Hector antwortete nicht. Er sah den alten Mann nur skeptisch an.
Menschentrauben umlagerten das Gebäude, in dem die Duellmaschine stand. Das aufgeregte Gemurmel drang sogar ins Innere des sonst so stillen Saals. Auf der Pressetribüne, hoch über der Maschine, drängten sich die Reporter.
Die ganze Woche hatten die Tri-Di-Stationen im Acquataine Cluster kein anderes Thema gehabt als das bevorstehende Duell zwischen Leoh und Odal. Das Gute gegen das Böse; und den Ausgang wagte niemand vorauszusagen. Der alte, übergewichtige, unsportliche Professor gegen den schlanken, tödlichen Killer.
Hector und Leoh standen vor der Maschine. Die Meditechniker führten letzte Checks durch. Am anderen Ende des Saals hatte man tribünenförmige Sitzreihen aufgebaut. Politiker und Honoratioren saßen dort, Militärs, Polizisten und eine kleine Abordnung der Kerakischen Botschaft. Geri Dulaq saß in der ersten Reihe; der freie Platz neben ihr war für Hector reserviert.
»Ich habe nach wie vor ein schlechtes Gefühl«, flüsterte Hector, zu Leoh gewandt.
Leoh überflog den Saal, die erwartungsvollen Zuschauer, die geschäftigen Meditechniker. »Nur keine Aufregung, mein Junge. Wir haben die Maschine auf Herz und Nieren geprüft. Das schlimmste, was mir passieren kann, ist eine Niederlage. Beim leisesten Anzeichen einer medizinischen Unregelmäßigkeit stoppt die Maschine automatisch. Und außerdem glaube ich immer noch, daß ich ihn schlagen kann. Ich werde wieder diesen Neutronenstern wählen, die gleiche Umgebung, die ich auch schon gegen diesen Studenten benutzt habe. Dort ist Odal mir gegenüber nicht im Vorteil.«
Von der Menge draußen stieg ein tosender Schrei auf.
»Er kommt«, sagte Hector.
Das Hauptportal öffnete sich. Flankiert von zwei Reihen uniformierter Polizisten marschierten Odal und seine beiden Sekundanten in den Saal, alle drei in hellblauen kerakischen Uniformen. Mit einer ärgerlichen Geste wischte sich Odal etwas von der Uniformjacke.
»Diplomatische Immunität«, meinte Leoh, »hilft offenbar nichts gegen eine aufgebrachte Menschenmenge.«
Die Begrüßung, die medizinischen Tests, die Instruktionen, die Wahl der Waffen und der Umgebung — all das schien Stunden zu dauern. Bis plötzlich alles vorüber war und Hector allein auf seinen Platz zurückkehrte.
Er setzte sich neben Geri und sah zu, wie Leoh und Odal ihre Kabinen betraten, wie die Meditechniker ihre Stationen an den Kontrollkonsolen einnahmen, wie die Lämpchen von Gelb auf Grün wechselten. Das Duell hatte begonnen.
Die Zuschauer zeigten Anzeichen von Ungeduld. Gemurmel erfüllte den Saal. Es gab nichts zu tun als zu warten.
Geri beugte sich zu Hector hinüber und fragte honigsüß: »Hast du eine Pistole mitgebracht?«
»Wie? Was? Wozu eine…ich meine…«
»Für Odal«, flüsterte sie. »Ich habe einen kleinen Strahler in meiner Handtasche.«
»Aber… aber…«
»Du hast es mir versprochen!« Noch immer flüsternd, aber in sehr entschiedenem Ton.
»Ich weiß, aber doch nicht hier. Es sind… es sind zu viele Leute hier… Unbeteiligte könnten getroffen werden, wenn… wenn es zu einer Schießerei kommt…«
Geri überlegte einen Augenblick. »Vielleicht hast du recht. Wenn er natürlich Professor Leoh dort drin umbringt, geht er von hier aus schnurstracks an Bord eines kerakischen Raumschiffs, und wir sehen ihn nie wieder.«
Hector fiel keine passende Antwort ein, und so schwieg er und fühlte sich hundeelend.
In der nächsten halben Stunde hatten sie sich nichts zu sagen. Als die erste Runde des Duells zu Ende war, blinkten alle Kontrollämpchen gelb. Die Menge stieß einen kollektiven Seufzer der Enttäuschung aus, vermischt mit Erleichterung. Hector sprintete zu Leohs Kabine, während Odals Sekundanten in militärischem Gleichschritt losmarschierten.
Leoh trat aus der Kabine und machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Alles in Ordnung?« fragte Hector.
»Was? Ach so, ja, natürlich. Er hat sich genau an die Regeln gehalten.« Leoh blickte zu Odal hinüber. Der kerakische Major lächelte kalt, erschien gelassen und selbstsicher. »Er hat sich gut geschlagen… außerordentlich gut. Ein paarmal war er drauf und dran, mir den Garaus zu machen. Und ich habe ihn eigentlich nie wirklich in Bedrängnis gebracht.«
Der leitende Meditechniker winkte die beiden Duellanten zur Kommandokonsole. Hector begleitete Leoh.
