenden möchte.
»Das Ganze ist eine bequeme Schlußfolgerung, die vernünftig zu sein und keine Probleme zu bringen scheint, aber wenn nun nicht die Materie der Durchdringung fremder Gesetze Widerstand entgegensetzt, sondern der Grundstoff des Universums selbst?«
»Und wie sieht dieser Grundstoff aus?«
»Ich kann das nicht in Worte fassen. Es gibt meines Wissens einen mathematischen Ausdruck — doch Worte hätte ich nicht dafür. Der Grundstoff des Universums ist das, was die Naturgesetze bestimmt. Der Grundstoff des Universums sorgt für die Erhaltung der Energie. Es ist auch der Grundstoff des Parauniversums — etwas anders als der unsere, der die nukleare Wechselwirkung drüben hundertmal stärker macht, als sie bei uns ist.«
»Und?«
»Wenn es dieser Grundstoff ist, der durchdrungen wird, dann kann das Vorhandensein von Materie, dicht oder nicht dicht, nur einen sekundären Einfluß haben. Die Durchdringung erfolgt im Vakuum schneller als in dichter Masse, aber nicht sehr viel. Die Durchdringung mag nach irdischen Verhältnissen schnell sein, doch sie erreicht nur einen winzigen Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit.«
»Daraus folgert?«
»Daß sich die fremde Substanz nicht so schnell auflöst, wie wir denken, sondern sich innerhalb des Sonnensystems sozusagen aufstaut und dabei eine größere Konzentration erreicht, als wir bisher angenommen haben.«
»Ich verstehe«, sagte der Senator und nickte. »Und wie lange kann es nun dauern, bis der Bereich des Sonnensystems ins Gleichgewicht gebracht wird? Weniger als 10 30Jahre, würde ich sagen.«
»Weitaus weniger, Sir. Ich möchte behaupten, weniger als 10 10Jahre. Vielleicht fünfzig Milliarden Jahre, plusminus ein paar Milliarden.«
»Das ist vergleichsweise nicht viel, aber doch genug, wie? Kein Grund zur Aufregung, was?«
»Ich fürchte aber, daß dennoch Grund zu größter Besorgnis besteht, Sir. Der Schaden wirkt sich nämlich schon aus, lange bevor das Gleichgewicht erreicht ist. Aufgrund des Pumpens nimmt die Starke nukleare Wechselwirkung in unserem Universum ständig zu, mit jedem Tag.«
»Wird sie meßbar stärker?«
»Nicht unbedingt, Sir.«
»Nicht einmal nach zwanzigjährigem Pumpen?«
»Nicht unbedingt, Sir.«
»Warum machen wir uns also Sorgen?«
»Weil von der Starken nuklearen Wechselwirkung die Geschwindigkeit abhängt, mit der im Kern der Sonne Wasserstoff zu Helium schmilzt. Wenn die Wechselwirkung auch nur unmerklich zunähme, würde die Wasserstoffverschmelzung in der Sonne spürbar aktiviert. Die Sonne erhält das Gleichgewicht zwischen Strahlung und Schwerkraft nur mühsam aufrecht, und dieses Gleichgewicht zugunsten der Strahlung zu verschieben, so wie wir es jetzt tun…«
»Ja?«
»…würde eine gewaltige Explosion hervorrufen. Nach unseren Naturgesetzen ist es unmöglich, daß ein Stern von der geringen Größe unserer Sonne zu einer Supernova wird. Nach den veränderten Gesetzen mag das aber nicht mehr ausgeschlossen sein. Ich möchte bezweifeln, daß wir überhaupt eine Vorwarnung erhielten. Die Sonne würde sich in eine ausgedehnte Explosion steigern, und acht Minuten später wären Sie und ich tot und die Erde verdampfte im Handumdrehen zu einer Wolke.«
»Und dagegen hilft nichts?«
»Wenn es zu spät ist, eine Störung des Gleichgewichts zu verhindern — nein. Wenn es noch nicht zu spät ist, müssen wir das Pumpen einstellen.«
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