»Wie ging es?« fragte Barney.
»Nicht schlecht. Allerdings bin ich noch nicht ganz fertig. Weißt du, es waren diese Biester im Wasser. Die Zähne! Und Augen …«
»Wieviel Zeit brauchst du noch?«
»In zwei Wochen müßte ich es leicht schaffen. Aber, Barney, die Augen …«
»Der Professor hat gesagt, daß es keine Lebewesen gibt, die dir gefährlich werden können.«
»Das vielleicht nicht, aber sie schwimmen zu Unmengen im Meer herum, und die Zähne …«
»Bis später. Nehmen Sie ihn wieder mit, Professor. Zwei Wochen.«
Diesmal verschwamm der Laster kaum, und wenn Barney einen Moment lang nicht hingeschaut hätte, so wäre ihm die Reise ganz entgangen. Aber Charley und Clyde saßen auf der anderen Seite des Lastwagens, und der Umschlag mit den Schreibmaschinenblättern war dicker geworden.
»Unter Wikinger-Flagge«, sagte Charley und schwenkte die Blätter über dem Kopf. »Ein Meisterwerk auf Breitwand.« Er legte den Umschlag hin, und Barney sah, daß die Stempelkarten angeheftet waren. »Das sind unsere Karten, und wenn du sie genau ansiehst, wirst du erkennen, daß wir täglich gestempelt haben. Außerdem verlangen Clyde und ich doppelte Bezahlung für alle Samstage und Sonntage.«
»Habe ich etwas dagegen gesagt?« Barney wog das Manuskript glücklich in der Hand. »Komm mit, Charley, wir halten gleich die Konferenz ab.«
Charley schnüffelte, als sie in die Dämmerung hinaustraten. »Himmel, wie das stinkt!« sagte er. »Es ist mir bisher gar nicht aufgefallen. Was hatten wir für eine herrliche Luft auf der Insel!« Er sah seine Füße an. »Ein komisches Gefühl, wenn man wieder Schuhe trägt.«
»Die Heimkehr des Verlorenen Sohns«, sagte Barney. »Ich zeige L. M. das Drehbuch, und du kannst dir inzwischen in der Garderobe ein paar anständige Kleider geben lassen. Vielleicht reicht die Zeit auch zum Rasieren. Komm danach gleich zu L. M. Ist das Drehbuch gut?«
»Vielleicht ist es noch zu früh, um das zu sagen — aber ich habe so das Gefühl, daß es mein bestes Stück bisher ist. Ich konnte völlig ohne Ablenkung arbeiten — wenn man die Augen nicht einrechnet. Und Clyde war eine große Hilfe. Er kann ordentlich maschinenschreiben. Wußtest du übrigens, daß er Dichter ist?«
»Ich dachte, er sei Koch.«
»Er ist ein lausiger Koch. Ich habe schließlich unser Mittagessen selbst gemacht. Er hat die Arbeit in der Kantine nur angenommen, um seine Miete bezahlen zu können. Er ist ein guter Dichter und schreibt Klasse-Dialoge. Er hat mir wirklich viel geholfen. Glaubst du, wir könnten ihm ein paar Prozente von dem Film abtreten?«
»Weshalb nicht? Und vergiß nicht, dich zu rasieren.«
Barney ging in L. M.s Büro und warf das Drehbuch auf den Tisch. »Fertig«, sagte er.
L. M. wog es sorgfältig mit beiden Händen, dann hielt er es ein Stück von sich, um den Titel zu lesen.
» Unter Wikingerflagge. Guter Titel. Werden ihn ändern müssen. Sie haben Ihr Versprechen gehalten, Barney, aber nun verraten Sie mir, wie man in einer Stunde zu einem Drehbuch kommt. Sam ist übrigens ganz brennend daran interessiert.« Sam war beinahe unsichtbar, weil er bis an die dunkle Wandtapete zurückgerutscht war. Man bemerkte ihn erst, als er nickte.
»Kein Geheimnis, L. M. Es ist das Vremeatron. Sie haben ja gesehen, wie es funktioniert. Charley Chang ging in die Vergangenheit, an ein nettes, ruhiges Plätzchen, und dort hat er sehr hart an dem Drehbuch gearbeitet. Er blieb, bis er fertig war, dann brachten wir ihn in die Gegenwart zurück. Von unserem Standpunkt waren kaum ein paar Minuten vergangen.«
»Ein Drehbuch in einer Stunde!« strahlte L. M. »Das wird die Revolution im Filmgeschäft! Ich bin nicht kleinlich, Barney. Nennen Sie den höchsten Stundenlohn, den Sie sich vorstellen können, und ich verdopple ihn. Geld ist mir egal. Ich will dafür sorgen, daß Charley Chang diese Stunde großzügig ersetzt bekommt.«
»Sie verstehen mich nicht ganz, L. M. Es ist vielleicht nur eine Stunde Ihrer Zeit vergangen, aber Charley Chang hat mehr als zwei Monate an dem Drehbuch gearbeitet, einschließlich der Samstage und Sonntage. Und er möchte diese Zeit bezahlt bekommen.«
»Er kann nicht beweisen, daß er so lange gebraucht hat!« fuhr L. M. auf.