»Die erste Runde des Duells ist unentschieden ausgegangen«, erklärte der Meditechniker. »Sie beide haben jetzt die Option, für heute aufzuhören oder das Duell unmittelbar fortzusetzen.«
»Ich mache weiter«, sagte Odal ohne zu zögern.
Leoh nickte. »Ich auch.«
»Sehr wohl.« Der Meditechniker wandte sich Odal zu. »Sie haben jetzt die Wahl der Waffen und der Umgebung. Sind besondere Instruktionen erforderlich?«
Odal schüttelte den Kopf. »Der Professor weiß, wie man mit einem Roadster umgeht?« Auf Leohs bestätigendes Nicken fuhr er fort: »Mehr wird nicht von ihm verlangt.«
Leoh fand sich am Steuer eines schnittigen blauen Roasters wieder: durchsichtiges Kuppeldach, zwei sportliche Schalensitze, kraftvoll schnurrende Maschine unter der aerodynamischen Motorhaube. Vor ihm erstreckte sich eine Landstraße schnurgerade bis zum Horizont, wo sich zerklüftete blauschimmernde Berge gegen den grellgelben Himmel abzeichneten. Das Fahrzeug stand am Straßenrand und lief im Leerlauf. Rechts und links der Straße erstreckte sich eine öde Wüstenlandschaft — flach, ohne Konturen, wolkenlos und heiß.
Odals Stimme drang aus dem Funkgerät am Armaturenbrett. »Ich stehe ungefähr fünf Kilometer hinter Ihnen, Professor. Sie fahren jetzt los, und ich werde Ihnen folgen. Diese Roadster haben Räder, keine Luftkissen; es gibt keine magnetischen Stoßfänger, keine elektronische Gleitpfadsteuerung, die den Wagen auf der Straße hält. Nach ein paar Kilometern, wenn wir die Berge erreichen, wird die Streckenführung ziemlich interessant. Das Ziel ist natürlich, den gegnerischen Wagen von der Straße zu drängen und in einen möglichst schweren Unfall zu verwickeln. Aber Sie können auch einfach Gas geben. Wenn ich Sie in einer halben Stunde nicht eingeholt habe, gebe ich mich ebenfalls geschlagen.«
Leoh studierte die Kontrollen, drückte auf die Fahrtaste und trat behutsam aufs Gas. Die Turbine surrte gleichmäßig und vertrauenerweckend. Langsam steigerte Leoh die Geschwindigkeit auf hundert Stundenkilometer. Im Rückspiegelschirm sah er einen blutroten Roadster, das gleiche Modell wie der seine, der genau zehn Fahrzeuglängen Abstand hielt.
»Auf dem geraden Stück haben Sie Gelegenheit, sich mit dem Fahrzeug vertraut zu machen«, drang Odals Stimme aus dem Radio. »Ernst wird es erst, wenn wir in die Berge kommen.«
Die Straße stieg jetzt an, stellte Leoh fest. Eine sehr mäßige Steigung, aber bei ihrer Geschwindigkeit waren sie sehr bald über das Niveau der Wüstenlandschaft hinausgeklettert. Die Berge erschienen nicht länger als ferne blaue Runzeln; sie ragten immer höher, immer gezackter und felsiger auf; nur vereinzelte Büsche und Sträucher hatten an den steilen Flanken Wurzeln schlagen können.
Die erste Kurve kam so unerwartet, daß sie Leoh fast zum Verhängnis geworden wäre. Er riß das Steuer herum, stieg auf die Bremse und rutschte schleudernd um die Kurve.
»Das war keine Meisterleistung«, lachte Odal.
Der rote Wagen berührte jetzt beinahe seinen linken hinteren Kotflügel und drängte ihn zum rechten Straßenrand, wo eine steile Böschung aufragte. Leoh hörte lose Steine von unten gegen das Chassis klappern, ein Geräusch, das das Heulen der Turbinen übertönte. Auf der anderen Straßenseite fiel das felsige Gelände steil zur Wüste ab. Und die Straße stieg noch immer an.
Leoh hielt sich am rechten Straßenrand, links neben sich Odal, der fast gleichgezogen hatte. Unvermittelt wichen die Berge zurück; eine Brücke spannte sich schwindelerregend zwischen zwei Felsklippen. Leoh schien es, als raste die Brücke in atemberaubendem Tempo auf ihn zu. Er versuchte in die Fahrbahnmitte zurückzukehren, doch Odal rammte ihn seitlich. Leoh wurde das Steuer aus der Hand gerissen. Der Roadster schleuderte auf das Bankett zu. Leoh packte das Steuerrad, lenkte gegen und war plötzlich auf der Brücke, deren Spannkabel verschwommen an ihm vorbeiflogen. Er schwitzte heftig und saß mit verkrampften Händen über das Lenkrad gebeugt.
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