Wiederum antwortete ich, daß dies nicht der Fall sei. Darauf sprach Herger: »Was seht Ihr statt dessen?« und lachte viel ob seines eigenen Witzes, welchen ich nicht teilte oder gar zu teilen vorgab, denn mir war nicht nach Lachen zumute. Nun sagt Herger: »Ihr Araber seid zu mürrisch. Ihr grollt die ganze Zeit. In euren Augen ist nichts lächerlich.«
Hierauf sagte ich, daß er falscher Meinung sei. Er verlangte, ich sollte eine lustige Geschichte erzählen, und ich berichtete ihm vom Vortrag eines berühmten Predigers. Ihr kennt sie wohl. Ein berühmter Prediger steht auf der Kanzel der Moschee, und aus dem ganzen Umkreis haben sich Männer und Frauen versammelt, seine edlen Worte zu hören. Ein Mann namens Hamit legt Umhang und Schleier an und setzt sich unter die Frauen. Der berühmte Prediger sagt: »Gemäß den Gesetzen des Islam ist es erstrebenswert, daß man sein Schamhaar nicht zu lang wachsen läßt.« Ein Zuhörer fragt: »Wie lang ist zu lang, o Prediger?« Jedermann kennt diese Geschichte; es handelt sich in der Tat um einen derben Scherz. Der Prediger erwidert: »Es sollte nicht länger denn ein Gerstenhalm sein.« Nun fragt Hamid die Frau neben ihm: »Schwester, bitte seht nach und sagt mir, ob mein Schamhaar länger ist denn ein Gerstenhalm.« Die Frau greift unter Hamids Umhang und tastet nach seinem Schamhaar, worauf ihre Hand sein Glied berührt. In ihrer Überraschung stößt sie einen Schrei aus. Der Prediger vernimmt diesen und ist hocherfreut. Zu seinen Zuhörern sagt er: »Ihr solltet alle die Kunst lernen, einer Predigt dergestalt beizuwohnen wie diese Dame, denn ihr könnt erkennen, wie sehr sie dies im Herzen rührt.« Und die Frau, welche noch immer erschrocken, wartet mit dieser Erwiderung auf: »Es hat mich nicht im Herzen gerührt, es hat meine Hand berührt.« Herger lauschte all meinen Worten mit ausdrucksloser Miene. Niemals lächelte er oder lachte gar. Als ich geendet hatte, sagte er: »Was ist ein Prediger?« Darauf sagte ich, er sei ein dummer Nordmann, welcher nichts von der Weite der Welt wisse. Und auf dieses hin lachte er, wohingegen er ob der Geschichte nicht lachte. Nun stieß Skeld einen Schrei aus, und sämtliche Krieger des Buliwyf, darunter ich, wandten den Blick den Hügeln hinter der Decke aus Dunst zu. Hier folgt, was ich sah: hoch in der Luft und weit entfernt ein feurig glühender Lichtpunkt, wie ein gleißender Stern. Sämtliche Krieger sahen ihn, und es gab allerlei Gemurmel und Ausrufe unter ihnen.
Bald tauchte ein zweiter Lichtpunkt auf und noch ein anderer und ein weiterer. Ich zählte über ein Dutzend, und darauf zählte ich nicht weiter. Diese glühenden Feuerpunkte tauchten in einer Reihe auf, welche sich wand wie eine Schlange, oder, wahrlich, wie der sich windende Leib eines Drachens. »Seid nun bereit«, sagte Herger zu mir und überdies die Redensart der Nordmänner: »Glück in der Schlacht.« Diesen Wunsch erwiderte ich ihm mit den nämlichen Worten, und er zog von dannen.
Die glühenden Feuerpunkte waren noch immer weit entfernt, doch sie rückten näher. Nun vernahm ich ein Geräusch, welches ich für Donner hielt. Dieses war ein tiefes, fernes Grollen, welches in der dunstigen Luft anschwoll, wie dies im Dunste alle Töne tun. Denn wahrlich, es trifft zu, daß eines Mannes Flüstern im Dunste einhundert Schritt entfernt so deutlich vernommen werden kann, als ob er einem ins eigene Ohr flüstert. Nun hielt ich Ausschau und lauschte, und sämtliche Krieger des Buliwyf ergriffen ihre Waffen und hielten Ausschau und lauschten gleichermaßen, und der Glühwurmdrache namens Korgon stieß herab auf uns mit Donner und Flamme. Ein jeglicher gleißender Punkt ward größer und unheilvoll rot und zuckend und züngelnd; der Leib des Drachens war lang und glitzernd, ein Anblick höchst grimmer Art, und doch empfand ich keine Angst, denn ich entschied nun, daß es sich um Reiter mit Fackeln handeln müßte, und dies erwies sich als wahr. Sodann drangen bald die Reiter aus dem Dunst hervor, schwarze Gestalten mit erhobenen Fackeln, schwarze Rösser in schnaubendem Ansturm, und die Schlacht ward handgemein. Augenblicklich war die Nachtluft erfüllt von grausigem Brüllen und Schmerzensschreien, denn der erste Ansturm der Reiter war auf den Graben gestoßen, und viele Tiere strauchelten und stürzten und entledigten sich ihrer Reiter, und die Fackeln verzischten im Wasser. Andere Pferde suchten den Zaun zu überspringen und wurden gepfählt von den spitzen Stangen. Ein Stück des Zaunes fing Feuer. Krieger rannten in alle Richtungen.