»Kann er schon! Er hat jeden Tag eine Karte abgestempelt, und ich habe die Karten bei mir.«
»Soll er mich verklagen! Es hat eine Stunde gedauert, und ich zahle für eine Stunde.«
»Sam, rede du mit ihm«, bat Barney. »Sage ihm, daß man für nichts nichts bekommt. Acht Wochen Bezahlung ist immer noch ein Pappenstiel für so ein tolles Drehbuch.«
»Das Ein-Stunden-Drehbuch hat mir besser gefallen«, sagte Sam.
»Uns allen hätte ein Ein-Stunden-Drehbuch besser gefallen, aber es gibt nun mal keines. Es handelt sich lediglich um eine neue Arbeitsmethode, und die geleistete Arbeit muß ebenso wie früher bezahlt werden.«
Das Telefon unterbrach das Gespräch. L. M. nahm den Hörer ab. Eine Zeitlang horchte er schweigend zu, dann stieß er eine Serie von einsilbigen Grunzlauten aus und legte auf.
»Ruf Hawk ist nach hierher unterwegs«, sagte L. M. »Vielleicht können wir ihn für die Titelrolle gebrauchen, aber ich habe das Gefühl, daß er noch unter Vertrag steht. Barney, horchen Sie ihn aus, bevor sein Agent herkommt. So — und was diese eine Stunde betrifft …«
»Bitte, sprechen wir später über diese eine Stunde, L. M. Es wird sich alles klären.«
Ruf Hawk kam herein. Er blieb einen Moment in der Tür stehen und wandte ihnen sein Profil zu, um zu zeigen, wie gut er aussah. Er sah gut aus. Er sah gut aus, weil sein einziges Interesse seinem Aussehen galt. In zahllosen Kinos auf der ganzen Welt schlugen Frauenherzen schneller, wenn Ruf ein glückliches Starlet in die männlichen Arme schloß. Aber diese vielen, vielen Frauen hatten keine Ahnung, daß ihre Chance, einmal von Ruf in die Arme geschlossen zu werden, gleich Null war. Ruf mochte Frauen nicht. Nicht daß er abnorm veranlagt war, das nicht. Er mochte auch Männer nicht. Er mochte keine Schafe, Regenmäntel, Peitschen, etc. Ruf mochte nur Ruf, und der Glanz der Liebe in seinen Augen war nichts anderes als das Widerspiegeln einer narzißhaften Eigenliebe. Er war einer von vielen StrandMuskelprotzen gewesen, bis man entdeckte, daß er schauspielern konnte. Das heißt, richtig schauspielern konnte er nicht, aber man hatte herausgebracht, daß er genau das tat, was man ihm sagte. Er wiederholte mit Ochsengeduld immer wieder die gleichen Gesten und Worte, bis er sie beherrschte. Zwischendurch munterte er sich durch einen Blick in den Spiegel auf. Seine Unfähigkeit war nie entdeckt worden, denn immer, bevor jemand merkte, wie schlecht er spielte, griffen die Indianer an, oder es erfolgte eine Dinosaurier-Stampede, oder die Mauern Trojas stürzten ein. Deshalb war Ruf glücklich, und auch die Produzenten waren glücklich, wenn sie die Einnahmen zählten. Man war sich darüber einig, daß man Ruf noch lange einsetzen konnte, bevor das Publikum hinter den Schwindel kam.
»Hallo, Ruf«, sagte Barney, »genau der Mann, den wir brauchen.«
Ruf hob die Hand und lächelte. Er sprach nur, wenn er zum Reden aufgefordert wurde.
»Reden wir nicht lange herum, Ruf, es wird ein Knüller ersten Ranges, und als wir von der Hauptbesetzung sprachen, fiel dein Name. Daraufhin sagte ich: Ein Wikingerfilm ohne Ruf geht nicht. Ruf ist der echteste Wikinger, den man sich vorstellen kann.«
Ruf gab keinerlei Gefühlsregung von sich. »Du hast doch schon von den Wikingern gehört, Ruf, oder?«
Ruf lächelte andeutungsweise.
»Du weißt doch«, fuhr Barney fort, »große Burschen mit Riesenäxten und Hörnern an den Helmen. Sie segelten in Schiffen umher, die geschnitzte Drachenköpfe am Bug hatten …«
»Ach ja, richtig«, sagte Ruf. Endlich w a r seine Aufmerksamkeit gefesselt. »Ich habe von den Wikingern gehört. Ich habe noch nie einen Wikinger gespielt.«
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