„Er hat dir das schlechteste Stück Fleisch angeboten, das er finden konnte“, erklärte der Maat.
„Erstaunlich menschenähnlich“, murmelte Lackland vor sich hin. „Hoffentlich haben die Eingeborenen nachts nichts mehr vor“, fügte er dann lauter hinzu. „Ich sehe schon fast nichts mehr und muß mich darauf verlassen, daß du mich rechtzeitig warnst, wenn ich reagieren soll.“ Inzwischen ging die Sonne wieder unter, aber Barlennan versicherte ihm, er werde prompt benachrichtigt, falls sein Eingreifen erforderlich sei.
Nachts war meistens nur die Stimme des Häuptlings zu hören, der mit seinen Ratgebern diskutierte, die allerdings kaum zu Wort kamen. Gegen Morgen schien er einen Entschluß gefaßt zu haben; er legte seine Waffen ab, ließ die Ratgeber zurücktreten, gab Barlennans Wachen ein Zeichen, sie sollten den Gefangenen freilassen, und überquerte im Licht der Morgensonne das Deck. Der Kommandant erwartete ihn gelassen, da er sich bereits vorstellen konnte, was der andere wollte. Der Häuptling blieb dicht vor ihm stehen, legte eine bedeutungsvolle Pause ein und begann dann zu sprechen.
Seine Worte waren unverständlich; aber selbst die beiden Männer auf Toorey begriffen, daß der Eingeborene eines der Funkgeräte wollte. Was er sich davon versprach, war nicht ganz klar, aber offensichtlich legte er großen Wert darauf. Barlennan hörte sich seine Rede geduldig an und antwortete nur mit einer kurzen Geste, die unmißverständliche Ablehnung ausdrückte.
Zu Lacklands großer Erleichterung wurde der Häuptling daraufhin nicht etwa gewalttätig, sondern rief seinen Leuten statt dessen einen Befehl zu. Die Eingeborenen schafften einen Teil des geraubten Fleisches in die Vorratskammern der Bree zurück. Als die Hälfte der Beute zurückgegeben war, wiederholte der Häuptling seine Frage; Barlennan lehnte jedoch wieder ab, und der Eingeborene ließ auch den Rest zurückbringen. Lackland wurde allmählich unruhig.
„Was unternimmt er vermutlich, wenn du nochmals ablehnst, Barl?“ fragte er leise. Der Häuptling warf dem Funkgerät einen hoffnungsvollen Blick zu, als erwarte er, die Gottheit werde sich zu seinen Gunsten einmischen.
„Keine Ahnung“, antwortete der Kommandant. „Wenn wir Glück haben, bringt er noch andere Waren aus dem Dorf, aber ich zweifle fast daran. Wäre das Gerät weniger wichtig, würde ich es ihm jetzt geben.“
„Das ist doch unglaublich!“ Der Ethnologe neben Lackland explodierte förmlich. „Soll das etwa heißen, daß Barlennan sein Leben und das seiner Leute aufs Spiel setzt, um ein schäbiges Funkgerät zu retten?“
„Schäbig ist kaum der richtige Ausdruck“, murmelte Lackland. „Die Dinger kosten einen Haufen Geld.“
„Reden Sie keinen Unsinn!“ knurrte der andere. „Denken Sie lieber daran, daß uns auch damit geholfen ist, wenn wir diese Eingeborenen beobachten können! Barlennan soll ihnen das Gerät überlassen!“
„Dann hat er nur noch drei, von denen eines unbedingt den Südpol erreichen muß“, wandte Lackland ein. Er runzelte nachdenklich die Stirn und sprach dann in sein Mikrophon: „Barl, du mußt selbst entscheiden, was in diesem Fall zu tun ist. Vielleicht kommst du mit drei Geräten aus, und meine Freunde hier wären bestimmt nicht unglücklich, wenn die Wilden das vierte behielten.“
„Vielen Dank, Charles.“ Barlennans Entschluß war bereits gefaßt. Zum Glück hatte der Häuptling die Unterhaltung gespannt verfolgt, ohne sich einzumischen; jetzt beobachtete er, wie Barlennan seinen Leuten rasch einige Befehle erteilte.
Das Funkgerät wurde vorsichtig aus ›sicherer‹ Entfernung mit Stangen auf eine doppelte Seilschlinge geschoben. Barlennan erhielt ein Seilende und übergab es seinerseits ehrfürchtig dem Häuptling, der vier Ratgeber heranwinkte, die das Gerät tragen sollten. Die Eingeborenen näherten sich vorsichtig dem äußersten Floß, und das Kanu des Häuptlings kam heran — ein langer Einbaum mit papierdünnen Seitenwänden.
