Nirgal kam in die Küche, um zu fragen, was los wäre, angezogen durch etwas in ihren leisen Stimmen. Art sagte es ihm; und seine Augen leuchteten auf. Er konnte seine Erregung nicht verhehlen. Er wandte sich an Maya und fragte: »Ist das wahr?«
Sie hätte ihn dafür küssen können. Statt dessen nickte sie, da sie sich nicht zu sprechen getraute, und ging zur Tür des Wohnzimmers. Jackie war noch mitten in ihrer Ansprache, und es machte Maya die größte Freude, sie zu unterbrechen. »Die Demonstration fällt aus.«
»Was soll das heißen?« fragte Jackie aufgebracht und ärgerlich. »Warum?«
»Weil wir statt dessen eine Revolution haben.«
ZEHNTER TEIL
Phasenwechsel
Sie waren beim Pelikansurfen, als Lehrlinge, die am Strand auf und ab hüpften, sie alarmierten, daß etwas nicht stimmte. Sie flogen zurück zum Strand, steckten ihre Apparate in denfeuehten Sand und erhielten die Nachricht. Eine Stunde später waren sie am Flughafen und starteten kurz danach in einem kleinen Skunksworks-Raumflugzeug namens Gollum. Sie nahmen Südkurs, und als sie irgendwo über Panama dreißig Kilometer hoch waren, zündete der Pilot die Raketen. Sie wurden ein paar Minuten lang in ihre für hohes Ge berechneten Sitze gepreßt. Die drei Passagiere saßen in Cockpitsesseln hinter dem Piloten und Copiloten und konnten aus ihren Fenstern die Außenhaut des Flugzeugs sehen, die wie Zinn aussah und anfing zu glühen, was sich schnell in ein starkes Gelb verwandelte mit einer leichten Bronzetönung, immer heller, bis es aussah, als wären sie Sadrach, Mesach und Abed-Nego, die im Feuerofen saßen und keinen Schaden nahmen.
Als die Haut an Glut verlor und der Pilot in Horizontalflug überging, befanden sie sich etwa hundertdreißig Kilometer über der Erdoberfläche und schauten auf den Amazonas hinunter und das schöne gebogene Rückgrat der Anden. Während des Fluges nach Süden erzählte einer der Passagiere, ein Geologe, den anderen beiden mehr über die Lage.
»Die westantarktische Eisdecke ruhte auf Urgestein, das sich unter dem Meeresspiegel befindet. Es ist kontinentales Land, nicht Meeresboden; und unter Westantarctica befindet sich eine geothermisch sehr aktive Becken- und Grenzzone.«
»Westantarctica?« fragte Fort zwinkernd.
»Das ist die kleinere Hälfte mit der Halbinsel, die in Richtung Südamerika zeigt, und dem Ross-Eisschelf, Die westliche Eisdecke liegt zwischen den Bergen der Halbinsel und dem Transantarktischen Gebirge in der Mitte des Kontinents. Hier, sehen Sie her, ich habe einen Globus dabei.« Er holte aus der Tasche einen aufblasbaren Globus, ein Kinderspielzeug, blies ihn auf und reichte ihn im Cockpit herum.
»Also die westliche Eisdecke hier ruhte auf dem Urgestein unter Meeresniveau. Aber das Land darunter ist warm, und es gibt dort unten einige Vulkane unter dem Eis. Darum ist das Eis am Boden etwas geschmolzen. Dieses Wasser mischt sich mit Sedimenten aus den Vulkanen und bildet eine Substanz aus Geschiebelehm, die man Tilit nennt. Es hat eine Konsistenz wie Zahnpasta. Wenn das Eis über dieses Tilit gleitet, bewegt es sich schneller als gewöhnlich. Deshalb befanden sich in der westlichen Eisdecke Eisströme, wie schnelle Gletscher, deren Ränder aus langsamerem Eis bestanden. Zum Beispiel lief der Eisstrom B täglich zwei Meter, während das Eis um ihn herum nur zwei im Jahr zurücklegte. Und B war fünfzig Kilometer breit und einen Kilometer tief. Er bildete also einen höllischen Strom, der zusammen mit etwa einem halben Dutzend anderer Eisströme in das Ross-Eisschelf lief.« Er bezeichnete diese unsichtbaren Ströme mit der Fingerpitze.
