»Wie könnte ich! Aber Notfall hin und Film ohne Drehbuch her! In Frankreich sind diese Sachen vielleicht üblich, da weiß man manchmal wirklich nicht, ob sie ein Drehbuch hatten oder nicht, aber bei Climactic geht das nicht.«
»Es hat keinen Sinn«, bestätigte Sam.
Barney versuchte, die Hände nicht zu ringen. »L. M., seien Sie vernünftig! Es ist eine Rettungsaktion, die unter ganz bestimmten Vorzeichen läuft …«
»Sagen Sie ruhig Bank. Es regt mich nicht mehr auf.«
»Ich sage es nicht, weil wir sie noch schlagen können. Wir schaffen diesen Film. Sie haben sich also meinen Drehbuchautor geholt …«
»Er hat kein Drehbuch.«
»Natürlich hat er keines. Wir beide haben ja gestern erst die Idee ausgearbeitet. Nun habe ich mit ihm darüber gesprochen …«
»Er hat kein Drehbuch.«
»Hören Sie mich zu Ende an, L. M. Charley ist ein netter Kerl, das wissen Sie, und wenn einer ein gutes Drehbuch schreibt, dann ist es Charley. Wenn Sie ein Charley-Chang-Drehbuch hätten, würden Sie den Film anlaufen lassen, nicht wahr?«
»Er hat kein …«
»L. M., Sie hören nicht zu. Wenn. Das ist das große Wort. Wenn ich Ihnen hier und jetzt ein Drehbuch Charley Changs für diesen großartigen Film überreichen würde — meinetwegen mit dem Titel Unter Wikingerflagge — würden Sie dann die Produktion genehmigen?«
L. M. setzte sein bestes Pokergesicht auf. Er warf Sam einen Blick zu, der seinen Kopf um den Bruchteil eines Millimeters senkte. »Ja«, sagte L. M. sofort.
»Die Hälfte ist erreicht«, sagte Barney hastig. »Wenn Sie das Buch also in einer Stunde bekommen, sagen Sie ja. Dabei ist kein Unterschied.«
»Also gut, einverstanden«, sagte L. M. achselzukkend. »Aber was soll’s?«
»Setzen Sie sich hin, L. M.«, sagte Barney, packte den verwirrten Charley Chang am Arm und schleppte ihn aus dem Raum. »Unterhalten Sie sich mit Sam über das Budget oder trinken Sie etwas — ich komme in genau einer Stunde wieder und bringe Ihnen das Buch Unter Wikingerflagge .«
»Meine Gehirnschrumpfung schreitet fort«, sagte Charley, als sich die Tür hinter ihnen schloß. »Barney, ich habe in diesem schnellen Geschäft schon viele schnelle Versprechen gehört, aber das hier …«
»Spar dir die Worte, Charley. Du hast eine Menge Arbeit vor dir.« Barney lenkte den widerstrebenden Schriftsteller in den Korridor hinaus, während er sprach. »Wie lange brauchst du schätzungsweise, um einen Erstentwurf des Drehbuchs abzuliefern? Bei harter Arbeit, versteht sich.«
»Es ist ein schwieriger Job. Zumindest sechs Monate.«
»Gut. Bei starker Konzentration sechs Wochen.«
»Ich habe von sechs Monaten gesprochen. Und sechs Wochen sind immer noch mehr als eine Stunde.«
»Wenn du sechs Monate brauchst, kannst du sie haben. Ich verspreche dir, daß du so lange brauchen kannst, wie du willst. Und du bekommst einen herrlich ruhigen Arbeitsplatz.« Sie kamen an einem Wandfoto vorbei, und Barney blieb stehen und deutete darauf. »Da. Santa Catalina! Viel Sonne und ein erfrischender Sprung ins Salzwasser, wenn die Gedanken schal werden.«
»Ich kann da nicht arbeiten. Verdammt viele Leute und nächtelange Parties.«
»Das glaubst du. Würdest du gern auf Catalina arbeiten, wenn keine Menschenseele in der Gegend ist und du die Insel für dich allein hast? Denk mal, wie viele Seiten du pro Tag schaffen könntest!«
»Barney, ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung, was du eigentlich willst.«
»In fünf Minuten weißt du Bescheid, Charley.«
* * *
»Fünfzig Ries Schreibpapier, eine Schachtel Kohlepapier, Schreibmaschinenstuhl — einer, Schreibtisch — einer, Schreibmaschine …«
»Ein Dampfmodell, Barney«, sagte Charley. »Die veraltete Art mit reiner Handbedienung. Ich kann nur auf einer IBM schreiben.«
»Auf dem Teil der Insel, auf dem du arbeitest, ist der elektrische Strom eine unsichere Sache. Du wirst sehen, wie schnell deine Finger wieder in Übung kommen.« Barney hakte die Maschine ab, als eine große Kiste hereingeschoben wurde. »Eine Safariausrüstung, komplett.«
»Eine was? «
»Eine Do-it-yourself-Safariausrüstung von der Kulissenabteilung. Zelte, Liegen, Moskitonetze, Stühle, Faltküche — und alles funktioniert. Du wirst dir wie Dr. Livingstone vorkommen und dabei doppelt so bequem wie er leben. Wassertonne, fünfzig Gallonen, Stempeluhr mit Karten …«
Charley Chang starrte in dumpfer Verständnislosigkeit die verschiedenen Gegenstände an, die in den Lastwagen verladen wurden. Der alte Knacker mit seinem Kopfhörer à la Frankenstein paßte ins Bild. Die Stempeluhr wurde in den Wagen gestellt. Charley packte Barney am Arm und deutete nach oben.
