„War André dort?“ fragte Jenny.
„Nein. Ein Rudel Kinder war natürlich sofort da, um über mich zu lachen, aber André war nicht dabei.“
„Aber du warst in der Bibliothek, und dein Fahrrad stand draußen — stundenlang“, sagte Jenny. „Er hätte also jede Menge Zeit gehabt, es zu tun.“
„Genau wie jeder andere auf dieser Insel, mit der Ausnahme von Maeta, die mit mir zusammen Bücher sortiert hat. Über diese Lappalie mache ich mir keine Gedanken; so etwas würde ich jedem Jungen zutrauen. Aber was heute passiert ist, ist eine andere Geschichte. Ein kleiner Scherz und der Versuch, mir das Genick zu brechen und mir dann noch einen Bratspieß in die Brust zu jagen, gehören einfach nicht in dieselbe Kategorie.“
„Da bin ich nicht so sicher“, sagte der Arzt bedächtig. „Beide haben eines gemeinsam.“
„Und das wäre?“ Die Stimme des Jägers klang gleichzeitig mit denen der anderen in Bobs Innenrohr.
„In beiden Fällen bestand die Möglichkeit, daß du verletzt oder getötet werden konntest; doch dank des Jägers bist du essentiell unbeschädigt davongekommen.“ Bob warf einen Blick auf seinen Arm und hob die Brauen. „Du weißt, was ich damit sagen will. Der Jäger hat seine Arbeit getan. Ganz egal, wer vor einer oder zwei Stunden einen Grillspieß in deine Brust gestoßen hat, er hat faszinierende Informationen zu verbreiten, wenn er dich heute wieder auf den Beinen sieht. Könnten beides nicht Experimente gewesen sein? Ich könnte mir eine Person vorstellen, die sehr interessiert wäre, solche Tests mit dir anzustellen, Bob.“
„Und wer wäre das?“ fragte Jenny. Die anderen schwiegen. Bob und der Jäger erkannten im selben Moment, wen Seever meinte, und keiner der beiden war von der nächsten Frage des Arztes überrascht.
„Jäger, bist du völlig sicher, daß der Verbrecher, den du verfolgt hast, tatsächlich im Feuer getötet worden ist?“
„Ich habe nie daran zweifeln müssen“, vermittelte Bob die Antwort des Jägers. „Ich bin völlig sicher, daß ich unter denselben Umständen gestorben wäre. Wir haben ihn auf dem Boden liegen sehen. Bob hat Schweröl auf ihn und um ihn herum gegossen und es angesteckt. Der Boden war steinhart und feucht, so daß eine Penetration eine langwierige Angelegenheit gewesen wäre.“
„Hast du es selbst versucht?“
„Nicht an dieser Stelle“, mußte der Alien zugeben, „aber…“
„Trotzdem aber bist du sicher“, unterbrach Seever Bobs Übermittlung der Antwort. „Okay, vielleicht hast du recht. Erfahrung hat ein Gewicht, das niemand bestreiten kann, auch wenn mir wohler wäre, wenn du den Boden damals sofort untersucht hättest. Außerdem sollten wir etwas mehr über den desChenes-Jungen erfahren, der damals zugesehen hat. Am besten wäre es natürlich, wenn du ihn selbst überprüfen würdest, Jäger, aber das ist sicher sehr schwer durchführbar. Ich werde es natürlich selbst versuchen, aber falls du bessere Vorschläge haben solltest… dies klingt wie unser Gespräch vor mehr als sieben Jahren, nicht wahr?“
Bob gab zu, daß dem so war, und damit kamen sie zum Thema zurück.
„Ich gebe zu, es könnte recht interessant sein, herauszufinden, was dieser junge Clown getrieben hat, und ob Ihr Verdacht irgendeine Basis hat“, sagte er. „Aber wir haben nach wie vor unsere Suche. Wie steht es damit? Du hast gesagt, es ist zu windig, Jenny?“
„Ja.“ Das Mädchen nickte nachdrücklich. „Selbst wenn wir noch zwei Paddler an Bord hätten, wären sie nicht in der Lage, das Boot lange in Position zu halten, wenn Maeta taucht. Und es wird sicher einen oder zwei Tage so bleiben, fürchte ich.“
„Hm.“ Bob runzelte die Stirn. „Und wir haben noch nicht einmal die Hälfte des Gebietes abgesucht. Na schön, dann können wir eben vorerst nichts tun — schade. Ich denke, der gebrochene Arm wird mir ein oder zwei Wochen Krankenurlaub einbringen, und in der Zeit hätten wir eine Menge schaffen können. Ich wünschte, die Tauchausrüstungen würden endlich eintreffen.“
„Wir brauchten trotzdem ein Boot, um hinaus zu kommen“, erklärte Maeta, „falls du nicht vorhaben solltest, von der North Beach aus eine Meile oder so zu schwimmen, so lange unter Wasser zu suchen, bis du völlig erledigt bist, und dann wieder zurückzuschwimmen.“
„Du könntest es schaffen.“
„Sicher, aber ich würde es nicht tun, weil ich keinen Hirnschaden habe. Wenn es nicht wirklich um Leben und Tod geht… ich meine…“ Sie wußte nicht, was sie so sagen sollte und lief so rot an, daß es selbst bei ihrer dunklen Haut sichtbar war.