»Hier — wo die Eisströme und das Eisschelf im allgemeinen sich vom Urgestein trennten und ins Rossmeer zu hinausschwammen — das nannte man die Auflauflinie.«
»Ah«, sagte einer von Forts Freunden. »Globale Erwärmung?«
Der Geologe schüttelte den Kopf. »Unsere globale Erwärmung hat auf all dies nur wenig Einfluß gehabt. Sie hat die Temperaturen und Meeresniveaus ein wenig angehoben; aber wenn das alles war, was geschah, hätte das hier keinen großen Unterschied ausgemacht. Das Problem ist, daß wir uns immer noch in der interglazialen Erwärmung befinden, die am Ende der letzten Eiszeit begann. Und diese Erwärmung schickt etwas, das wir einen thermischen Impuls nennen, durch die polaren Eisdecken nach unten. Dieser Impuls läuft seit achttausend Jahren nach unten. Und die Auflauflinie der westlichen Eisdecke hat sich seit achttausend Jahren landeinwärts bewegt. Und jetzt bricht einer der Vulkane unter dem Eis da unten aus. Eine große Eruption. Jetzt ungefähr drei Monate alt. Die Auflauflinie hat schon vor einigen Jahren angefangen, sich schneller zurückzuziehen, und befand sich dem ausgebrochenen Vulkan sehr nahe. Es sieht so aus, als hätte die Eruption die Auflauflinie direkt zu dem Vulkan gebracht; und jetzt fließt Meerwasser zwischen Eisdecke und Urgestein direkt in eine aktive Eruption hinein. Und so bricht die Eisdecke auf. Sie steigt hoch, gleitet ins Rossmeer hinaus und wird von Strömungen fortgetragen.«
Die Hörer starrten auf den kleinen aufblasbaren Globus. Inzwischen befanden sie sich über Patagonien. Der Geologe beantwortete ihre Fragen und zeigte auf dem Globus auf bestimmte Stellen. Wie er ihnen sagte, hatte sich so etwas schon früher und sogar schon mehrmals ereignet. Westantarctica war Ozean, trockenes Land oder Eisdecke gewesen — viele Male in den Jahrmillionen, seit tektonische Bewegungen diesen Kontinent in seine heutige Position gebracht hatten. Und es schien etliche instabile Punkte in den langfristigen Temperaturänderungen zu geben — er nannte sie Instabilitätsauslöser —, welche im Lauf von Jahren massive Veränderungen bewirkt hatten. »Dieses klimatologische Zeug ist praktisch instantan, soweit es Geologen betrifft. Es gibt übrigens auch in der Eiskappe von Grönland überzeugende Hinweise darauf, daß sie sich binnen drei Jahren von glazial zu interglazial verändert hat.« Der Geologe schüttelte den Kopf.
»Und diese Aufbrüche der Eisdecke?« fragte Fort.
»Nun, wir denken, die könnten in ein paar hundert Jahren ablaufen, was übrigens noch sehr schnell ist. Ein Auslöseereignis. Aber diesmal macht der Vulkanausbruch es viel schlimmer. Sehen Sie hier, da ist der Bananengürtel.«
Er zeigte nach unten; und sie sahen quer über der Drake- Meerenge eine schmale, vereiste, gebirgige Halbinsel, die in die gleiche Richtung zeigte wie der Schwanzfortsatz von Feuerland.
Der Pilot kippte nach rechts und dann schwächer nach links und begann eine weite lässige Schwenkung. Während sie hinunterblickten, lag unter ihnen das aus Satellitenfotos vertraute Bild von Antarctica; aber alles war jetzt leuchtend gefärbt und gegliedert. Das Kobaltblau des Ozeans, die Gänseblümchenkette zyklonischer Wolkensysteme, die verwirbelt nach Norden zog, die schimmernde Masse des Eises und die Flottillen winziger Eisberge, weiß im Blau.
Aber die vertraute Q-Gestalt des Kontinents in dem Gebiet hinter dem Komma der antarktischen Halbinsel erschien merkwürdig fleckig, mit klaffenden blauschwarzen Rissen im Weiß. Und das Rossmeer war sogar noch stärker zerrissen durch ozeanblaue Fjorde und ein radiales Muster türkisblauer Risse. Und vor der Küste des Rossmeeres schwammen tafelförmige Eisberge auf den Südpazifik zu, die wie davontreibende Stücke des Kontinents selbst aussahen. Der größte schien ungefähr ebenso groß zu sein wie die Südinsel von Neuseeland oder sogar noch größer.
Nachdem sie einander die größten Tafelberge gezeigt hatten und auch die mannigfachen Merkmale der gebrochenen und verkleinerten Eisdecke (der Geologe zeigte, wo nach seiner Meinung der Vulkan unter dem Eis lag, aber das sah nicht anders aus als der Rest der Decke), setzten sie sich einfach wieder hin und beobachteten.
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