Nun sah ich einen der Berittenen durch das brennende Stück des Zaunes hindurchjagen, und zum ersten Male konnte ich deutlich diesen Wendol erkennen, und wahrlich, ich sah dies: Auf einem schwarzen Rosse ritt eine menschliche Gestalt von schwarzer Färbung, doch ihr Haupt war das Haupt eines Bären. Eine Zeitlang ward ich von einem höchst entsetzlichen Schreck befallen, und ich fürchtete, ich würde einzig aus Furcht sterben, denn niemals zuvor hatte ich einen solch alptraumhaften Anblick erlebt; doch im nämlichen Augenblicke war die Handaxt des Ecthgow tief in den Rücken des Reiters gegraben, welcher umstürzte und fiel, und des Bären Haupt rollte von seinem Leib, und ich sah, daß er darunter das Haupt eines Mannes besaß.
Flink wie ein Blitzstrahl sprang Ecthgow auf das gefallene Wesen, stach ihm tief in die Brust, drehte den Leichnam um und löste die Handaxt aus dem Rücken und stürmte erneut in die Schlacht. Ich geriet ebenso in die Schlacht, denn durch den Hieb mit einer Lanze ward ich jählings von den Beinen gerissen. Viele Reiter mit lodernden Fackeln befanden sich nun innerhalb des Zaunes; manche trugen die Häupter von Bären und manche wiederum nicht; im Kreise ritten sie um die Bauten und die Hurot-Halle und suchten sie in Brand zu stecken. Wacker fochten Buliwyf und seine Krieger wider dies an.
Ich kam auf die Beine, als eines der Dunstwesen mit rasendem Rosse just auf mich einstürmte. Wahrlich, ich tat dies: Ich stand festen Fußes am Boden und hielt die Lanze aufwärts, und ich dachte, der Aufprall würde mich zerschmettern. Doch die Lanze drang durch den Leib des Reiters, und er schrie höchst erschreckend auf, doch fiel er nicht von seinem Tiere und ritt weiter. Keuchend vor Schmerzen in meinem Bauche, sank ich nieder, doch war ich, bis auf einen kurzen Augenblick, nicht wirklich verletzt.
Im Verlaufe dieser Schlacht schossen Herger und Skeld ihre zahllosen Pfeile ab, und die Luft war erfüllt von ihrem Pfeifen, und sie erzielten zahllose Treffer. Ich sah den Pfeil des Skeld durch den Hals eines Reiters dringen und dort steckenbleiben; dann wiederum sah ich Skeld und Herger zugleich einem Manne die Brust durchbohren, und so flink hatten sie wiederum den Bogen gespannt, daß der nämliche Reiter bald vier in seinen Leib gegrabene Schäfte aufwies, und sein Geschrei war höchst grausig, indes er dahinritt. Doch ich erfuhr, daß diese Tat von Herger und Skeld als schlechtes Streiten betrachtet ward, denn die Nordmänner glauben, daß Tieren nichts Heiliges innewohnt; daher besteht für sie die wahre Aufgabe der Pfeile darin, Pferde zu töten, um die Reiter zu stürzen. Sie sagen dazu: »Ein Mann ohne sein Pferd ist ein halber Mann und doppelt leicht zu töten.« Dergestalt verfahren sie ohne jegliches Zögern. Nun sah ich ebenso dieses: Ein Reiter, tief über sein galoppierendes schwarzes Pferd gebeugt, stürmte in das Lager und ergriff den Leib des Ungeheuers, welches Ecthgow erschlagen, warf ihn über seines Pferdes Hals und ritt davon, denn wie ich gesagt habe, hinterlassen diese Dunstwesen keinerlei Tote im Morgenlicht. Eine beträchtliche Zeitspanne tobte die Schlacht im Lichte der durch den Dunst lodernden Feuer. Ich sah Herger in mörderischem Gefecht mit einem der Unholde; ich ergriff eine frische Lanze und trieb sie tief in des Wesens Rücken. Bluttriefend hob Herger zum Danke den Arm und stürzte sich zurück ins Gefecht. Hierauf empfand ich großen Stolz. Nun suchte ich meine Lanze herauszuziehen, und derweil ich dies tat, ward ich von einem vorbeistürmenden Reiter beiseite geschleudert, und von diesem Zeitpunkte an erinnere ich mich wahrhaftig wenig. Ich sah, daß eine der Behausungen der Edlen des Rothgar mit gierig züngelnder Flamme brannte, doch daß die getränkte Hurot-Halle noch immer unangetastet war, und ich war froh, als ob ich selbst ein Nordmann wäre, und dergestalt waren meine letzten Gedanken.
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