Bob lachte herzlich und ohne Bitterkeit. „In Ordnung, Maeta, ich weiß, daß dies nicht dasselbe ist, als ein Kind vor dem Ertrinken zu retten. Wir alle wissen, daß diese Suche nur auf einer Hoffnung basiert, die nicht einmal so aussichtsreich ist, wie ich es glauben möchte, und es wäre Irrsinn, dafür ein so großes Risiko auf sich zu nehmen. Ich mache mir schon genug Vorwürfe wegen der Risiken, die du bereits auf dich genommen hast. Es kommen manchmal Haie in die Lagune, und sie wahren oft nicht die Anstandsregel, ihre Rückenflosse zu zeigen, bevor sie angreifen. Eine Frage: Könnte ein Motorboot bei diesem Wind und Wellengang Position halten? Wenn ja, könnten wir den Jäger hinabschicken, wie wir es vorher getan haben.“
„Sicher, solange der Motor in Ordnung ist“, sagte das Mädchen langsam. „Ich jedenfalls wäre bereit, bei dieser wichtigen Sache ein so geringes Risiko auf mich zu nehmen. Vielleicht können wir die Vaevae der Paukés ausleihen, falls sie das Boot nicht selbst brauchen. Wir müßten allerdings durch den Kanal auslaufen; sie hat zu viel Tiefgang, um die North Beach anlaufen zu können. Bist du sicher, daß man dir frei geben wird? Du hast schließlich noch einen gesunden Arm.“
„Was meinen Sie dazu, Doc?“ wandte Bob sich an Seever. „Wie verhält sich PFI in einem solchen Fall?“
„Ziemlich großzügig“, antwortete Seever. „Wenn der Jäger nicht wäre, würdest du mit Sicherheit eine Woche lang im Bett liegen und natürlich von der Arbeit befreit sein.“
„Wenn der Jäger nicht wäre, würde ich jetzt tot auf der Straße liegen. Entschuldigen Sie die Unterbrechung; ich weiß, was Sie sagen wollen.“
„Natürlich kann ich nicht alle deine Verletzungen berichten, zum Teil, weil sie unglaublich sind und der Jäger sie unbeweisbar gemacht hat. Aber der gebrochene Arm dürfte dich für einige Tage von der Arbeit freistellen; ich denke, daß du fast damit rechnen kannst, etwas Zeit für deine Suche zu haben.“
„Falls sich das Wetter nicht noch weiter verschlechtert“, wandte Jenny ein.
Das tat es jedoch nicht, obwohl es auch nicht besser wurde. Die Paukés waren bereit, ihr Boot auszulernen, unter der Bedingung, daß Maeta das Kommando übernahm, und für einige Tage konnte die Suche fortgesetzt werden.
Bis zum Mittwoch war der Wind soweit abgeflaut, daß es möglich war, wieder Maetas Ausleger-Boot zu benutzen. Jenny hatte noch keine Zeit gefunden, ihr Kajak zu flicken. Am Donnerstag ging Bob wieder zur Arbeit in der Raffinerie. Am Samstag, dem zehnten Juli, entdeckten die beiden Mädchen eine große Metallmasse.
Sie waren an diesem Tag weiter hinausgefahren, und das Wasser war so tief, daß Maeta Schwierigkeiten hatte, auf Grund zu kommen, selbst wenn sie einen Gürtel mit Bleigewichten trug, was den Fortgang der Suche natürlich erheblich beeinträchtigte.
Das drückte natürlich stark auf die Stimmung, und selbst die ruhige Entschlossenheit des Teroa-Mädchens begann zu bröckeln. Jenny war oft versucht gewesen, nicht hinauszufahren, und nur die Möglichkeit, daß Maeta das Raumschiff während ihrer Abwesenheit finden mochte, hatte sie dazu gebracht weiterzumachen.
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