Barlennan warf einen mißtrauischen Blick auf das seltsame Boot, weil er sich nicht vorstellen konnte, daß dieses verrückte Ding das schwere Funkgerät tragen würde. Zu seiner Überraschung sank das Kanu jedoch nur wenig tiefer, als die Last abgesetzt wurde. In diesem Augenblick wurde Barlennan klar, daß er sich das Boot unbedingt verschaffen mußte, um herauszubekommen, weshalb Schiffe dieser Art im Verhältnis zu ihrer Größe verblüffend schwere Lasten tragen konnten.
Als der Häuptling und seine vier Ratgeber an Bord des Kanus gingen, folgte Barlennan ihnen unaufgefordert. Die Eingeborenen beobachteten ihn erstaunt, hielten ihn aber nicht zurück. Der Kommandant wußte genau, was er wollte, war sich aber noch nicht darüber im klaren, wie er es anfangen sollte. Deshalb näherte er sich zuerst dem Funkgerät.
„Charles, ich muß dieses kleine Schiff haben, selbst wenn ich es den Kerlen nachts stehlen müßte. Antworte bitte irgend etwas, sobald ich nicht mehr spreche. Die Leute sollen den Eindruck haben, ihr Boot sei nicht mehr für den Alltagsgebrauch geeignet, sondern müsse statt dessen den Platz des Funkgeräts auf Deck einnehmen. Willst du mir dabei helfen?“
„Es widerstrebt mir eigentlich, Erpressern — das Wort erkläre ich dir später — behilflich zu sein, aber ich bewundere deine Unverschämtheit. Viel Glück, Barl, hoffentlich merkt unser Freund nicht, daß du ihn hereinlegen willst.“ Ladeland schwieg und beobachtete gespannt, wie der Mesklinit sich an die Arbeit machte.
Barlennan verzichtete auch diesmal auf große Worte, aber seine Gesten waren selbst für Menschen verständlich, und die Eingeborenen begriffen sofort, was er im Sinn hatte. Er untersuchte zunächst das Kanu und gab seine Zufriedenheit zu erkennen, dann verscheuchte er ein zweites Boot, das zu nahe gekommen war, und machte dem Häuptling klar, daß seine Leute unter allen Umständen genügend Abstand halten sollten.
Als nächstes kehrte er an Bord zurück, ließ die restlichen Funkgeräte zur Seite räumen und bereitete demonstrativ einen Platz vor, der für das Kanu genügen mußte. Vermutlich hätte er seinen wortlosen Überredungsversuch weiter fortgesetzt, aber an dieser Stelle ging die Sonne unter. Die Eingeborenen ließen sich davon nicht abhalten; bei Sonnenaufgang lag das Kanu bereits am Ufer.
Barlennan beobachtete aufmerksam, wie der Häuptling und seine Ratgeber die kostbare Last aus dem Boot hoben und stellte befriedigt fest, daß alle übrigen Eingeborenen sich in respektvoller Entfernung hielten. Dann verschwand der ganze Stamm jenseits der Uferböschung; die Bree hätte jetzt weiterfahren können, aber der Kommandant gab nicht so rasch auf, sondern wartete geduldig, bis wieder mehrere Eingeborene am Ufer auftauchten. Der Häuptling und zwei seiner Ratgeber bestiegen das Kanu, stießen ab und näherten sich der Bree, während ein zweites Boot in größerer Entfernung folgte.
Die drei Eingeborenen legten an der gleichen Stelle wie zuvor an und verließen sofort das Kanu. Barlennan hatte bereits vier seiner Leute eingeteilt, die jetzt das Boot aus dem Fluß hoben, es vorsichtig über Deck trugen und es dort absetzten, wo früher das Funkgerät gestanden hatte. Die Eingeborenen sahen nicht lange zu; der Häuptling und seine beiden Ratgeber bestiegen das zweite Kanu, ließen sich ans Ufer zurückbringen und sahen nur von Zeit zu Zeit zur Bree hinüber. Die Abenddämmerung verschluckte sie, als sie die Uferböschung hinaufstiegen.
„Du hast es geschafft, Barl“, sagte Lackland erleichtert. „Ich wünschte nur, ich wäre so gerissen wie du; dann wäre ich wahrscheinlich steinreich, wenn meine Opfer mich nicht schon gelyncht hätten. Willst du noch bis morgen warten, um mehr aus ihnen herauszulocken?“
„Wir fahren sofort ab!“ versicherte der Kommandant ihm.
Lackland verließ den dunklen Bildschirm und ging in seine Kabine zurück, um endlich wieder einmal zu schlafen.
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