»Ich verstehe gar nichts und das hier am wenigsten. Was fange ich mit einer Stempeluhr an?«
»In ein paar Minuten erklärt dir Professor Hewett alles ganz genau. Du wirst sehen, die Uhr ist sehr wichtig. Du mußt jeden Morgen eine Karte lochen, vergiß das nicht.«
»Mister Hendrickson«, rief seine Sekretärin, »Sie haben unwahrscheinliches Glück.« Sie kam mit einem verwirrten Neger herein, der eine weiße Schürze und eine hohe Kochmütze trug. »Sie sagten, daß Sie einen Koch brauchten, und da habe ich mich in unserer Kantine umgesehen. Clyde Rawlston kann nicht nur kochen, sondern auch stenografieren und mit der Schreibmaschine umgehen.«
»Sie sind ein Engel, Betty. Bestellen Sie noch eine Schreibmaschine …«
»Schon unterwegs. Ist der Erste-Hilfe-Kasten angekommen?«
»Bereits verladen. Das wäre es also. Clyde, das hier ist Charley, Charley, Clyde. Ihr werdet euch noch näher kennenlernen. Wenn ihr jetzt einsteigen wollt?«
»Ich steige ein, sobald mir jemand erklärt, was hier vorgeht«, sagte Clyde Rawlston kriegerisch.
»Ein Dringlichkeitsfall. Climactic ist auf Ihre Hilfe angewiesen. Ihr seid beide treue Mitarbeiter der Studios und werdet uns nicht im Stich lassen. Professor Hewett erklärt euch das Weitere. Es wird nicht lange dauern. Ich sehe euch in spätestens zehn Minuten wieder. Das ist ein Versprechen. So — und jetzt einsteigen, damit ich das Gatter hochklappen kann.«
Seine Befehlsgewalt setzte sich durch, und sie kletterten in den Lastwagen. Professor Hewett beugte sich noch einmal heraus.
»Ich dachte, das Kambrium sei vielleicht am besten«, sagte er zu Barney. »Frühes Paläozoikum. Ein hübsch gemäßigtes Klima, warm und angenehm, ohne Wirbeltiere, die nur Schwierigkeiten machen würden. Im Meer wimmelt es von einfachen Trilobiten. Allerdings könnte es auf die Dauer zu warm werden. Vielleicht gehen wir doch in die Devon-Periode. Die Tiere sind immer noch ziemlich klein …«
»Sie sind der Experte, Professor, machen Sie es, wie Sie es für richtig halten. Wir müssen jetzt schnell arbeiten. Bringen Sie die beiden nach Catalina und holen Sie sie nach sechs Wochen wieder ab. Das Zeug kann gleich auf der Insel bleiben, vielleicht brauchen wir es später noch. Schnell jetzt, es ist nur noch eine Viertelstunde Zeit.«
Professor Hewett wandte sich seinen Instrumenten zu, und der Generator heulte auf. Charley Chang wollte etwas sagen, aber seine Worte wurden abgeschnitten, als der Laster verschwand. Barney sah sich nach seiner Sekretärin um, doch da tauchte der Lastwagen wieder auf.
»Was ist passiert?« fragte er. Dann sah er, daß die Vorräte verschwunden waren. Clyde Rawlston stand neben dem Professor, und Charley Chang saß auf einer leeren Kiste und drückte einen Umschlag an sich.
»Nichts ist passiert«, erwiderte der Professor. »Ich habe unsere Rückkehr nur so exakt wie möglich geplant.«
Charley trug keine Jacke mehr, und sein Hemd war an den Schultern so verschossen, daß man überhaupt keine Farbe mehr erkennen konnte. Er hatte lange Haare und einen schwarzen Stoppelbart.
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